Die Legende vom Berkley Horse - oder ein Flagellationsbordell innovativ möblieren
Eine mehrteilige Betrachtung über Wahrheiten und Mythen um die "englische Erziehung" und die Lust an erotischen Schlägen.
Vierter Teil: Die Legende vom Berkley Horse - oder ein Flagellationsbordell innovativ möblieren
Beginnen wir mal mit dem Begriff. Ein „Horse“ ist eigentlich ein Chevalet, und das bedeutet eine Art Holzgestell. Im Englischen wird auch ein „Bock“, namentlich ein Prügelbock, als „Horse“ bezeichnet. Mit einem Pferd hat das alles also gar nichts zu tun. Noch heute werden unter der Bezeichnung „Spanking Horse“ sogenannte „Spanking Benches“ (Prügelbänke) angeboten. Es mag sein, dass es solche Prügelbänke, auch Pony genannt, für junge Männer oder junge Frauen gab. Dafür spricht, dass die Prügelstrafe an Frauen vollzogen wurde, indem sie jemanden „umhalste“, während ihr nackter Rücken geschlagen wurde. Eine Nachbildung wäre dann das „Pony“ gewesen.
In der Tat sind verschiedene Varianten des „Ponys“ bekannt, das offenbar für jugendliche Delinquenten benutzt wurde. Es gibt einige Zeichnungen, auf denen Zuchthausszenen zu sehen sind. Für die „schweren Jungs“, also große, muskulöse Männer, wurden stabile Rahmen verwendet, an denen sie die Schläge von Birkenruten oder gar Peitschenhiebe ertragen mussten. Sowohl die Ponys wie auch die „Whipping Frames“ waren allerdings verstellbar. Verschiedentlich wurden Varianten gezeigt, die sogar ermöglichten, das Gesäß selbst zu schlagen – also nicht den Rücken, wie es allgemein üblich war.
Und was hat das „Berkley Horse“ damit zu tun?
Das Wundergerät - reduziert auf eine Klappleiter?
Angeblich soll das „Berkley Horse“ für alle Körpergrößen geeignet gewesen sein, und es soll in jedem gewünschten Winkel verstellbar gewesen sein, sogar vielfach. Das war mit den Mitteln der damaligen Zeit durchaus möglich, aber nicht mit einer einfachen Leiterkonstruktion. In Gegenwart und Vergangenheit gab und gibt es verstellbare Konstruktionen deren Ursprung wir in den Prügel-Rahmen finden, die in britischen Gefängnissen verwendet wurden. Eine solide Holzkonstruktion, unter der auch noch eine „auf einem Stuhl sitzende Frictrix“ Platz gehabt hätte, wäre ohnehin wesentlich stabiler als das „Berkley Horse“ in der Zeichnung. Es ist weder belastbar, noch verstellbar. Und die Proportionen entsprechen eher einer Haushalts-Klappleiter.
Wichtig wäre ja dass eine funktionstüchtiges, im Winkel verstellbares Gerät das Gewicht eines schweren Mannes tragen muss - und zwar in jeder der möglichen Positionen. Liegt der Körper flach und nahezu waagerecht, ist dies unproblematisch. Wird das Gerät aber gekippt, gedreht oder soll es in einem Winkel verharren, so muss es ungewöhnlich gut an Boden oder Wand befestigt werden. Zudem muss der Körper in jeder Lage fixiert werden können. Oftmals reicht es aber, wenn sich das Gesäß etwas anheben lässt, während der Oberkörper von der Flachlage in eine Winkellage gebracht werden kann – für den „Hausgebrauch“ würde da euch ein Kissen unter dem Po reichen.
Das Berkeley Horse und die spätere Literatur
Das Berkeley Horse kommt zwei Mal in der erotischen viktorianischen Zeitschrift „The Pearl“ vor. Einmal wird ein erwachsener Mann daran festgeschnallt, was sich so liest (Lady Pokingham, or They All Do It).
Schon dies ist kaum möglich. Die Hände können bei der oft gezeigten Konstruktion nicht „weit über den Kopf“ gestreckt werden, und es hat keinen Sinn, „auf Zehenspitzen“ darauf zu stehen.
In einem zweiten Beitrag wird das Horse lediglich verwendet, um das die Angst vor der Bestrafung zu vertiefen.
Das „Horse“ kann dabei nicht zur Anwendung - ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Autoren nicht recht vorstellen konnten, wie es anzuwenden war.
All dies zeigt, dass alle Autoren nur etwas vom „Hörensagen“ wussten. In Wahrheit hatten nur diejenigen Männer das Gerät gesehen, die darauf festgeschnallt und dann geschlagen wurden. Vergessen wir nicht, dass alles in einem Bordell geschah, auch wenn es „nur“ ein Flagellationsbordell war. Dies besagt jedoch nicht, dass die Herren dort keine anderen „fleischlichen“ Wünsche erfüllt bekamen. Niemand konnte erwarten, dass die Berichte darüber „authentisch“ waren.
Die kuriose Leiter und ihre mögliche Herkunft
Das einzige, was der Zeichnung der Zeichnung des angeblich „berühmten“ Berkley-Horse“ nahekommt, ist eine Schilderung des bereits erwähnten Dr. Eugen Dühren, der eine anderes, heute vergessenes Flagellationsbordell erwähnt. Im Wortlaut:
Was sofort auffällt, wenn man die angebliche Originalzeichnung ansieht, ist die labile Konstruktion, die uns gezeigt wird. Das gezeigte Gerät ist weder stabil genug, einen kräftigen, muskulösen Mann zu halten noch ist es verstellbar. Der Vergleich mit den „Whipping Frames“, die in Zuchthäuser der damaligen Zeit verwendet wurden, zeigt uns, wie eine wirklich gebrauchsfähige Konstruktion ausgesehen hätte. Sie waren nicht nur wesentlich stabiler, sondern auch flexibler im Einsatz, weil sie sich wenigstens an die Körpergröße anpassen ließen. Zudem wurde bei dem Vollzug der „echten“ Körperstrafen so gut wie immer auf den Rücken eingeschlagen, während die erotischen Strafen vorwiegend durch die „Behandlung“ des Gesäßes vollzogen wurden.
Die Frictrix im Inneren dieser Leiter - kaum glaubwürdig
Kommen wir noch einmal zurück auf die angeblich verschwundene frivol-erotische Zeichnung und die Frictrix, die angeblich inmitten der Leiter gesessen haben soll. Wäre das so dargestellt worden, so hätte die Leier im unteren Teil wesentlich breiter sein müssen, um dieser den nötigen „Spielraum“ zu verschaffen. Dann wäre sie bei ähnlichem Winkel allerdings zugleich höher gewesen. Auch dies ist sehr wahrscheinlich, denn das angeblich „Original“ bietet kaum eine Möglichkeit, die Hände zu fixieren. Üblicherweise wurden sie oberhalb des Kopfes platziert , um sowohl Rücken wie auch Gesäß schlagen zu können, ohne die Arme zu treffen. Wir wissen nicht, ob es eine Art „Nierenschutz“ gab, wie er in Zuchthäusern verwendet wurde. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Kunden eines Bordells genau Vorstellungen davon hatten, an welchen Körperteilen ihnen der Schmerz zugefügt werden sollte. Und niemand wollte an diesem Ort eine Gesundheitskatastrophe riskieren – weder die „Gouvernante“ noch der Kunde. Zeitgenössische Zeichnungen, Fotos und glaubwürdige Nachbildungen zeigen, dass sie Arme vorzugsweise nach oben, nach vorne, seitlich oder gar durch Ausschnitte in den entsprechenden „Möbeln“ aus dem „Schlagfeld“ genommen werden konnten.
Innovationen in Flagellations-Bordellen waren durchaus möglich
Das soll nun nicht heißen, dass es keine Innovationen bei der Möblierung gegeben hätte. Zu jedem „Studio“ gehört ein Strafbock, und die meisten von ihnen lassen sich verstellen. Die Methoden dazu waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Nur Männer, die im Stehen geschlagen werden wollen, benötigen einen aufrechtstehenden, leicht angewinkelten „Rahmen“, an dem sie gefesselt werden können. Dieser Rahmen musste wahrhaftig „schwere Jungs“ aushalten.
Die Wahrheit über das Berkley Horse ist unbekannt
Die Wahrheit von Frau Berkleys Erfindung kennt niemand. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine Rahmenkonstruktion mit einem zweiten Gelenk handelte, etwas in Höhe der Hüfte des Kunden. Damit hätte man den Oberkörper tatsächlich in einem beliebigen (abweichenden) Winkel bewegen können. Zumindest einige der Zeichnungen und späteren Konstruktionen von Schreinern deuten darauf hin.
Und damit wäre ich am Ende meiner Nachforschungen angekommen. Sie waren aufschlussreich, und sie zeigen, wie wenig wir am Ende der Berichte trauen dürfen, die Herr Ashbee überliefert hat und die von naiv abschreibenden Wissenschaftlern später kritiklos übernommen wurden. Eine Anekdote habe ich dennoch gefunden, die eine andere Dame derselben Epoche betrifft und die ein ebenso schlechtes Licht auf die Buchverleger jener Zeit wirft. Davon kann ich später berichten.
Nachzutragen wäre auch noch, dass vereinzelte Damen in der Neuzeit entsprechende Geräte nachbauen ließen. Ein echtes Berkley Horse zu haben, wäre ja durchaus günstig gewesen, um Klienten anzulocken. Inzwischen sollen sie allerdings verstauben oder zum Verkauf angeboten worden sein. Was bleibt, ist die Legende.
Bildnachweis:
Oben: Drei verschiedene Autoren, anonym.
Links: Ein "Pony" , verstellbar, zum Züchtigen junger Männer in Gefängnissen verwendet, zeitgenössisch, anonym.
Rechts: Das angebliche "original" Berkley Horse, wie es von Ashbee der Nachwelt übergeben wurde.
Mitte: Hilfsmittel zum Größenvergleich, nur Frontseite: Nachbau, Darstellung des "Originals" und ein weiterer Nachbau,
Links: Der Whipping-Frame nach einer zeitgenössischen Skizze und einem Foto, umgesetzt auf die heutige Zeit. © 2023 Liebesverlag.de, dann wieder links (länglich) eine Nachbildung aus dem 21. Jahrhundert. Nur Frontansicht, keine Neigung.
Weitere Quellen der vier Artikel:
Horntip: Books "The Venus Schoolmistress" sowie zwei der drei Bände von Henry Specer Ashbee. 1877 bis 1885. Vol. 1 und Vol. 3.
Für die Aussagen von Iwan Bloch Archive.org.
Für die weiteren erwähnten Erotik-Bücher verschiedene Quellen, unter anderem Biblio Curiosa
Sowie Art And Popular Culture
"The Pearl" Ausgaben 1897 bis 1880 - teils literarisch wertvoll, teils frivol.
Für die Zusammenhänge zwischen der Epoche und der Sexualität: The Origins of Sex, London 2012.
Sowie unter anderem:
Achetron - Berkley Horse https://alchetron.com/Berkley-Horse
Wikiwand - Theresa Berkley
DirtySexHistory - Theresa Berkley Queen of ...
Etliche digitalisierte und nicht digitalisierte Lexika unter anderem Wikipedia deutsch und englisch.
Alle Teile lesen:
Körperstrafen und Definition - Körperstrafen (Definitionen)
Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert Adel, Bürgertum, Fassaden.
Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee.
Ein Möbel für ein Bordell. (hier)
Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit.
Vierter Teil: Die Legende vom Berkley Horse - oder ein Flagellationsbordell innovativ möblieren
Beginnen wir mal mit dem Begriff. Ein „Horse“ ist eigentlich ein Chevalet, und das bedeutet eine Art Holzgestell. Im Englischen wird auch ein „Bock“, namentlich ein Prügelbock, als „Horse“ bezeichnet. Mit einem Pferd hat das alles also gar nichts zu tun. Noch heute werden unter der Bezeichnung „Spanking Horse“ sogenannte „Spanking Benches“ (Prügelbänke) angeboten. Es mag sein, dass es solche Prügelbänke, auch Pony genannt, für junge Männer oder junge Frauen gab. Dafür spricht, dass die Prügelstrafe an Frauen vollzogen wurde, indem sie jemanden „umhalste“, während ihr nackter Rücken geschlagen wurde. Eine Nachbildung wäre dann das „Pony“ gewesen.
In der Tat sind verschiedene Varianten des „Ponys“ bekannt, das offenbar für jugendliche Delinquenten benutzt wurde. Es gibt einige Zeichnungen, auf denen Zuchthausszenen zu sehen sind. Für die „schweren Jungs“, also große, muskulöse Männer, wurden stabile Rahmen verwendet, an denen sie die Schläge von Birkenruten oder gar Peitschenhiebe ertragen mussten. Sowohl die Ponys wie auch die „Whipping Frames“ waren allerdings verstellbar. Verschiedentlich wurden Varianten gezeigt, die sogar ermöglichten, das Gesäß selbst zu schlagen – also nicht den Rücken, wie es allgemein üblich war.
Und was hat das „Berkley Horse“ damit zu tun?
Das Wundergerät - reduziert auf eine Klappleiter?
Angeblich soll das „Berkley Horse“ für alle Körpergrößen geeignet gewesen sein, und es soll in jedem gewünschten Winkel verstellbar gewesen sein, sogar vielfach. Das war mit den Mitteln der damaligen Zeit durchaus möglich, aber nicht mit einer einfachen Leiterkonstruktion. In Gegenwart und Vergangenheit gab und gibt es verstellbare Konstruktionen deren Ursprung wir in den Prügel-Rahmen finden, die in britischen Gefängnissen verwendet wurden. Eine solide Holzkonstruktion, unter der auch noch eine „auf einem Stuhl sitzende Frictrix“ Platz gehabt hätte, wäre ohnehin wesentlich stabiler als das „Berkley Horse“ in der Zeichnung. Es ist weder belastbar, noch verstellbar. Und die Proportionen entsprechen eher einer Haushalts-Klappleiter.
Wichtig wäre ja dass eine funktionstüchtiges, im Winkel verstellbares Gerät das Gewicht eines schweren Mannes tragen muss - und zwar in jeder der möglichen Positionen. Liegt der Körper flach und nahezu waagerecht, ist dies unproblematisch. Wird das Gerät aber gekippt, gedreht oder soll es in einem Winkel verharren, so muss es ungewöhnlich gut an Boden oder Wand befestigt werden. Zudem muss der Körper in jeder Lage fixiert werden können. Oftmals reicht es aber, wenn sich das Gesäß etwas anheben lässt, während der Oberkörper von der Flachlage in eine Winkellage gebracht werden kann – für den „Hausgebrauch“ würde da euch ein Kissen unter dem Po reichen.
Das Berkeley Horse und die spätere Literatur
Das Berkeley Horse kommt zwei Mal in der erotischen viktorianischen Zeitschrift „The Pearl“ vor. Einmal wird ein erwachsener Mann daran festgeschnallt, was sich so liest (Lady Pokingham, or They All Do It).
Sie zeigte auf ein schönes „Berkeley-Pferd“, das in die Mitte des Wohnzimmers gerollt wurde. Es sah aus wie eine gewöhnliche Leiter, nur mit rotem Tuch bedeckt und mit einem gepolsterten Fußbrett versehen, auf dem das Opfer stehen konnte, während seine Hände weit über seinen Kopf gestreckt waren. (Er konnte) nur auf Zehenspitzen darauf stehen (und wurde) sofort mit seinen Handgelenken an den obersten Ringen des Pferdes befestigt.
Schon dies ist kaum möglich. Die Hände können bei der oft gezeigten Konstruktion nicht „weit über den Kopf“ gestreckt werden, und es hat keinen Sinn, „auf Zehenspitzen“ darauf zu stehen.
In einem zweiten Beitrag wird das Horse lediglich verwendet, um das die Angst vor der Bestrafung zu vertiefen.
Wir wurden von einer Gouvernante in das speziell genutzte Zimmer begleitet und für die Bestrafung vorbereitet. Es wurde von oben her beleuchtet und verfügte über Leitern, Berkley Horses und andere Gerätschaften. Zum Beispiel gab es Seile, die von der Decke herabhingen, Ringe im Boden und an der Decke, die widerspenstige Opfer festhalten sollten.
Das „Horse“ kann dabei nicht zur Anwendung - ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Autoren nicht recht vorstellen konnten, wie es anzuwenden war.
All dies zeigt, dass alle Autoren nur etwas vom „Hörensagen“ wussten. In Wahrheit hatten nur diejenigen Männer das Gerät gesehen, die darauf festgeschnallt und dann geschlagen wurden. Vergessen wir nicht, dass alles in einem Bordell geschah, auch wenn es „nur“ ein Flagellationsbordell war. Dies besagt jedoch nicht, dass die Herren dort keine anderen „fleischlichen“ Wünsche erfüllt bekamen. Niemand konnte erwarten, dass die Berichte darüber „authentisch“ waren.
Die kuriose Leiter und ihre mögliche Herkunft
Das einzige, was der Zeichnung der Zeichnung des angeblich „berühmten“ Berkley-Horse“ nahekommt, ist eine Schilderung des bereits erwähnten Dr. Eugen Dühren, der eine anderes, heute vergessenes Flagellationsbordell erwähnt. Im Wortlaut:
Die kuriose Einrichtung ihres Geschäftes bestand aus einer zusammenklappbaren Leiter, aus Riemen, Birkenruten, Stechginsterbesen und geheimen Vorrichtungen für den Gebrauch von Männern und Weibern.
Was sofort auffällt, wenn man die angebliche Originalzeichnung ansieht, ist die labile Konstruktion, die uns gezeigt wird. Das gezeigte Gerät ist weder stabil genug, einen kräftigen, muskulösen Mann zu halten noch ist es verstellbar. Der Vergleich mit den „Whipping Frames“, die in Zuchthäuser der damaligen Zeit verwendet wurden, zeigt uns, wie eine wirklich gebrauchsfähige Konstruktion ausgesehen hätte. Sie waren nicht nur wesentlich stabiler, sondern auch flexibler im Einsatz, weil sie sich wenigstens an die Körpergröße anpassen ließen. Zudem wurde bei dem Vollzug der „echten“ Körperstrafen so gut wie immer auf den Rücken eingeschlagen, während die erotischen Strafen vorwiegend durch die „Behandlung“ des Gesäßes vollzogen wurden.
Die Frictrix im Inneren dieser Leiter - kaum glaubwürdig
Kommen wir noch einmal zurück auf die angeblich verschwundene frivol-erotische Zeichnung und die Frictrix, die angeblich inmitten der Leiter gesessen haben soll. Wäre das so dargestellt worden, so hätte die Leier im unteren Teil wesentlich breiter sein müssen, um dieser den nötigen „Spielraum“ zu verschaffen. Dann wäre sie bei ähnlichem Winkel allerdings zugleich höher gewesen. Auch dies ist sehr wahrscheinlich, denn das angeblich „Original“ bietet kaum eine Möglichkeit, die Hände zu fixieren. Üblicherweise wurden sie oberhalb des Kopfes platziert , um sowohl Rücken wie auch Gesäß schlagen zu können, ohne die Arme zu treffen. Wir wissen nicht, ob es eine Art „Nierenschutz“ gab, wie er in Zuchthäusern verwendet wurde. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Kunden eines Bordells genau Vorstellungen davon hatten, an welchen Körperteilen ihnen der Schmerz zugefügt werden sollte. Und niemand wollte an diesem Ort eine Gesundheitskatastrophe riskieren – weder die „Gouvernante“ noch der Kunde. Zeitgenössische Zeichnungen, Fotos und glaubwürdige Nachbildungen zeigen, dass sie Arme vorzugsweise nach oben, nach vorne, seitlich oder gar durch Ausschnitte in den entsprechenden „Möbeln“ aus dem „Schlagfeld“ genommen werden konnten.
Innovationen in Flagellations-Bordellen waren durchaus möglich
Das soll nun nicht heißen, dass es keine Innovationen bei der Möblierung gegeben hätte. Zu jedem „Studio“ gehört ein Strafbock, und die meisten von ihnen lassen sich verstellen. Die Methoden dazu waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Nur Männer, die im Stehen geschlagen werden wollen, benötigen einen aufrechtstehenden, leicht angewinkelten „Rahmen“, an dem sie gefesselt werden können. Dieser Rahmen musste wahrhaftig „schwere Jungs“ aushalten.
Die Wahrheit über das Berkley Horse ist unbekannt
Die Wahrheit von Frau Berkleys Erfindung kennt niemand. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine Rahmenkonstruktion mit einem zweiten Gelenk handelte, etwas in Höhe der Hüfte des Kunden. Damit hätte man den Oberkörper tatsächlich in einem beliebigen (abweichenden) Winkel bewegen können. Zumindest einige der Zeichnungen und späteren Konstruktionen von Schreinern deuten darauf hin.
Und damit wäre ich am Ende meiner Nachforschungen angekommen. Sie waren aufschlussreich, und sie zeigen, wie wenig wir am Ende der Berichte trauen dürfen, die Herr Ashbee überliefert hat und die von naiv abschreibenden Wissenschaftlern später kritiklos übernommen wurden. Eine Anekdote habe ich dennoch gefunden, die eine andere Dame derselben Epoche betrifft und die ein ebenso schlechtes Licht auf die Buchverleger jener Zeit wirft. Davon kann ich später berichten.
Nachzutragen wäre auch noch, dass vereinzelte Damen in der Neuzeit entsprechende Geräte nachbauen ließen. Ein echtes Berkley Horse zu haben, wäre ja durchaus günstig gewesen, um Klienten anzulocken. Inzwischen sollen sie allerdings verstauben oder zum Verkauf angeboten worden sein. Was bleibt, ist die Legende.
Bildnachweis:
Oben: Drei verschiedene Autoren, anonym.
Links: Ein "Pony" , verstellbar, zum Züchtigen junger Männer in Gefängnissen verwendet, zeitgenössisch, anonym.
Rechts: Das angebliche "original" Berkley Horse, wie es von Ashbee der Nachwelt übergeben wurde.
Mitte: Hilfsmittel zum Größenvergleich, nur Frontseite: Nachbau, Darstellung des "Originals" und ein weiterer Nachbau,
Links: Der Whipping-Frame nach einer zeitgenössischen Skizze und einem Foto, umgesetzt auf die heutige Zeit. © 2023 Liebesverlag.de, dann wieder links (länglich) eine Nachbildung aus dem 21. Jahrhundert. Nur Frontansicht, keine Neigung.
Weitere Quellen der vier Artikel:
Horntip: Books "The Venus Schoolmistress" sowie zwei der drei Bände von Henry Specer Ashbee. 1877 bis 1885. Vol. 1 und Vol. 3.
Für die Aussagen von Iwan Bloch Archive.org.
Für die weiteren erwähnten Erotik-Bücher verschiedene Quellen, unter anderem Biblio Curiosa
Sowie Art And Popular Culture
"The Pearl" Ausgaben 1897 bis 1880 - teils literarisch wertvoll, teils frivol.
Für die Zusammenhänge zwischen der Epoche und der Sexualität: The Origins of Sex, London 2012.
Sowie unter anderem:
Achetron - Berkley Horse https://alchetron.com/Berkley-Horse
Wikiwand - Theresa Berkley
DirtySexHistory - Theresa Berkley Queen of ...
Etliche digitalisierte und nicht digitalisierte Lexika unter anderem Wikipedia deutsch und englisch.
Alle Teile lesen:
Körperstrafen und Definition - Körperstrafen (Definitionen)
Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert Adel, Bürgertum, Fassaden.
Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee.
Ein Möbel für ein Bordell. (hier)
Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit.