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Partnersuche: Werden wir zu Sklaven der Psychologie?



Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Partnersuchenden noch so wissenschaftsgläubig sind wie im vorigen Jahrhundert. Insbesondere die Psychologie der Persönlichkeit faszinierte die Menschen der 1970er Jahre, und viele hielten die neuen Schulen der Psychologie, die damals populär wurden, für neue Lebensentwürfe. In gleichem Maße kamen aber durch die Kybernetik und die Forschungen von Paul Watzlawick (et al) ganz generelle Zweifel an der Gültigkeit der psychologischen Grundlagen der Paarbeziehung auf. Ein großer Teil dieser Diskussion wurde vergessen, aber die Kernfrage blieb: Kann man verbindliche Aussagen über die Persönlichkeit eines Menschen allein aus der Sicht der Psychologie treffen?

Die Bürger geben der Psychologie zu viel Definitionsmacht

Die Frage ist relevanter, als Sie denken. Wenn wir als Menschen einer Instanz wie der Psychologie die Macht geben, ein verbindliches Urteil über unsere Person zu fällen, dann sind wir machtlos. Ja, noch schlimmer: Wir hebeln die Naturgesetze aus, die uns erlauben, uns zu entwickeln, zu verändern und im Licht einer neuen Situation zu sehen. Man kann es noch drastischer sagen: Wir machen uns zu Sklaven einer höchst umstrittenen Wissenschaft und geben unser Menschsein zumindest teilweise auf. Wir stellen uns damit in die Nähe der vielen Menschen, die sich an einem Leitbild der Astrologie orientieren und behaupten, genau dem Bild eines Widders oder einer Jungfrau zu entsprechen. Es sind bedauernswerte Menschen, die dies tun, doch sind wir nicht genau so bedauernswert, wenn wir uns dem Diktat eines Persönlichkeitstests unterwerfen?

Der Glaube an die Allmacht der Psychologie bröckelt

Mir scheint, der Glaube an die wankelmütige Wissenschaft der Psychologie lässt nach, und das ist gut so. Ich habe neulich mit ausgesprochenem Vergnügen gelesen, dass die Mitglieder eines Online-Partnervermittlers einander den Rat gaben, bei Kontakten mit potenziellen Partnern anderen „so manches über die eigene Persönlichkeit zu lernen“. Das Pikante daran ist sicher nicht allen Leserinnen und Lesern geläufig: Alle diese Mitglieder mussten sich zuvor dem hauseigenen „Partnerübereinstimmungstest“ mit ausführlichem Persönlichkeitsprofil unterziehen. Führen wir den Rat der Mitglieder noch eine wenig in die Zukunft hinein, so lernen diese Partnersuchenden später auch noch kennen, wie sich ihre Persönlichkeit in der Paarbeziehung verändert. Man müsste nicht erst den Volksmund bemühen, um dies zu untermauern, aber er ist eben drastisch: „Seit Ronald mit der Jasmin zusammen ist, ist er wie ausgewechselt“. Nun ändern wir uns natürlich nicht alle so drastisch, aber eines wird klar: Wir ändern unsere Persönlichkeit mit unseren Beziehungen, weil wir uns selbst auf eine neue Art erkennen.

Selbstbild und Fremdbild - oder wer sind wir eigentlich?

Mit der Persönlichkeit ist es sowieso schwierig: In den Zeiten, als die Kirche den Menschen noch als reines „Werkzeug Gottes“ sah, konnte auch nur jener beurteilen, welcher Art von Persönlichkeit wir waren. Erst nach und nach begannen Mystiker, darüber zu sprechen, dass wir uns wohl auch „selbst erfahren“ könnten, und nach und nach nahmen wir uns das Recht, uns selbst zu erkunden und zu beschreiben. Seither machen Begriffe wie „das Selbstbild“ und „das Fremdbild“ die Runde – also die Art, wie wir uns selbst sehen und die, in der uns andere sehen. Stark vereinfacht: Stimmen Fremdbild und Selbstbild überein, beurteilen wir uns objektiv und unsere Chancen, unsere Lebeentwürfe zu verwirklichen, steigen. Bei der Partnerwahl merken wir es besonders deutlich: Wenn wir wissen, wer wird sind und wie wir auf andere wirken, haben wir es leichter, einen passenden Partner zu finden, und wir müssen nicht soviel Menschen ansprechen, mit denen die Angelegenheit sowieso aussichtslos ist.

Viele Menschen haben übrigens gar nicht so „eindeutige“ Charaktere. Man sagt dann, sie seinen „Facettenreich“, weil sie oft „sowohl diesen wie auch jenen“ Charakterzug in sich vereinen würden. Wer genau hinsieht, wird finden, dass fast alle Menschen mal mehr diesen, mal mehr jenen Charakterzug zeigen – und dies ist oft durchaus abhängig von der Situation und der sozialen Umgebung, in der sie sich bewegen.

Es sind bereits Fälle bekannt geworden, in denen Menschen mehrere, charakterlich unterschiedliche Profile zur Partnersuche veröffentlicht haben, die lediglich Facetten ihrer Persönlichkeit abbildeten. Das Interessante daran: Sie fanden über jedes dieser Profile Partner, die zu ihnen passten, und nicht nur das: Sie stellten plötzlich fest, dass in Partnerschaften einem ganz andren Persönlichkeitsbild zuneigten als in ihrem Single-Leben.

Am Ende widerlegt die Liebe oft die Wissenschaft

Ganz zuletzt, sozusagen am Ende der Kette, steht dann aber noch die plötzlich und unvermittelt aufkommende Sympathie und die überbordende Kraft der Liebe, die oft alles umwirft, was man sich so schön vonseiten der Wissenschaft und der eigenen Analyse zurechtgelegt hatte. Mag man es nun für richtig halten oder nicht: Wenn die Liebe der beiden Beteiligten wirklich stark genug bindet, kann sie alle Grenzen überwinden und zu einer lebenslangen Verbindung führen.

Titelbild © 2010 by Juliana Coutinho

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