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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
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Das romantische Manifest – Buchkritik

Kein Manifest, aber zehn sinnreiche Seiten für Partnersuchende enthält es doch


Viel recherchiert, die Richtigen getroffen – und dennoch oft am Thema vorbei ins Wasser geplatscht – so könnte man das neue Buch von Milosz Matuschek am besten beschreiben. Denn genau das, was auf dem Titel steht, ist dieses Buch nicht: ein „romantisches Manifest“. Matuschek versucht die Quadratur des Kreises: Es gibt zwar keinen Beweis für die „romantische Liebe“, aber es wäre einfach schöner, wenn es einen gäbe. Das ist indessen keine besondere geistige Leistung – jede Wurstverkäuferin redet von Romantik, und wie die Dame in Metzgerladen, kann auch Matuschek nicht nachweisen, dass es die „romantische Liebe“ tatsächlich gab oder gibt.

Das zeigt sich schon in dem Kapitel, das er der „Aufstieg und Untergang der romantischen Liebe“ nannte. Es ist bezeichnenderweise nur etwa drei Seiten lang und sagt im Wesentlichen aus: Die Zeit prägt die Partnersuche, nicht die Partnersuche die Zeit. Lapidar stellt er fest:

Heute erleben wir einen Rückfall der Liebe in eine vorromantische Ära.


Na ja, dann eben dies – die „romantische Ära“ dauerte ohnehin nur ein paar Jahrzehnte, sie galt nicht für alle (was oft vergessen wird), und sie war eben auch nur eine Zeiterscheinung.

Zweifel an der romantischen Liebe - ist sie nicht nur ein Etikett?

Um in der deutschen bürgerlichen Gesellschaft vor 1914 eine „romantische“ Liebe zu erleben, zu beschreiben und einzugestehen, musste man schon erstens Mann, zweitens Künstler und drittens ein Filou sein. Oder sagen wir es doch gleich so: Die Romantik war auf Affären fokussiert, bei denen sich beide den Lüsten hingaben: vom Küssen und Kosen bis zur wollüstigen Bettaffäre. Und ob die Dame wirklich ledig oder bereits verlobt oder verheiratet war, spielte eine eher geringe Rolle. Insofern war und ist Romantik schon immer eine Hülle, ein Etikett, ja, ich wage zu sagen: eine Mogelpackung.

Das sieht Milosz Matuschek natürlich ganz anders. Satte 169 Quellen bietet der Autor auf nur 134 Seiten (1) an, um seien wackligen Thesen zu beweisen, und beinahe noch mehr Bücher, die ihm als Belege für seien Behauptungen gelten.

Der Finger in der Wunde: Anspruchsdenken urbaner Partnersuchender

Das Buch wäre ein einziges „Ach, ich habe auch noch etwas dazu zu sagen“, wenn Matuschek den Finger nicht in die Wunde legen würde, die bei der Partnersuche am meisten schmerzt. Es ist die absolut lächerliche, von Online-Dating-Unternehmen noch beflügelte Idee, man könne im Leben eine „absolut perfekte Liebe“ finden. Freilich wäre einschränkend zu sagen, dass es mehr oder weniger Menschen betrifft, die zur elitären, selbstverliebten Klasse der „neuen Akademiker(innen)“ urbanen Zuschnitts gehören.

Dennoch lohnt es sich, der Kritik zu folgen:

Auf der einen Seite rühmen sich die Portale mit ihren Akademikerquoten, auf der anderen behandeln sie den Nutzer wie einen Autisten.


Damit hat er recht, und nicht nur damit. Tatsächlich versuchen manche Portale, ihre Kunden zu belehren, was sie tun „dürfen“ und was nicht, und dass es sich bei ihnen offenbar um einen psychischen defekt handeln muss, wenn sie mit den vorgeschlagenen Partnern nicht zu Potte kommen. Ich habe es als Nicht-Kunde ebenso erlebt: Die Agenturen verteidigen ihre sogenannten „Partnerübereinstimmungstests“ mit Zähnen und Klauen. Selbst, wenn es erwiesenermaßen keinen wissenschaftlichen Beweis für sie gibt. In einem Gespräch wurde mir klipp und klar gesagt, dass die Gutachten psychologisch hieb- und stichfest wären – wenn jemand andere Meinung sei, dann habe er ein falsches Selbstbild. Wenn sie mir das als unabhängigem Journalisten schon unterbuttern wollen – was werden sie dann erst den Lieschen Müllers sagen, die voller Ehrfurcht zu einem Psychologen aufblicken? Es ist gar nicht auszudenken, welchen Schaden sie damit anrichten können.

Zehn Seiten lohnen das Lesen - der Weg zurück zur Selbsbestimmung

Der Segen des Buches liegt darin, urbane Partnersuchende wieder auf den Weg zurückzuführen, selbst zu denken, an die eigene Innenwelt zu glauben und der Liebe eine Chance zu geben. Was wir verloren haben, ist der freie Blick: Wer auf „Matchpunkte“ schaut, ist dem Abgrund der Fremdbestimmung schon verdächtig nahe. Wir müssen auf Menschen sehen, nicht auf Abstraktionen. Wir müssen, wie Charly Parker einmal sagte, auf die Worte hören, nicht auf die Doktrinen. Und wir müssen uns auf uns selbst verlassen können.

Ähnliches sagt auch Matuschek auf den letzten Seiten seines kurzen Buches, und diese zehn Seiten (von Seite 139 bis 149) gehören dann auch zum Einzigen, was dieses Buch wirklich auszeichnet. Liebe ist keine Religion, die man aus einem Evangelium ablesen kann. Matuschek rät darüber hinaus vor allem dazu, unsere Selbst-Inszenierungen zu überprüfen. Dafür verdient er Dank.

(1) Ohne Vorwort, Schlusswort und Quellenangaben.

Quelle und Buch: Matuschek, Milosz: Das Romantische Manifest – Schluss mit der Suche nach der perfekten Liebe, Berlin, März 2014

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