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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Erotisch schreiben: klinisch rein und süß oder schmutzig und rau?

Sozial Unkorrekt schreiben: interessant, aber gefährlich


In den meisten Liebesromanen wird das Leben ausgeblendet, sobald Erotik eingeblendet wird. Die Protagonisten ziehen einander duftige, saubere Wäsche aus und liegen dann wundervoll nackt, rosig, geduscht und duftig parfümiert und hübsch anzusehen in einem Bett. Gepflegte, sauber geschminkte Lutschmünder mit schönen, strahlenden Zähnen nehmen strahlend weiße, hübsch geformte makellose Penisse auf. Haarlose Vulven öffnen sich, sind schon vorgefeuchtet und geben anschließend den Blick auf sanfte, hellrosa Vaginen frei, in die der männliche Protagonist hineingleitet.

Im Grunde sollte diese Tatsache niemanden verwundern. Die Autorinnen von Liebesromanen schaffen diejenigen Illusionen, nach denen ihre Leserinnen lechzen. Die romantische Verführung oder die sinnliche Hingabe, die sie im Leben vermissen, wollen sie wenigstens im Roman genießen. Selbst Orgien wirken dann wie ein Gourmet-Dinner unter Freunden. Man schleckt, man lutscht, man steckt den Finger in die Muschi, als würde man den Finger in die Schlagsahne am ehelichen Kaffeetisch stecken.

In modernen Sexromanen findet all das nicht statt, was im Leben eine Rolle spielt: verschwitzte Körper, unpassende Unterwäsche, Hautunreinheiten und strubbeliges Schamhaar. Penisse und Vaginen sind normalerweise weder wirklich schön noch allzeit bereit. Frauen überwinden sich eher an Eicheln zu saugen, als dass sie Freude daran hätten. Männer hassen in der Regel Vaginen, es sei denn, sie dürften ihren Penis darin versenken. Unsicherheit, Angst, fehlende Scheidenfeuchtigkeit, halb erigierte Penisse, die Nachhilfe benötigen – all das existiert vorsichtshalber gar nicht.

Im SM-Bereich werden Schreie auch dann noch „fast unhörbar" unterdrückt, wenn man die normalerweise drei Blocks weiter hören würde: Wenn die Peitsche die Klitoris trifft, zuckt es eben mal ein bisschen (1). Es gibt keine sichtbaren Striemen, keine blutunterlaufenen Hautstellen, keine Wunden, aus denen Blut auf den Perserteppich sickert.

Es scheint, als hätten sich alle Autorinnen darauf gereinigt, wie man sozial korrekt vögelt – ein bisschen SM durchaus inbegriffen.

Bevor ich ein einziges weiteres Wort dazu sage: Vermutlich können diese Autorinnen noch für Jahrzehnte darauf hoffen, ein paar triefäugig gepolte Sachbearbeiterinnen oder Hausfrauen damit zu amüsieren. Doch die „Hartgesottenen“, die wirklich aufregende erotische Literatur lesen wollen, können damit nicht erreicht werden.

Sollten Sie also „schmutzig“ schreiben? Wollen Sie die „soziale Korrektheit“ aufgeben? Dann begeben Sie sich aufs Glatteis, denn man wird sie öffentlich wegen Ihrer Sprachfrevel anklagen. Beispielsweise deswegen:

1. Die öffentliche Neusprech-Zensur erlaubt bestenfalls, dass Sie über „Höschen mit feuchten Stellen“ oder einem „feuchten Fleck“ schreiben. Entsprechend häufig kommt dieser Satz auch in erotischen Romanen vor. Lassen sie sich nicht einfallen, über Sperma zu schreiben, das verspritzt, ausgetauscht, wieder aufgenommen oder dergleichen wird. Schreiben Sie niemals über ein Kondom, nachdem es abgezogen wurde.
2. Sozial korrektes Neusprech erlaubt keinen Sexismus. Was immer Sie von Männern, besonders aber von Frauen halten: Alle sind edel, hilfreich und gut, und vor allem wird kein Mensch berührt, bevor er darin eingewilligt hat
3. Starke Emotionen, insbesondere solche im Bereich von Verführungen, bei gleichgeschlechtlichen Kontakten oder im SM-Bereich, werden nach „Neusprech“ auf unverbindliche Floskeln heruntergebrochen. Heftige Schmerzen oder unwillkürliche, extreme Körperreaktionen kommen gar nicht erst vor.
4. Gewalt, Rache, Erpressung, Gefangennahme, Verschleppung und ähnliche Umstände sollten besser niemals geschildert werden – all dies fällt unter die Kategorie „sozial unerwünscht“, und zwar vor allem immer dann, wenn heterosexuelle Frauen die Opfer sind.

Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – schreiben sich viele Autorinnen die wilde Wollust vom Leibe … und zeigen, wie wundervoll erregend, schrecklich eklig, extrem lustvoll oder ekelhaft gemein Sexszenen sein können. Dabei ist allerdings wichtig, die übrige, nicht-sexuelle Handlung so aufzubauen, dass diese Szenen im Gesamtzusammenhang als sinnvoll erscheinen.

(1) Wie in den "50 Shades of Grey"
Das © für das Billd ist unbekannt.