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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex

Wo "künstliche Intelligenz" draufsteht, ist nicht immer welche drin

Wenn Journalisten von KI (AI) oder „künstlicher Intelligenz“ reden, gehen sie davon aus, dass der Begriff wirklich etwas beinhaltet. Das heißt: Sie sagen, wenn „KI“ draufsteht, ist auch „KI“ drin.

Künstliche Intelligenz, blöde Programme und Täuschungen

Wer den Code des ursprünglichen Eliza-Programms mit „künstlicher Intelligenz“ kennt, weiß es besser. Dabei handelt es sich um ein höchst einfaches Programm, das zudem mit recht wenigen Zeilen auskommt. Aber es gilt als „KI“ – und zu der Zeit, als es entwickelt wurde, faszinierte es die Menschen. Theoretisch könnten wir alle Programme als „KI“ bezeichnen, die in irgendeiner Form „entscheiden“ können, was als Nächstes geschehen soll. Es darf nur nicht zu „offensichtlich“ sein. Der Benutzer darf also nicht bereits nach der fünften Eingabe merken, wie blöd sein Programm in Wahrheit ist.

Die Essenz daraus ist einfach: Künstliche Intelligenz kann vorgetäuscht werden. Und du kannst von ihr getäuscht werden. Das ist keinesfalls schwierig.

Was KI wirklich für Partnersuchende tun könnte

Ich habe in einem vorausgegangenen Artikel bereits erwähnt, wie KI realistisch eingesetzt werden kann. Man benötigt dazu eine große Menge von Daten und die KI versucht dann, darin bestimmte Muster zu finden und sie auszuwerten. Diese können dann benutzt werden, um Voraussagen zu erstellen, wie zukünftige Entwicklungen ablaufen könnten. Daraus kann man auch „Matches“ für Paare gewinnen.

Der Unsinn mit den "perfekten Matches" und künstlicher Intelligenz

Wirklich unsinnig ist hingegen, mithilfe von KI die „beste Passung“ zu ermitteln. Das liegt einerseits daran, dass es für „Passungen“ (Matches) keine verlässlichen Kriterien gibt. Aber auch daran, dass solche Methoden gar nicht nötig sind. Mit einfachen Worten: Die KI ist bei der Partnersuche unterfordert. Man muss keine riesigen Datenbanken durchsuchen, um fünf „Matches“ in einer Entfernung von höchstens 25 km zu finden.

Es gibt einige Amateurpsychologen, die annehmen, es gäbe ideale Paarungen. Um sie zu finden, so behaupten sie weiter, benötigen sie eine sehr große Anzahl von Kriterien, die sie dann mit entsprechend riesigen Datenbeständen vergleichen könnten. Das Ergebnis, so behaupten sie, sei dann der ideale Partner.

Es ist leicht, zu beweisen, wie absurd diese Behauptung ist. Selbst wenn es den idealen Partner gäbe, so könnte er räumlich der kulturell nicht erreichbar sein. Und je mehr Wunsch-Eigenschaften wir für den Partner eine Datenbank einspeisen, umso weniger „Treffer“ haben wir.

Das Fazit - KI (AI) bringt keine "besseren" Matches

„KI“ einzusetzen, ist im Prinzip sinnvoll. Allerdings lässt sich sehr leicht behaupten, man setze KI ein. Ob ein „Matching“ mit KI geling, ist allerdings höchst fragwürdig, weil die Übereinstimmungen/Ergänzungen auch mit „ganz gewöhnlichen“ Programmen festgestellt werden können. Grundsätzlich sind „harte“ Fakten wie Wohnort, Alter, Ausbildung, Berufstätigkeit und Einkommen leichter abzugleichen als sogenannte „Persönlichkeitsmerkmale“, egal ob ohne oder mit der Hilfe von KI. Soweit die Psychologie der Partnersuche betroffen ist, spielen alle Arten von Annahmen eine große Rolle, die der Überprüfung oft nicht standhalten. Die alte Regel gilt deshalb: Die Ergebnisse können nicht besser sein als die Kriterien, die verwendet wurden.

Hilft uns „künstliche Intelligenz“ bei der Partnersuche?

„Künstliche Intelligenz“ beruht darauf, Sachverhalte und Situationen zu erfassen, in technisch verarbeitbare Formeln umzusetzen und daraus Schlüsse zu ziehen oder Aktionen auszuführen. Manche Systeme sind in der Lage, zu lernen und sich selbst zu optimieren – aber schon das ist nicht ganz einfach. Gegenwärtig liegt die Intelligenz vor allem in den Formeln – der Rest, der oft verblüfft, beruht auf der ungeheuren Datenmenge, die sich Daten verarbeitende Systeme aus unterschiedlichsten Informationsquellen holen können. (Eine allgemeinere, neutrale Definition findet ihr in "Computer Weekly (deutsch)".

Die Schwierigkeiten, ein zutreffendes Programm zu erstellen

Damit sind auch die Schwierigkeiten bereits definiert, nämlich:

- Was sind, auf das jeweilige Thema bezogen, überhaupt „relevante Sachverhalte?“
- Welche und wie viele Informationen benötigt man daraus, um ein Programm zu erstellen?
- Wie müssen die Formeln aufgebaut sein, um Schlüsse ziehen zu können?
- Aufgrund welcher Kriterien können (oder sollen) überhaupt Schlüsse gezogen werden?
- Welche der möglichen Schlüsse werden ausgegeben udn mit welcher Toleranz?

Zweifel am Wert der künstlichen Intelligenz bei der Partnersuche

Sieht man die Sache weniger logisch, so wird ein Mysterium daraus. Niemand sagt uns, was „relevante Sachverhalte“ sind, die als Input unbedingt benötigt werden. Ganz einfach, weil niemand genau weiß, unter welchen Gesichtspunkten Paare tatsächlich zusammenkommen werden. Insofern weiß man eben auch nicht, welche Informationen über eine Person relevant sind. Was der Programmierer dann tun kann, ist wenig: Er mischt die Daten ab, die er bekommt, bastelt die Wahrscheinlichkeiten zusammen und kontrolliert, ob es möglichst viele „gute Matches“ gibt. Sonst werden die „Suchenden“ sauer. Dafür, was ein gutes Mach ist, gibt es immerhin Stellschrauben in einem Computerprogramm, die sich auch nachträglich lockern lassen. Nun kommt der „Output“ – er muss zwangsläufig reichlich und positiv sein, sonst motzen die Kunden.

Das kling natürlich alles sehr aufregend. Aber ein Algorithmus ist noch keine künstliche Intelligenz, und so lese ich schmunzelnd:

So verwendet (ein Unternehmen der Branche) einen Algorithmus, um kompatible Myers-Briggs-Persönlichkeitstypen zu identifizieren und zuzuordnen – Benutzer füllen einfach einen Fragebogen aus.

Das bedeutet, auf einer stark angejahrten Persönlichkeitstheorie von Carl Gustav Jung aufzubauen, die 1944 für Fragebogen aufgearbeitet und später kommerzialisiert wurde. Niemand hat nachgefragt, was passiert, wenn eine über 75 Jahre alte Methode auf den Menschen des 21. Jahrhunderts angewendet wird. Aber weil der Konsument ohnehin nicht unterscheiden kann, was „künstliche Intelligenz“ ist, was Algorithmen bedeuten und wie die Ergebnisse zustande kommen, staunt er eben. Darauf baut die ganze Chose auf.

Ethik kann in Formeln gefasst werden - aber halten die Formeln stand?

Ob Computer irgendeine Ethik begreifen können? Ja, können sie, falls die Ethik-Regeln für alle gleich sind und es keine individuellen Abweichungen gibt. Bei Liebe, Lust, Leidenschaft, Begierden und ähnlichen Themen gibt es aber durchaus Unterschiede in der Sichtweise. Und es gibt eine eindeutige Stellungnahme: Menschen denken situativ durchaus unterschiedlich über das, was jetzt für sie wichtig ist. Es muss nicht das Gleiche sein, was sie beim Ausfüllen von Fragebogen dachten oder das, was sie bei einem Date vor drei Wochen gedacht haben.

Der KI-Experte David Tuffley drückte es so aus:

Die Realität ist, dass wir Menschen in Ethik nicht so sicher sind, weil wir uns nicht völlig klar sind, welche moralischen Anforderungen an erster Stelle stehen.

Das heißt kaum mehr, als dass die künstliche Intelligenz auch nichts verbessern kann, wenn sich die Menschen, die den Computer „füttern“ ungenaue Vorgaben verwenden.

Noch weiter geht Adrian David Cheok, ein Professor aus Tokio. Er sieht eine gefährliche Rückkoppelung im Verhältnis von Menschen zu KI:

Benutzer sollten sich des enormen Einflusses bewusst sein, den KI unwissentlich auf sie haben kann, und drauf achten, wer KI benutzt, denn

wenn Unternehmen die Macht dazu haben, können sie die Menschen definitiv dazu bringen, jemanden zu lieben. Also ist es wichtig, wer die KI kontrolliert.

Das ist nicht neu – nur ging die Faszination in früheren Zeiten von Kartenschlägerinnen, Astrologen und populistisch agierenden Psychologen aus, die alle eine gewisse Faszination auf das Volk ausübten. Auch das Wort „Algorithmus“ fehlt nirgendwo, wo die Passungen ausgebrütet werden, weil es so herrlich wissenschaftlich klingt.

Und nun? Nun heißt der neue Star „Künstliche Intelligenz“. Wer da in Ehrfurcht erstarrt, sollte schnell aufwachen.

Die Zitate entnahmen wir dieser Publikation.

Der Autor war 20 Jahre lang IT-Mitarbeiter, reisender Schulungsreferent und IT-Organisator.