Um es mal salopp zu sagen: Die Antibabypille hat mehrere „Geburtstage“. Der 9. Mai 1960, der oft genannt wird, ist das Datum, an dem die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ankündigte, sie würde Envoid 10 mg zulassen, das erste oral anwendbare Verhütungsmittel. Das Medikament selbst war allerdings bereits am 10. Juni 1957 zugelassen worden – zunächst als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden. Die eigentliche Markteinführung von Envoid 5 mg, der „eigentlichen“ Pille, erfolgte erst am 15. Februar 1961.
Aber weil mehrere Zeitungen heute und morgen sicherlich meinen, die Pille würde 50 – dann sagen wir es eben auch, nur etwas genauer. Übrigens wäre die Produktion schon zuvor möglich gewesen, wenn es gelungen wäre, weibliche Hormone synthetisch (und damit preiswerter) zu erzeugen.
Die geistige Kraft hinter der Pille war eine Frau
„Die Pille“ war einer der innigsten Wünsche der Frauen in der Zeit um 1950, und als „geistige Kraft“ hinter der Pille gilt Margaret Higgins Sanger Slee, die bei einem Gespräch Dr Gregory Goodwin Pincus im Jahr 1951 sagte, es wäre eine unglaubliche Erleichterung für Frauen, wenn man eine einfache, stets verfügbare Verhütungsmethode erfinden könne. Der weitere Weg war etwas kompliziert: Man wusste längst über die Tatsache, dass Hormone Schwangerschaften verhüten konnten, hatte aber weder die preiswerten Hormone noch genügend Geld, um die Forschungen voranzutreiben. Dass es dennoch gelang, war ein Sieg für den Forschergeist, denn die US-amerikanischen Pharmaunternehmen, die das Geld gehabt hätten, gingen zunächst einmal auf Distanz. Produziert wurde „Die Pille“ dann von G. D. Searle & Company.
Arrogante Marktforscher: Kaum eine Frau wird die Pille nehmen
Interessant ist vor allem, dass man zunächst glaubte, dass es für die Pille kaum einen Markt gäbe. Man behauptet sogar, dass es kaum Frauen geben würde, die täglich eine Pille nehmen würden, nur, um nicht schwanger zu werden. Zudem hatten die Forscher noch massive Probleme mit den US selbst: In vielen Staaten galt Geburtenkontrolle als Verbrechen, und schließlich ahnte man, dass man sich mit der katholischen Kirche anlegen würde: Dort gilt seit 1930 das Verbot jeglicher Maßnahme, Schwangerschaften auf mechanischem oder chemischem Wege zu verhindern.
Für die Frauen eine Pille gegen die Angst
Doch es kam alles ganz anders, und dafür sorgten vor allem die Frauen: Aus Angst vor Schwangerschaften hatte sie sich ihren Freunden, Verlobten und Ehemännern jahrhundertelang verweigern müssen. Viele Frauen wurden schwanger, ohne es zu wollen – was zu jener Zeit vor allem für ledige Frauen katastrophale Folgen hatte. Angst vor dem Geschlechtsverkehr, die Wut darüber, weder sich selbst noch den Männern ein schönes Liebesleben schaffen zu können und die Fehlerhaftigkeit der bestehenden Methoden erzeugten einen ungeheuren Druck, der durch die Pille plötzlich von den Frauen genommen wurde. „Die Pille“ wurde zu einem Teil der Frauenbefreiung.
Frauen widersetzen sich der katholischen Kirchenmoral
Es gab und gibt Gegner der Pille – und die größten Kritiker wurden bald jene alten Männer, die ohnehin keinen Geschlechtsverkehr haben dürfen: der katholische Klerus. Zweifelhafte Berühmtheit erzielte mit der Ablehnung vor allem deren damaliges Oberhaupt, der römische Papst Paul VI. Er bestätigte in der Enzyklika Humanae Vitae bestätigte, dass Ehepaare „künstliche Methoden“ der Empfängnisverhütung nicht anwenden dürften – ledigen Menschen verweigerte der Katholizismus schon zuvor das Recht auf Geschlechtsverkehr. Der Papst erntete daraufhin weltweit Hohn und Spott und wurde schließlich als „Pillen-Paul“ verunglimpft. Indessen konnten sich die alten Männer nicht durchsetzen: Frauen reagieren im Leben bei der Wahl zwischen Pragmatismus und Heiligkeit in der Regel pragmatisch – und so kam es, dass viele Katholikinnen den Rat ihres geistlichen Oberhaupts in den Wind pfiffen.
Weiterhin Negativmeldungen über die Pille
Seither wird „Die Pille“ von der einschlägigen Presse, aber auch von konservativen Massenblättern, immer wieder madiggemacht. Jeder Bericht über Nebenwirkungen wird groß herausgeputzt, und erst dieser Tage erschien in Springers BILD-Zeitung ein reißerisch aufgemachter Bericht (
Deutsche Studie bestätigt Pille ist schuld an Sex-Unlust!), die Pille sei Schuld an der Frauenunlust –angeblich untermauert von der deutschen Forscherin Dr. Lisa-Maria Wallwiener. Das „
Deutsche Ärzteblatt“ konterte übrigens sofort und bezweifelte die Relevanz der Forschungen.
Ein Sieg gegen mächtige Widersacher - der Erfolg der Pille
Das Fazit: Die Frauen haben entschieden, und sie haben sich anders entschieden, als Marktforscher, Moralisten und Klerus es jemals für möglich gehalten hätten. Ob die Pille nun am 9. Mai 1960 oder zu einem anderen Termin 50 Jahre alt wird – sie wurde ein Segen für die Frauen, geboren aus der Initiative weniger, mutiger Menschen gegen den Widerstand von besserwisserischen Marktforschern, restriktiv-moralischen Regierungen, der mächtigen katholischen Kirche und nicht zuletzt, zumindest anfänglich, sogar der Pharma-Unternehmen.
Wir benutzten unter andrem die folgende Quelle:
pbs
Titelbild: © 2007 by
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