Die Rache am anderen Geschlecht – sinnlos
hier mann - dort weib. wollen wir wirklich dahin zurück? waren wir nicht schon einmal weiter?
Das 21. Jahrhundert hat eine merkwürdige Tendenz hervorgebracht: die Überbetonung geschlechtsspezifischer Unterschiede. Nachdem wir sie gerade weitgehend abgeschafft hatten und zu unserer Verblüffung feststellen, dass Frauen mit Männern auch ganz normal reden können, ohne sofort in Flirtposition zu gehen und sogar Männer mir Frauen eigentlich ganz gut zurechtkamen, ohne daran denken, wie sie die Frauen schnellstens ins Bett bugsieren konnten, wendete sich der Wind.
Nicht ganz unschuldig daran war eine Institution, die allgemein als „der Elfenbeinturm“ bekannt ist. Zuerst beschäftigte sich dort eine entsetzlich große Anzahl von Damen mit Frauenforschung, dann gingen zumeist dieselben Damen zur Männerforschung über, und was sie feststellten, ist wirklich enorm: Frauen und Männer sind unterschiedlich. Nein, nicht in der Gestalt, nicht in den Geschlechtsteilen und nicht in der biologischen Funktion, sondern im Hirn – und überhaupt in allem, was so vom Hirn ausgeht, und das ist bekanntlich fast alles. was uns bewegt.
Mit diesem neuen „Wissen“ ausgestattet, lässt sich nun fast alles anderes erklären – und wenn sich das Haus Langenscheidt heute dazu herablasst, Bücher wie „Frau – Deutsch, Deutsch-Frau“ herauszugeben, dann wird deutlich, welcher Flurschaden damit bereits angerichtet wurde.
Unterschiede sind selbstverständlich, aber Gemeinsamkeiten zählen mehr
Dabei vergessen die Damen Forscherinnen ebenso wie die Kaffeekränzchentanten, wie kontraproduktiv dieser Blödsinn ist. Denn in Wahrheit geht es darum, wie wir uns trotz der auch schon vorher bekannten Gegensätze auf einheitliche Standards einigen können, die gemeinhin zur erfolgreichen Kommunikation beitragen. Auf der Ebene des Alltags ist ohnehin Schwachsinn anzunehmen, dass sich dort „Männer“ mit „Frauen“ treffen. Dort trifft sich vielleicht die Rheinländerin mit dem Norddeutschen und meinetwegen die Ossi-Frau mit dem Wessi-Mann. Dort treffen sich Christen und Juden, Sozialdemokraten und Christdemokraten und die Unternehmerin mit dem leitenden Angestellten. Am Ende, und genau betrachtet, trifft sich aber die Erika mit dem Hans, auch wenn der Norddeutscher, Jude, Sozialdemokrat, Angestellter und Wessi ist.
Hier Frauen -dort Männer: der neue Schwachsinn
Die beiden Menschen auf „Männer und Frauen“ zu reduzieren, ist so dämlich, dass man sich an die Stirn greift – und dennoch: Manche Menschen denken so.
Wenn ich aber den andere gar nicht mehr als Person wahrnehme, sondern nur noch anhand seiner „Etiketten“, dann kann ich ihn gar nicht verstehen. Mit anderen Worten: Wenn die Erika den Hans nur als Mann sieht, dann ist das Einzige, was sie mit ihm tun kann, ins Bett zu gehen und sonst gar nichts. Erst wenn sie den Menschen Hans kennenlernen will, dann wird sie an das herankommen, was man eine Beziehung nennt.
Ich höre dieser Tage von immer mehr Frauen, die sich in irgendeiner Weise an Männern rächen wollen. Einige von ihnen schreiben ganz offenkundig darüber, dass Männer hassenswert sind, und die jüngsten Äußerungen, dass sie uns deshalb hasst, weil „wir Männer“ sie immer belogen haben. Wer? Ich? Mein Nachbar? Der Papst? Nein, „die Männer“, und eine andere plappert gerade noch hinterher, dass „die Männer im Internet“ immer nur mit ihr herumbumsen wollen. Das hätte mich ja beinahe in Versuchung gebracht, sie mal zu frage; „Du, hör mal, was kann man mit dir denn sonst noch machen?“ – aber meine Ohren sind derzeit zu empfindlich für die Ohrfeige, die ich mir dabei eingehandelt hätte. Ich sage mal hier dazu: Es wäre die berechtigte Frage der Welt. Denn wenn sich jemand beklagt, dass er immer abgewiesen, zugewiesen, abgestempelt oder eben ins Bett geholt wird, wäre es an der Zeit zu fragen: Wie kommt denn das? Oder, konkreter: „Was kannst du einem Mann eigentlich noch bieten außer deinem Körper, und wie zeigst du ihm das?“
Ich merke schon, wir die Verballyncherinnen jetzt das Messer wetzen. Doch dicke Backen nützen nichts, und die Antworten werden auch nicht öffentlich dokumentiert: Die muss man sich schon selber geben.
Am Ende einsam, verbittert oder sektiererhaft
Die Rache am anderen Geschlecht und die Meinung, das andere Geschlecht müsste ganz anders sein, als es ist, zeigt von einem eklatanten Mangel an Realitätssinn. Wer sich auf seine Geschlechterinsel zurückzieht (und das tun selbstverständlich auch dumme Männer) verpasst die Realität, weil sich diese erst aus der Kommunikation der Menschen miteinander realistisch formen lässt. Der negative kybernetische Kreis, der dabei entsteht, wird immer enger und enger – und am Ende steht dann die kalte Einsamkeit oder das Sektierertum.
Wer beides nicht will, sollte aufhören, sich in Kunstwelten zurückzuziehen. Frauen und Männer leben nicht auf Venus und Mars, sondern auf den Planeten Erde, und das Leben, das sie führen, findet jetzt statt.
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