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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Jungfrau sein … was ist das eigentlich?

"Die Halbjungfrau" - 1890 Illustration von von Le Bac
Die einen halten ein Schild hoch: „Ja, ich bin noch Jungfrau “ und nerven jeden potenziellen Partner damit. Die anderen schütteln den Kopf über die Ideologie, die dahintersteckt. Und dann und wann findet man eine Frau oder ein Mann, die/der sagt: „Oh, ich hab den Zeitpunkt irgendwie verpasst“.

Doch halt – wann ist eine Frau/ein Mann eigentlich „Jungfrau“?

Früher, sogar noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sagte man von Frauen noch, sie würden beim ersten „echten“ Geschlechtsverkehr ihre „Unschuld“ verlieren. Die Eltern und andere Verwandte waren daher sehr daran interessiert, wann, wo und an wen die Tochter das „hohe Gut“ verloren hatte. Dabei war der „Glaube“ oder der „bürgerliche Wohlanstand“ nur vorgeschoben. Der Geschlechtsverkehr mit einem Mann „zur Unzeit“ konnte die Heiratschancen der Tochter erheblich schmälern - denn in Wahrheit ging alles darum eine „gute Partie“ zu machen.

Das Phänomen der "Halbjungfrauen"

Unzweifelhaft gab es in der Welt von damals auch jungen Frauen, die das Spiel nicht mitmachten, sondern ihre eigenen Wege gingen. Sie gewährten den jungen Männern sinnliche Berührungen und ließen sich berühren – sogenannte „Halbjungfrauen“. Die entsprechenden Gelüste der jungen Männer waren offenkundig – und die „Halbjungfrauen“ erfüllten sie durchaus unter Einsatz ihrer Körper – nur eben ohne „echten“ Sex.

In besten Kreisen wurde das "Rüstzeug" für die Lüste heimlich vermittelt

Die Möglichkeiten dazu erlernten die jungen Frauen vorzugsweise in „besten Kreisen“, namentlich in den Internaten für „höherer Töchter“. Das Wissen und das Können vermittelten sich die jungen Damen gegenseitig – und sie wendeten es auch aneinander an. Darüber wurde selbstverständlich kaum gesprochen oder geschrieben. Nur dann und wann Drang der Duft der Wollust nach außen.

All diese sonderbaren Betätigungen galten nichts als „Sex“. Zu dieser Zeit begannen zahllose junge Frauen „romantische“ Beziehungen untereinander, die teils mit großer Leidenschaft gelebt wurden, aber weder als „sapphisch“ noch als sonst wie sexuell eingestuft wurden.

Undenkbar - Oral- und Analverkehr

Die Möglichkeit, anstelle des Vaginalverkehrs den Analverkehr mit Männern zu haben, konnte zu dieser Zeit nicht einmal diskutiert werden, während Oralverkehr in beiden Richtungen und mit beiden Geschlechtern durchaus vorkam. Die viktorianische Literatur ist voll davon, und man verschleierte orale Betätigungen unter dem Oberbegriff „Gamahucher“. Die Vorgänge dabei liegen immer etwas im Dunkel der Geschichte, denn die meisten Autoren waren männlich – und sie betrachteten die entsprechende Variante bestenfalls als Vorspeise. Frauen hingegen sahen sie durchaus als sexuelle Erfüllung an.

Wann galten Frauen als Jungfrauen?

Frauen galten also sehr lange Zeit als „Jungfrauen“, wenn sie keinen vaginalen Geschlechtsverkehr hatten. Jede andere Art von ausgeübter geschlechtlicher Lust, ob verboten oder nur verpönt, galt jedenfalls nicht als „Geschlechtsverkehr“.

Das hat sich kaum geändert. In einigen Umfragen wurde „Oralverkehr“ nur von etwa 20 Prozent der Befragten als „Sex“ bezeichnet, unabhängig davon, ob in den Gesetzbüchern etwas Abweichendes stand. Insofern ist der Schmuddel Begriff „Oraljungfrau“ auch aus der Mode gekommen.

Das englische Wikipedia weiß:

Jungfräulichkeit ist der Zustand einer Person, die noch nie Geschlechtsverkehr hatte … Der Begriff … hat sich jedoch weiterentwickelt und umfasst eine Reihe von Definitionen, die in traditionellen, modernen und ethischen Konzepten zu finden sind. Heterosexuelle Personen können davon ausgehen, dass der Verlust der Jungfräulichkeit nur durch Penis-Vaginal-Penetration erfolgt, während Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen häufig Oralsex, Analsex oder manuellen Sex in ihren Kontext einbeziehen als Definitionen für den Verlust der Jungfräulichkeit.

Männliche Jungfrauen - kein PiV - kein Sex

Definitionen sind – wie wir daran sehen können – dehnbar. Immerhin werden heute auch Hetero-Männer als Jungfrauen bezeichnet, die noch nie Penis-Vaginalen Geschlechtsverkehr ( PiV) hatten.

Woher kommt die Bedeutung weiblicher Jungfräulichkeit?

Heute ist man sich sicher, dass die „Keuschheitsfrage“ weder natürliche noch ethische noch religiöse Gründe hatte. „Töchter“ gehörten zum Eigentum des Vaters, wer sich an diesem „Eigentum“ vergriff, musste mit Strafen rechnen. Und falls ein Jüngling eine Maid heiraten wollte, musste der Vater sie zuerst „von der Hand lassen“. Je nach Zeitalter. Kultur und Besitzstand des Vaters wurde ein Geldbetrag dafür fällig – und wer keines hatte, konnte seine Arbeitsleistung anbieten. Später kehrte sich die Sache um: In der bürgerlichen Blütezeit galten Töchter im Hause des Vaters als überflüssig – sie mussten deshalb „unter die Haube gebracht“ werden – und das war erheblich einfacher, wenn sie als keusch bekannt waren. Zudem musste der Vater eine erhebliche Summe in Geld spendieren, denn der zukünftige Ehemann sollte durch die Heirat finanziell nicht belastet werden.

Das alles ist längst Geschichte. Und doch geistert in vielen Köpfen immer noch herum, dass Töchter „unbescholten“ in die Ehe gehen sollten.

Zitat: Wikipedia (englisch)

Die Jungfrau und die Lust am bösen Buben

der schreckliche dr. orlof - filmplakat (ausschnitt)


Irgendwann im Frühling, irgendwo in Deutschland. Man gibt das Musical „Jekyll and Hyde“ . Viele der Zuschauerinnen sind unter 25, und sie starren die Bühne an: Na, ja edler Jekyll, wie schön, dass du die Welt vor dem Elend der Schizophrenie retten willst, und deine Braut – ach, wie romantisch, aber leider so schrecklich langweilig. Sobald sich Jekyll aber in Hyde verwandelt, kommt Glanz in die Mädchenaugen – ja, der wilde Kerl dort, ein richtiger Mann, der fackelt bestimmt nicht lange – und schon wähnen sie sich in seinen straken Armen – Mörder oder nicht Mörder ist gar nicht die Frage, sondern nur eins: „Nimm mich, Hyde …“ Es verwundert nicht: denn der "böse" Hyde räumt erst einmal dort auf, wo es sich lohnt - das Video zeigt die Szene deutlicher, als sie damals in Deutschland auf der Bühne gezeigt werden durfte. (Weiter nach dem Video)



Eigentlich ist der Prinz für die Entjungferung zuständig

Eigentlich lernt es das junge Mädchen ja anders: Nicht der wilde Raubritter soll ihre Jungfräulichkeit nehmen, sondern der edele Prinz. Dornröschen, nuscheln die Gutmenschen, musste ja auch warten, bis endlich der richtige Mann kam – ein Held, fürwahr. Da fällt doch dieser Abstaubprinz ziemlich ab, der das Schneewittchen mal eben so als Ausstellungsstück mitnahm. Freilich ist dies nicht die einzig mögliche Moral: Auch Monster und Kröte werden erlöst, wenn eine Jungfrau mit ihnen schläft, und Jungfrauen sollen auch schon ganze Städte vom Vampirismus gerettet gaben. Die reine Jungfrau gibt sich dem Bösen hin – welch herrliche Vorstellung, nicht wahr?

Wenn jungfräuliche Männer bösen Frauen verfallen

Übrigens gibt es solche Geschichten ganz selten anders herum: Die Hexe wird nicht etwa durch Geschlechtsverkehr erlöst, sondern durch ritterliche Widerstandkraft: Gefragt, ob er lieber den Tod oder den Beischlaf mit einer absolut hässlichen, alten Frau bevorzugt, wählt dieser „keines von beiden“ und sofort verwandelt sich die alte Hexe in ein wunderschönes Mädchen, weil der Ritter dem schnöden Gedanken widerstand, mit „Augen zu und rauf“ das Leben zu erringen. Wer den deutschen Dichter E.T.A. Hoffmann kennt, weiß, wie der Teufel in Frauengestalt Männer verführt und sich ein harmloser Student durch die dämonische Kraft eines Opernglases sogar in eine Puppe verliebt.

Der moderne Vampir muss leider keusch bleiben

Doch, ach, die Zeiten haben sich geändert. Selbst Vampire müssen jetzt keusch bleiben, schrecken vor der finalen Besiegelung des symbolischen Geschlechtsaktes vermittels Vampirzahn zurück. Die neue Keuschheit ist so keusch, dass der Vampir das Mädchen nicht einmal küssen darf – man denke, sie könnte ja eine Verletzung an den Lippen haben, wodurch unzweifelhaft die Kräfte des Teufels erneut hervorgerufen werden könnten und die Jungfrau in Hollywoodmanier nach und nach dahinsiecht. Auslöser ist eine neue Teenager-Kitschliteratur, die von einer gewissen Stephenie Meyer erfunden wurde. Angeblich schreibt sie so etwas aus der Überzeugung ihrer mormonischen Glaubensgemeinschaft heraus, was man glauben kann oder auch nicht. Das lachhafte Machwerk heißt "Twilight" zu deutsch "Zwielicht". Da der Titel für den deutschen Markt offenbar noch zu intelligent war, hat man das Buch in "Bis(s) zum Morgengrauen" umgetauft.

Übrigens waren auch die Geschichten von damals moralinverseucht: Gerttet wurden natürlich, wie immer, nur dieguten, echt reinen Jungfrauen, die den ersten Vampirbiss eher gegen ihren Willen empfangen hatten. Doch den anderen musset es zwangsläufig dreckig gehen: Trotz des Schließens der Dachfenster, Unmengen von Knoblauch und anderer Maßnahme wurden sie nicht gerettet. Die meisten warteten röchelnd vor Sehnsucht, wenngleich voller innerer Zweifel, auf den erneuten Vampirbiss. Klar, dass sie sich am Ende doch hingaben und dadurch einen vorübergehenden Tod erlitten, in dessen Folge sie wieder auferstanden und selbst zu Vampiren wurden. Die Moral: Kind, wenn du es einmal getan hast, wirst du den Drang verspüren, es immer wieder zu tun. Also tu es erst gar nicht.

Nein – nichts mehr davon. Das moderne junge Mädchen umgibt sich mit der Gefahr, lässt Werwölfe und Vampire in sein Leben und wer sich wundert, dass nicht auch noch die Gräfin Bathory schnell mal vorbeikommt und statt in Blut in Eselsmilch badet, der sollte wissen, dass es die Religion ist, die dies verhindert (jawoll, hätten sie nicht gedacht, oder?). Lesbisch zu sein ist schließlich schlimmer als die Nächte mit des Teufels Brut zu verbringen.

Nun – auch die Zeit wird vergehen. Werwölfe und Vampire als Haustiere sind ja ganz nett, aber, irgendwann haben es die Hormone auch geschafft, den Körper von schwärmerischer Romantik auf pure Begierde umzustellen, auch wenn Christa Meves und ihre Anhängerschaft darüber anderer Meinung sein sollten.

Die Begierde schlägt durch, sobald die Hormone die Oberhand gewinnen

Erwachsene Frauen (die Pubertät dauert bis etwa 25) wissen ohnehin, dass sich die Begierde irgendwann einen Weg verschafft. Nur Leichtsinn und Alkohol bringen erwachsene Frauen heute noch in die Gefahr, sich auf irgendwelchen Partys vom Macho abschleppen und vielleicht sofort schwängern zu lassen. Mit eben diesen Machos, wenn man sie denn wirklich real will, lernen Frauen umzugehen: Sie sind für die kleinen frivolen Abenteuer zwischendurch – und dabei sind sich darüber klar, dass der Macho gestern vielleicht bei einer anderen war und nächsten Monat wieder zu einer anderen geht – oder zu seiner Ehefrau, die schon etwas machomüde ist.

Diejenige, die gar keinen Macho im Leben haben werden machen in Selbsthilfe: Die Fantasie lässt alle möglichen Männergestalten entstehen, die noch viel wilder und schrecklicher sind als im wirklichen Leben. „Küsse mich und quäle mich“ ist im wirklichen Leben einer Geschäftsführerin vielleicht nicht möglich, weil sich so etwas herumsprechen könnte – in der Fantasie aber gibt es keine Schleusen, in der die Lüste ruhen müssten.

Wie war das also mit der Keuschheit vor dem Vampir? Nun nennen wir es mal pubertäres Kaspertheater mit Holzpüppchen. Ich bin überzeugt, dass dieses mormonische Gretel noch viele Bücher schreiben wird, in denen das Höschen oben bleibt und der Hals nicht mit Blutflecken verunziert wird. Aber irgendwann will man eben nicht mehr Kaspertheater gucken, nicht wahr?


Titelbild: Titel: Nicht genauer identifizierbares Filmplakat für den Film: "Gritos en la noche" - "Der schreckliche Dr. Orlof"

Bild Mitte: Jekyll and Hyde: Ankündigung des Musicals auf einem Plakat - natürlich mit dem bösen Hyde