Die Sicht der Menschen auf die Realität teilt sich in der Regel in zwei Gruppen: Die einen nehmen sie so, wie sie ist, gönnen sich den Honig, den sie ergattern können, schimpfen gelegentlich über die Auswüchse, leben mit unterschiedlichen Erfahrungen mit der Moral und finden am Ende ihren Frieden mit der Zeit, in der sie leben.
Die anderen haben einen Weltentwurf, der davon stark abweicht, beklagen den Mangel an Honig auf dieser Erde, ereifern sich öffentlich über den Verfall der moralischen Werte und leben stets in Unfrieden mit der Zeit und ihren Bedingungen.
Wie gehen die Menschen unter solchen Aspekten mit gesellschaftlichen Veränderungen um? Und wie reagieren sie auf ein Phänomen wie die Frauenemanzipation?
Die Antwort ist dreiteilig:
Die erste Gruppe, und zwar sowohl unter den Frauen wie unter den Männern,
zieht ihre Vorteile daraus und findet zunächst mühevoll, dann aber recht sicher einen Standpunkt, der ihr das problemlose Überleben unter den neuen Bedingungen erlaubt. Die meisten dieser Menschen haben schon mehrfach Anpassungen erlebt und führen ein Leben, dass aufgrund einer starken Persönlichkeit die Anpassung an veränderte Außenbedingungen erleichtert.
Ein Teil der zweiten Gruppe ist befremdet von dem neuen Gesellschaftsentwurf,
passt sich aber an, um darin überleben zu können. Sie sucht sich Nischen, die noch nicht so stark emanzipationsbesetzt sind und versucht, mit diesen Strategien dennoch Erfolg zu haben. Wieder finden wir sowohl Frauen als auch Männer, die wir nun als „konservativ“ einstufen. Die meisten dieser Menschen waren auch schon vorher konservativ und haben nicht alle gesellschaftlichen Wandlungen vollzogen.
Interessant ist, was der Rest der zweiten Gruppe tut:
Er widersetzt sich innerlich wie äußerlich den neuen Gesellschaftsentwürfen und wird mehr und mehr zum Gesellschafts-Nostalgiker. Dieser Gruppe ist gemeinsam, dass die Auswege immer komplizierter und teurer werden, und dass sie mehr und mehr von allen anderen Mitgliedern der Gesellschaft überholt werden. Das Problem für sie ist, letztendlich in jeder Hinsicht „hinten an“ gestellt zu werden.
Liebe - nur das Selbstbewusstsein veränderte sich wirklich
Was für alle Lebensbereich gilt, macht vor Liebe, Sex, Partnerschaft und Ehe nicht halt. Seit einigen Jahren versuchen Wissenschaftler mehr oder weniger verzweifelt, diesen Phänomenen nachzulaufen – mit sehr schwachem Erfolg. Sicher ist nur: Nicht die geistig-emotionalen Grundlagen der Emanzipation haben die Gesellschaft strak verändert, sondern die wirtschaftlichen. So, wie vor Jahren die Töchter und Söhne der Arbeiterschaft zu mehr Ansehen kamen, weil sie gebildeter und wirtschaftlich stärker wurden, so haben heute die Töchter der Emanzipation ein enormes Selbstbewusstsein entwickelt, das alle Lebensbereich verändert hat – und eben auch die Liebe.
Ganz genau genommen ist in den letzten 40 Jahren dies passiert: Vor 1970 war eine unverheiratete Frau noch Fräulein und konnte nicht wagen, allein in eine Gaststätte zu gehen. Ihr Ansehen konnte sie nur durch eine einzige heroische Tat aufpolieren: durch die Eheschließung, durch die sie eine „vollwertige Frau“ wurde – ja, und dann wurde sie eine „deutsche Hausfrau“ – und wurde nie mehr als das. Heute kann man sich dies kaum noch vorstellen: Anno 1990 war sie bereits „Frau“, auch wenn sie unverheiratet war, sie konnte alleine hingehen, wo sie wollte und ihr Ansehen polierte sie am besten durch einen guten Beruf, möglichst aber durch ein Studium auf.
Die schnelle Veränderung hinterließ Spuren
Manchmal muss man sich wohl vergegenwärtigen, dass dieser schnelle Prozess Spuren hinterlassen hat. Wenn Studium und Erfolg im Beruf wichtiger werden als die Ehe, dann heiratet man nicht mehr so früh. Nun ist es allerdings umso schwerer, einen guten Partner zu finden, je später man heiratet und diese Aussage kratzt nur ein wenig an der Oberfläche des vollständigen Dilemmas. Auch die Männer bekamen dies zu spüren: Konnte noch in den 1960er und selbst in den1970er Jahren so gut wie jeder Mann damit rechnen, eine Frau „abzukriegen“, so lassen die selbstbewusster gewordenen Frauen die Verlierer nun liegen. Kein Wunder, dass sie zu maulen beginnen – aber sie gehören eben zu den Personen, die sich ihre eigene Welt am Rande der Gesellschaft zusammenzimmern wollten – nun sehen sie das Ergebnis.
Folgen den Emanzipation für die Partnersuche
Man darf „Frauenemanzipation“ nicht verwechseln mit „auf keinen Fall feminin sein wollen“. Frauen sind heute femininer als noch ihre Mütter oder Großmütter, und auch heute verfallen sie noch hin und wieder für ein paar Nächte einem Macho, der drei Stufen unter ihren offiziell zur Schau getragenen Partnerwünschen steht – aber sie wird ihn nicht heiraten.
Mehr und mehr sehen wir: Die moderne Frau sucht sich ihre Partner aus – solange es eine Auswahl gibt. In den aktuellen Online-Partnerbörsen suchen Frauen sehr gezielt – und sie warten nicht mehr darauf, dass sie angesprochen oder angeschrieben werden. „Finden statt gefunden werden“ heißt die neue Devise, die sich immer mehr durchsetzt.
Emanzipation? Das ist kein Thema mehr, sondern eine Tatsache. Diejenigen, für die es immer noch ein Thema ist, sollten sich warm anziehen in dieser Welt: Sie geraten in den Verdacht, sich bewusst in die Reihe der maulenden Verlierer einzuordnen.
Männern wie auch Frauen, die Partner suchen, kann man hingegen nur eins entgegenrufen: Persönlichkeit ist alles. Man wird nicht mehr als Frau oder als Mann geheiratet, sondern als die wundervolle Persönlichkeit, mit der man durchs Leben gehen will – Liebe selbstverständlich inbegriffen.
Titelbild © 2010 by
Alaskan Dude