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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Die Voyeure und Voyeurinnen der Züchtigungen

Männliche Voyeure als Zuschauer einer erotischen Züchtigung
In der erotischen Literaturfinden wir zahllose Beispiele, die von der Lust der Zuschauer an extremen erotischen Szenen berichten. Die kürzlich verstorbene Autorin Almudena Grades schrieb das gesamte erste Kapitel ihres Debutromans „Lulu“ aus der Sicht einer Voyeurin. Dabei schildert die Heldin ihre Faszination, aber auch ihre Widerstände gegen das, was sie sieht. Besonders interessant ist diese Stelle:

Ich war nicht einmal fähig, Mitleid zu empfinden, obwohl ich allmählich überzeugt war, dass es für ihn sehr schmerzhaft sein musste. Er wir bestraft, dachte ich, genauso willkürlich, wie sie ihn vorher belohnt hatten. Das war nur recht und billig.

Die Szene, die dort geschildert wird, ist realistisch, aber sie stammt nicht aus dem „wirklichen Leben“, sondern wurde für die Liebhaber von Analverkehr und seinen Varianten produziert. Doch auch reale Szenen, bei denen die Erzählerin oder der Erzähler zunächst oder ausschließlich als Voyeurin/Voyeur auftritt, sind bedeutende Teil der erotischen Literatur.

Wozu braucht ein Buch eine Figur als Voyeur(in)?


Warum werden solche voyeuristischen Szenen in Novellen und Romane eingebaut?

Die „heimliche Betrachtung“ ermöglicht den Leserinnen und Lesern, die Position der Distanz einzunehmen. Zwar gilt auch das „Zuschauen“ bei sexuellen Handlungen und erotischen Züchtigungen als „unethisch“, aber die meisten Leserinnen und Leser fallen gerne auf diese Rolle zurück. Die lüsterne Figur im Buch hilft ihnen dabei. Denn die Voyeurin kann sich sowohl empören wie auch in die Lust hineinreißen lassen, und weil das so ist, wird sie zur Leitfigur für eigene Gedanken. Besonders interessant ist natürlich, wenn diese Figur zunächst Scham und Abscheu empfindet, sich dann aber immer mehr auf die Lust am Geschehen einlässt. Als Vorbild dienen oft viktorianische erotische Roman, in dem die noch naive männliche oder weibliche Figur zunächst befremdet ist, dann aber der eigenen Neugier folgt. Das Interesse mündet bald in eine erotische Erregung, aufgrund derer dann die Hand oder der Finger aktiviert wird.
Die Voyeure - Scouts im Dschungel der List

Die Voyeurin oder der Voyeur ist also eine Art „Scout“ durch den Dschungel von Lüsten, die wir allein nicht betreten würde, Er gibt uns eine gewisse Sicherheit, dass all das, was wir lesen, nicht völlig „abartig“ sein kann. Solange es die Voyeurin (oder eben den Voyeur) nicht befremdet oder gar ekelt, folgen wir Leser dieser Figur, Sie schlägt sozusagen die Bresche für uns, die uns sicher in die Wildnis hineinführt und auch wieder heraus.


Fene englische Ladies als Voyeure bei einer Züchtigung

Die Lust am Zusehen - bei der Züchtigung

Bei Almudena Grandes fiel die Aussage: „Die Strafe war nur recht und billig.“ Es lohnt sich, diesen Satz im Auge zu behalten, wenn wir uns an die körperliche Züchtigung wagen. Wer dort geschlagen wird, schwankt zwischen Furcht und Lust. Manchmal ist das Vergnügen ganz auf der Seite der Gezüchtigten, mal frohlocken die Strafenden. Doch eine Figur steht außen vor: die Voyeurin oder der Voyeur, der die Handlung (jedenfalls über viele Buchseiten) lediglich beobachtet.

Lustvolle Züchtigungen vor Publikum

Die erotische Züchtigung vor Publikum hat allerdings eine reale wie auch literarische Geschichte, die weit in die Vergangenheit zurückreicht. Viele davon wurden sehr bewusst in eine gleichgeschlechtliche Umgebung verlagert. Der folgende Bericht aus dem „Bon Ton Magazins“ von 1792 diente zahlreichen späteren Autorinnen oder Autoren als Vorlage. Ich will vorausschicken, dass solche Berichte aus Gesellschaftsmagazinen damals wie heute bezweifelt werden müssen, da sich häufig eine Mischung aus Realität und Fantasie enthalten:

In meinem Beispiel handelt es sich um einen Klub gut situierter, verheirateter Damen, der sich ausschließlich mit der Lust der Züchtigung befassten. Das Los entschied dabei, welche der 12 Mitglieder beim Treffen züchtigen mussten und welche sich in die Züchtigung fügen durften. Dabei spielte der Voyeurismus eine entscheidende Rolle, wie hier zu lesen ist:

Das Los entschied, welche (der zwölf Mitglieder) beim Treffen die jeweiligen Rollen einnahmen. Dann wurde entweder eine Rede verlesen oder in freiere Rede darüber referiert, wie sich die Züchtigungen auswirkten, und zwar von Beginn der Geschichte an bis zum heutigen Tag. (Wenn jede ihren Platz eingenommen hatte) … reichte die Präsidentin des Klubs jeder eine dicke Rute. Sie beginnt die Züchtigung selbst, mit allen Variationen, die sie mag, während die übrigen Mitglieder zuschauen.


Die späteren Schilderungen der Züchtigungen mit Publikum wurden gerne in Internate oder private „Erziehungsinstitute“ verlegt. Dabei wurden vor allem unterschwellig vorhandenen Begierden der Internatsschülerinnen hervorgehoben, die sich bei den Zuschauerinnen zeigten.

Das Erziehungsmilieu - die "Wonnen der Rute"

Ein bekanntes Beispiel für eine ähnliche Praxis wird in dem im „Erziehungsmilieu“ angesiedelte Roman „Die Wonnen der Rute“ von 1893 geschildert. Das Buch erschien in Frankreich und war ein reines Produkt der Fantasie, doch sowohl die Namen wie auch die Prozeduren stammten aus dem Vereinigten Königreich. Die Abschnitte beginn jeweils mit einem Vortrag, der voyeuristische Elemente enthält, wie hier im Beispiel aus dem zweiten Kapitel:

Wenn wir die Röcke hochheben, um … (eine Person) mit der Rute zu züchtigen, sind wir verstimmt, wenn wir unter dem letzten Unterrock keine Hülle finden, die den Schauplatz der kommenden Züchtigung vorläufig noch vor unseren Augen verbirgt.

Je heftiger die erotischen Schilderungen wurden, umso mehr achteten die Autorinnen und Autoren auf Zuschauer, die sich an den zahllosen Erniedrigungen ergötzten, die mehr und mehr Teil der Schilderungen wurden. Wieder werden die Voyeure einbezogen, die völlig der Meinung der gleichfalls zuschauenden Erzählerin sind:

Die unartige junge Lady musterte die Stuhlreihen flehentlich, um jemanden zu finden, der sich für sie verwende möge, doch sie sah nur in 20 erwartungsvolle Gesichter.

Wenn man an solchen Textstellen weiterliest, wird deutlich: Der erzählende Zeuge oder die Zeugin ist zugleich der Verführer oder die Verführerin, die uns „an die Hand“ nimmt. Geradezu so, als wollte er/sie sagen: „Komm mit mir, wenn ich das aushalte und Lust dabei bekomme, dann hältst du es auch aus. Und vielleicht bekommst du auch Lust dabei.“

Mit wem identifizierst du dich besonders gerne?

Normalerweise nehmen erotische Schriftsteller(innen) an, ihre Leser(innen) würden sich mit der Person identifizieren, die sie selbst in den Mittelpunkt stellen. Doch stimmt das wirklich? Was, wenn die Person zwei Gesichter hat? Zum Beispiel, wenn sie einerseits liebt, gezüchtigt zu werden und andererseits selber den Rohrstock tanzen lässt? Und ist die oder der gezüchtigte wirklich immer die interessanteste Figur im Spiel?

Welche Figur fasziniert uns - und warum?

In erotischen Geschichten über sinnliche Züchtigungen oder andere extreme körperliche Herausforderungen wissen wir nicht, was unsere Leser(innen) stärker fasziniert. Ist es die Person, die besonders fordernd oder gar rücksichtslos wirkt oder jene, die ihre Schläge sinnlich begleitet? Oder ist es die andere Person, die Schläge empfängt und zwischen Genuss und Furcht schwankt? Oder ist es gar die Voyeurin selbst, die uns verführt, tiefer in die Lust einzutauchen?

Eines ist sicher: die Voyeurin (der Voyeur) im erotischen Roman hilft uns, die eigenen Hemmungen zu überwinden und uns Gedanken zu nähern, auf die wir uns zuvor nicht eingelassen hätten. Wir fragen nicht mehr nach gut oder böse, sondern können nur noch die Hand unserer trickreichen Verführer und Verführerischen loslassen oder ihnen folgen, bis es auf der letzten Seite heißt, dass die Figuren ihre Wollust weiter pflegten, ohne sie jemals zu bereuen.

Quellen:

„Lulu – Die Geschichte einer Frau. (Almudena Grandes)
„Die Wonnen der Rute“ (Eduard Droz).
„Beauty and the Birch“(Anonymous, Briefroman, angeblich 1905)
Mrs. Berkley’s Salon: Pleasure, Perversion & the Technologies of Sexual Life in pre-Victorian London (David Rosen, 2016) für das Zitat aus dem “Bon Ton Magazin”.
Bilder:
Oben M.del Gigglio, historisch gegen 1920(?)
Mitte: "Mira K.", anonym, ebenfalls auf gegen 1920 datiert.

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