Skip to content
 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Erotisch schreiben: die süße Furcht vor Grenzverletzungen

Wilde Fantasien müssen keine bösen Träume sein


Erotische Geschichten sind Fantasien, sicherlich. Aber sie können mehr als das sein. Sie können uns auch ein Stück des Weges weisen, und uns dazu ermutigen, unser erotisches Selbst zur Blüte zu bringen. Deshalb die Frage: Worin liegt meine Verantwortung als erotische Schriftstellerin, meine Geschichten ethisch und verantwortlich zu schreiben?

Sinclair Sexsmith, Autorin und Sexualberaterin

An erotischen Büchern macht man sich nicht die Finger schmutzig, und deswegen wird die Ethik erotischen Schreibens von vornherein aus den meisten Betrachtungen über Schriftsteller und ethische Verantwortung ausgeklammert. Wie denn überhaupt „Ethik“ und „Verantwortung“ selten fallen, wenn von der Wirkung eines Buches die Rede ist. Ein jeder schreibt eben nicht „Onkel Toms Hütte“.

Die reine Liebe ist auf Dauer zu langweilig

Die Ethik des erotischen Romans? Wenn wir daran glauben würden, dann müsste die reine weibliche Seele em bösen männlichen Verführer widerstehen, und der Gentleman mit festen Absichten müsste am Ende den Sieg über den abenteuerlustigen Gigolo davontragen. Die raffiniert-durchtriebene dunkelhaarige Frau müsste in der Gosse landen und die reinherzige blonde Heldin am dritten Abend im Bett ihres zukünftigen Verlobten.

Ach, wie langweilig. Erotik-Autoren schreiben nicht, um bürgerliche Klischees zu zementieren, sondern um die Leserinnen und Leser mit dem Ungewöhnlichen bekannt zu machen. Sie wollen ihre Sinne schärfen und ihnen dabei helfen, die Mauern einzureißen, die ihren Genuss blockieren. Wer erotische Geschichten liest, wird von der Autorin oder dem Autor auf einer Reise begleite, auf der es heißt: „Solange du in meiner Nähe bleibst, droht dir keine Gefahr – folge mir einfach.“ Der kleine Trick besteht darin, dass vor allem die Autorinnen versuchen, ihren Heroinen so nah zu kommen, dass die Leserin unter deren Haut kriechen kann. Das gelingt umso bessre, je mehr der anfängliche Widerstand, das Zaudern und die Angst vor dem Ungewöhnlichen glaubhaft geschildert werden.

Die süße Furcht vor der Grenzverletzung

Sehen Sie, erotische Schriftsteller schreiben für Menschen, die in Träume und Fantasien hineingezogen werden wollen, die sie selbst niemals körperlich erleben werden. Die Heldin aber darf es. Sie soll für die Leserin die „unartigen“ und „schmutzigen“ Grenzen überschreiten. Ganz folgerichtig ist die Furcht vor Grenzüberschreitungen eines der bevorzugten Themen in der erotischen Literatur. Vor allem deshalb, weil es ethisch so „inkorrekt“ ist, sich hinzugeben, verführen zu lassen oder einfach der Wollust nachzugeben.

Erotisch schreiben – verführen mit Worten

Wer erotisch schreibt, verführt mit Worten. Wie alle realen Verführerinnen und Verführer auch ist er begierig, seine Ziele auch zu erreichen. Das gelingt aber nur, wenn er tief in die Gefühlswelten eindringt und den Verführten ein klein wenig das Steuer aus der Hand nimmt. Wie bei realen Verführungen werden die Verführten zu Komplizen der Verführer und geben sich voller Wonne den Sätzen hin, die sie immer tiefer in die Geschichte verwickeln.

Ethisch durchaus korrekt: Brücke über Flüsse bauen


Ethisch verantwortungsvoll zu schreiben, heißt also nicht, künstlich aufgebaute ethische Grenzen zu beachten oder zu missachten. Das könnten Autoren ohnehin nicht, weil jeder Mensch seine eignen ethischen Grenzen hat und die Autoren deshalb ständig mit „Grenzübertritten“ zu tun haben. Nein, ethisch schreiben heißt, die Heldin zu respektieren und damit auch die Leserin, wenn sie in die Rolle der Heldin schlüpft. Schriftsteller können Brücken bauen – zu anderen Ethnien, anderen Kulturen und auch zu anderen sexuellen Erfahrungswelten. Sie benutzen dazu, oft ohne es zu wissen, das „Was-wäre-wenn“-Prinzip. Die Leserin soll sich dabei fragen: „was wäre, wenn ich eine einmalige, verrückte Liebesnacht hätte, eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingehen würde oder mich lustvoll peitschen lassen würde?“

Autorinnen und Autoren schreiben für Sie, weil sie Ihnen Freude machen wollen. Und auch, weil sie Ihnen erklären wollen, dass Sie keine Angst davor haben müssen, sich einmal wirklich zu verlieren.

Ihre ethischen Grundsätze können sie gerne am nächsten Morgen wieder verkünden – sie es von der Kanzel, im Parlament, gegenüber Ihrem Ehemann oder einfach beim Gemüsehändler. Die Verführung durch ein Buch hinterlässt keine bleibenden Spuren. Wirklich nicht.

(Dieser Artikel erschien in der Rohfassung bereits im Schriftsteller-Blog)

Trackbacks

die liebeszeitung am : Die Woche: besserer Sex, Pornos, Dreier, Storys und Ethik

Vorschau anzeigen
Macht Sex Spaß? Und wenn ja, mit wem? Ich liebe das Zitat: „Sex, der gut aussieht, fühlt sich oft nicht gut an, und Sex, der sich gut anfühlt, sieht oftmals nicht gut aus.“ Klaro. Ist genau wie bei Frauen. Diejenigen, die sich gut anfühlen, sehen nicht im

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen