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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex

Heteronormativ und anderer Unsinn

Heteronormativ bezeichnet eine gesellschaftliche Denkweise, die nur Heterosexualität sowie biologisch und sozial übereinstimmende Geschlechter anerkennt.

(Focus-Redaktion)

Wie schön das formuliert ist, nicht wahr? Eine „Gesellschaftliche Denkweise“ - das klingt mächtig und sehr bestimmt. So kann man es sicher sagen, aber im Grunde glauben nur Teile der Soziologie, solche „gesellschaftlichen Denkweisen“ in die Welt bringen zu müssen.

Tatsächlich bezeichnet sich kaum ein Mann und sicher kaum eine Frau als „heterosexuell“, es sei denn, sie oder er wolle sagen: „Ich bin nicht homosexuell“.

Die Sucht, Menschen Etiketten aufzukleben

Ich hole da mal aus. Es gab nicht immer „Heterosexuelle“. Viele Menschen wissen nicht einmal das. Und ob es sie heute „wirklich gibt“, ist eine Frage der gerade herrschenden Meinungshoheit – nicht mehr.

Fakt ist (ja, wirklich): „Heterosexuell“ wurde von Menschen, die Wissenschaft betreiben, als Gegensatz zu dem neuen Begriff „Homosexuell“ geschafften. Beides sind weder biologische noch medizinische Begriffe. Biologisch gibt es zwei Geschlechter, und einige Menschen, die davon abweichen. Auch homosexuelle Frauen und Männer rechnen sich einem Geschlecht zu – sie empfinden lediglich anders über das andere Geschlecht.

Ausschließlich biologische Geschlechter?

Es trifft zu, dass eine Denkweise gibt, die ausschließlich Beziehungen zwischen biologisch Geschlechtern anerkennt. Das ist meist der Fall in religiösen oder weltanschaulichen Gruppen, aber auch bei Menschen mit Bildungsdefiziten. Das bedeutet aber nicht, dass es eine „gesellschaftliche Denkweise“ ist. Die meisten Menschen interessiert überhaupt nicht, wie sie sich „einstufen müssen“. Sie lieben meist das gegenteilige biologische Geschlecht oder das eigene, und manchmal wechseln sie dazwischen.

Gar keine Biologie als neuer Maßstab?

Derzeit gibt es deutliche Tendenzen, alles Biologische aus der Geschlechterforschung zu verbannen. Und das heißt: die wirklichen Unterschiede auszublenden, um „gefühlte“ Sexualität in den Vordergrund zu schieben. Neu ist das nicht. Es wurde schon einmal versucht und scheiterte kläglich. Damals wurde die Theorie eines gewissen Professors John Money selbst dann noch toleriert, als klar wurde, dass nahezu die gesamte Wissenschaftswelt seinen dreisten Behauptung aufgesessen war. Einer der Gründe war, dass sie bequeme, populistische Thesen vertrat, die jeder Dummkopf nachvollziehen konnte. Doch es gab noch einen anderen Grund: Die damals bereits mächtige elitäre Frauenbewegung nahm die Theorie des Professors mit Kusshand und kritiklos an. Obgleich es Unterschiede zur heutigen Ideologie gab, hatten beide eines gemein: Das Geschlecht, so behaupteten sie (und behaupten es weiterhin) entstehe im sozialen Umfeld. (2).

Wer die biologischen Fakten ausblendet, meidet das Lebendige. Eine Person, die das tut, erkennt den Menschen nicht als biochemisch beeinflusste Person an, sondern sieht in ihm eine soziale Konstruktion.

Ich wage nicht, zu sagen: „Von dieser Ideologie bis zur kollektiven Gehirnwäsche ist es nicht weit.“ Aber ich halte immerhin für möglich, dass die Urheber jede Form von lliberalem Denken hassen und nicht weit entfernt von einer Gedankendiktatur sind.


(1) Nach focus zitiert - es ist aber nicht die einzige Quelle.
(2) Hier wird nicht behauptet, dass an der Theorie "alles falsch" war - aber sie ist im Kern unbewiesen und isoliert betrachtet sogar völliger Unsinn. Zur Diskussion darüber bitte Wikipedia (englisch) nachlesen.

Ehe - Phänomen ohne Zukunft?

Festzustellen, was einst war, ist einfach. Hingegen ist es schwer, festzustellen, was jetzt ist. Doch noch schwerer zu beantworten ist die Frage, was sein wird.

Wie also ist es bestellt um die Zukunft der Ehe? Was wissen wir darüber wirklich, und was vermuten wir?

Die Ehe - historisch knapp beschrieben für die heutigen Menschen

Schauen wir zunächst mal, was die Ehe eigentlich ist - und schon treffen Kalt- und Warmfronten aufeinander, sodass es donnert und blitzt. Auf der einen Seite finden wir die religiös und politisch Konservativen. Für sie ist die „Ehe“ als Institution nicht diskutierbar. Die einen sehen in ihr ein Sakrament, das nicht zur Diskussion freigegeben ist, die andere sehen darin die Keimzelle von Staat und Gesellschaft. Wer nun sagt, sie sei lediglich ein Rechtsakt, also ein Vertrag, dessen Regeln auf dem Gesetzbuch und ergänzenden Vereinbarungen beruhen, wird bereits eigenartig beäugt. Was, mehr soll es nicht sein, dies Ereignis, von dem „jede Frau insgeheim träumt?“

Ehe? Ja, aber erst später ...

Für viele Frauen ist dies nicht mehr so. Zahllose Beziehungen in den „Neuen“ Bundesländern werden ohne Trauschein begonnen und erst viel später legalisiert. Etwa dann, wenn das Kind eingeschult wird. Aber immerhin könnte man von ihnen sagen, dass sie schon „so gut wie verheiratet“ waren, als sie vor den Traualtar traten.

Experimente auf morastigem Boden

Einige Menschen lehnen die Ehe generell ab, versuchen Beziehungen zu dritt oder zu vielen, werben gar dafür, dass andere es auch zu tun. Interessant ist auch ein Thema, das stark strapaziert wird: der Treuebruch durch eine „Nebenbeibeziehung“. Ethische Themen und soziale Themen vermischen sich dabei - aber was sich letztlich durchsetzt, ist die pragmatische Grundhaltung. Es mag ja attraktiv sein, sein Leben lang zu naschen oder von einem Hotelbett ins nächste zu wechseln - aber letztendlich strebt man eben doch nach einer gewissen Sicherheit. Die allerdings finden wir am besten in der einen, konservativen Lebensform, die „Ehe“ heißt.

Wer diskutiert eigentlich tatsächlich über die Ehe?

Das öffentliche Interesse an der Diskussion um die Ehe ist allenthalben groß, aber wer diskutiert eigentlich kontrovers über das Thema? Evangelikale Kreise tun es, Katholiken tun es und Soziologen tun es. Die Ersteren fürchten sich vor dem liberalen Geist, die Zweiten vor dem Heiligen Geist und die dritten vor dem Zeitgeist. Die Soziologen haben es schwersten: Vor ihren Fenstern flattert der Zeitgeist herum, der heute dieses, morgen jenes Gesicht hat. Und in ihnen spukt das Gespenst des Populismus. Denn eines scheint sicher zu sein: Falls sie „feststellen“, dass die Ehe eine sonnige Zukunft hat, wird dies keine Sau interessieren - und Menschen sowieso nicht. Finden sie aber heraus, dass die Ehe keine Zukunft mehr hat, dann wird die gesamte Presse sich darauf stürzen.

Ich las dazu:

Was (die Forschungsthemen) gemeinsam haben, sind ein großes öffentliches Interesse und entsprechend viele geäußerte Meinungen zu ihnen bei nur wenig gesichertem soziologischen Wissen.

Mich erstaunten weitere Aussagen, so zum Beispiel, dass „die gesellschaftliche Sichtweise auf die Ehe ... pessimistisch geprägt (sei)“. Ich kann das nicht bestätigen, lese aber weiter, was dies für Soziologen bedeutet „diese Meinung nunmehr entweder soziologisch zu untermauern oder aber das Gegenteil zu versuchen, also den Fortbestand der Ehe zu beweisen.“

Wen wird dies interessieren? Katholische Geistliche, Standesbeamte, Scheidungsanwälte, Catering-Unternehmen oder Saalvermieter? Uns? Euch, die ihr gerne heiraten würdet?

Hilft uns die Soziologie dabei, die Ehe neu zu bewerten?

Wir wissen es nicht. Die deutsche Soziologin Rosemarie Nave-Herz will es untersucht haben - und hat darüber ein Buch geschrieben. Ob es jemandem hilft? Ich habe erhebliche Zweifel. Nachdem ich einige Seiten überflogen hatte, war mir klar: Ein Werk aus soziologischer Sicht, daher interessant für Menschen, die an Soziologie interessiert sind. Wer jedoch hier und jetzt eine Ehe plant und letzte Zweifel ausräumen möchte, findet sich kaum im Buch wieder. Und die Zukunft? Sie gehört heute, wie zuvor, den Mutigen, die einfach nach vorne gehen und glauben, auf diesem Terrain zu bestehen.

Das Buch: Rosemarie Nave-Herz - Die Ehe in Deutschland
Zitat aus der FAZ

Frauen, Männer und eine zweifelhafte Wissenschaft

Grüße von der haarigen Verwandtschaft
In meinem jungen Jahr war ich ein kühner Verfechter der Gleichheit zwischen Frauen und Männern. Bereits in der Kybernetik verwurzelt, wenngleich noch kein IT-Spezialist, wusste ich: Die Gehirne von Frauen und Männern arbeiten in genau gleicher Weise.

Das taten sie und das tun sie bis heute. Das Gehirn ist voller Prozesse, die vollständig automatisiert ablaufen. Die meisten nehmen wir nur dann wahr, wenn eine Störung auftritt. Damals war noch unbekannt, in welchem Maße die Natur mit Neurotransmittern arbeitet, um bestimmte Körperreaktionen zu befeuern. Das ändert aber nichts an der Tatsache: Der Teil des Gehirns, der unser Denken prägt, funktioniert bei Frauen und Männern gleich. Die „Ansteuerung“, auf die wir wenig Einfluss haben, ist etwas unterschiedlich - sie ist eine Folge unseres Säugetier- und Primatenerbes.

"Gleichheit" bei Frauen und Männern - das heikle Thema

In der Zeit, von der ich gerade berichte, gab es erste erste intensive Diskussionen darüber, wie es denn um die Gleichheit zwischen Frau und Mann stünde, und es gab Vorträge dazu. Die Diskussionen fanden unter einem intellektuellen, akademischen Dach statt, das weitgehend von Studenten beherrscht wurde.

Nachdem nun alle (und ich auch) für Gleichheit plädierten, stand eine Ärztin auf, stellte sich vor und sagte:

Ich kann beim besten Willen nicht bestätigen, dass Frauen und Männer gleich sind. Kein Arzt dieser Welt wird dies im Ernst behaupten“.

Es gab, wenn ich mich recht erinnere, eine kurze Stockung in der vergeistigten Auseinandersetzung. Ich musste lange darüber nachdenken, aber wir war sofort klar, dass sich die Realität des Seins nicht mit der Theorie der Wissenschaft vertrug.

Das Leben erklären ohne natürliche Grundlagen?

Erst viel später erfuhr ich, dass viele Geisteswissenschaftler ihr eigenes Leben niemals in die Theorie einbeziehen, ja, dass sie glauben, es verfälsche die wissenschaftliche Arbeit. Sehe ich mir an, wie sich viele Philosophen, Soziologen und Psychologen ausdrücken, so wird klar, dass sie sich selbst gar nicht meinen – und uns im Grunde genommen auch nicht. Und ja, es gibt Ausnahmen. Redliche, nachdenkliche Menschen, die sich sogar in einer verständlichen Sprache ausdrücken können. Personen, die wissen, dass sie nur einen Baustein der Wahrheit beforschen.

Nachdem ich all dies gesagt habe (und ihr es hoffentlich gelesen habt), fiel mir ein Satz in die Hände:

Jeder weiß, dass Frauen und Männer unterschiedlich sind, außer Soziologen.

Da ich die Nase immer noch auf dem Boden habe, weiß ich, dass dieser Satz heute nicht mehr „durchgeht“. Ich habe die „anderen Geschlechter“ nicht erwähnt und die sexuellen Ausrichtungen der Frauen und Männer nicht berücksichtigt. Und – ich halte dies auch nicht für nötig. Es darf geben, was es gibt, aber wir sind wahrhaftig biologische Wesen – und keine Gehirngeburten der Soziologie oder Psychologie.

Die Empörung der Geisteswissenschaften

Viele Geisteswissenschaften leiden bis heute an der Einstellung, die Biologie habe mit dem, was sie beforschen, nichts zu tun. Sie hatten sich schon erfolgreich gegen die „Übergriffe“ der Kybernetik gewährt, die sie für eine Wissenschaft hielten, die „an der Technischen Hochschule“ ihren Platz hat. Das empörte sie schon damals. Und nun wollen die Naturwissenschaftler erklären, was es mit dem „Menschsein“ auf sich hat? Bis heute zweifeln Soziologen/Soziologinnen, dass es überhaupt möglich sei, das Menschsein aus der Evolution heraus zu erklären und biologischen Faktoren einen Stellenwert zuzumessen.

Soziologie - die Parallelwelt

Stattdessen erfindet man eine Parallelwelt, in der Leben kann, wer sich auf skurrile Theorien einlässt, aber kaum jemandem zuhört, der in den Realität lebt. Dort wird das „Ende der Liebe“ proklamiert, und der Autor wird mit Lob überschüttet, dort wird die angeblich „binäre“ Geschlechterzuweisung verbal totgetrampelt - und die Presse applaudiert. Dort werden neue Sprachregelungen erfunden und kritiklos übernommen. Ja dort - wo man unter sich ist und sein eigenes Süppchen kochen kann.

Nein - das tun nicht alle Soziologen. Aber diejenigen, die es nicht tun, gehen auch nicht auf genügend Distanz zu den Ideologen und gesellschaftlichen Spalter(innen).

Frauen und Männer - gleich, aber nicht in jeder Weise

Ich will für heute schließen. Aber ich denke, ich werde das Thema noch oft aufgreifen - und den zitierten Satz, der zwar auch schon vor etwa 30 Jahren geschrieben wurde, finde ich sehr bemerkenswert. Wer ihn nicht mag, kann ihn auch so umformulieren:

Jeder hat schon erfahren, worin sich Frauen und Männer unterscheiden - es ist nicht schwer, wenn man nur eines tut: am Leben teilzunehmen. Dann ist es auch einfacher, die Gemeinsamkeiten zu entdecken und mit den Unterschieden zu leben.

Im Grunde, daran zweifle ich keinen Moment, sind wir klug genug, um unsere eigenen Erfahrungen zu machen.

Zitatenquellen:

Erstes Zitat: Ungenannte Ärztin während einer Diskussion in Stuttgart, frühe 1970er Jahre.
Zweites Zitat: The Ape That Understood the Universe", Cambridge 2018., Nach Buss und Schmitt, 1993.
Dritte Hervorhebung (kein Zitat) vom Autor (Gebhard Roese).
Bild © 2020 by Gebhard Roese

Unsere Singles, die Sorgen darum - und Soziologie

Verblassen die Singles in der Pandemie?
Der Titel war interessant: „Wir müssen uns um die Singles keine Sorgen machen“, hieß es da, und ich wurde so neugierig, dass ich tatsächlich die „Berliner Zeitung“ im Internet ausschlug.

Ich hätte gewarnt sein sollen. Wo Eva Illouz zitiert wird, ist das selbstgefällige Soziologengeschwätz nicht fern. Und schon fällt mir das „alleinstehende Leben“ auf die Füße. Und das geht gleich so weiter:

Wie die postmoderne Kultivierung der freien Wahl und die Mechanismen der Flexibilität neue Formen der Unverbindlichkeit erschaffen.

Nicht meine Art, Deutsch zu sprechen, denke ich im ersten Ansatz. Und im zweiten fällt mir auf, was in solchen Sätzen alles verschleiert werden kann. Zum Beispiel, dass es in dieser Welt echte Menschen gibt, nicht nur Floskeln.

Der Staat und bindungswillige Singles in der Pandemie

Aber deshalb las ich den Artikel ohnehin nicht. Ich wollte wissen, ob sich der Staat (oder die Gesellschaft, die Frau Kanzlerin, derr Herr Spahn oder „wir“) sich Sorgen machen muss oder müssen. Der holländische Staat soll sich Sorgen darüber gemacht haben, erfahre ich.

Ich bin einverstanden mit diesem Thema - ich fordere seit Jahrzehnten, Singles ernster zu nehmen. Und nicht nur das. Jedes Gemeinwesen sollte sich Sorgen um Menschen machen, die einen Partner wünschen, aber (zumindest derzeit) keinen treffen können.

Care-Netzwerke? Klingt wie vor 30 Jahren ...

Doch irgendwie ist das gar nicht das Thema der Autorin. Ich lese:

Verbindlichkeit ist demnach kein Versprechen, das sich zwei Personen gegenseitig geben, sondern das Versprechen der alleinstehenden Person an sich selbst, das notwendige Care-Netzwerk zu kultivieren. Sologamismus eben.

Gut, ich weiß notfalls was „care“ ist, und ich ahne zumindest, was die Autorin damit meint. Als ich noch wesentlich jünger war, sprach man einmal von „Wunsch- und Zweckfamilien“. Jetzt also wieder?

Wie war das nun also mit der Sorge um Singles?

Ich hätte es mir denken können: Es geht gar nicht um Singles an sich, nicht um die Bedingungen, die sie gerad jetzt bei der Partnersuche vorfinden. Es geht mal wieder um das Leben in „größeren Netzwerken“, von denen wie „CIS-Hetero-Personen“ natürlich keine Ahnung haben.

Und jetzt muss ich wohl selber (erneut) darüber nachdenken, ob Singles systemrelevant sind, wenn sie die Ungeheuerlichkeit begehen, sich nach einem einzelnen CIS-Partner zu sehnen.

Zitate: "Berliner Zeitung"

Die Liebe ist ein schillernder Begriff

Sieh hier hin, sieh dort hin ...
Manchmal werde ich daran erinnert, wie weit die Verdummung durch vermeintliche Bildung gehen kann. Wenn ihr heute von eurer „Liebe“ redet, werden sofort ein paar Neunmalkluge aufstehen und sagen: „Aber das ist gar keine Liebe, das ist Verliebtheit …“

Ich weiß nicht, wem die Neumalklugen zum Opfer gefallen sind. Humpty Dumpty (1) oder einem Star-Soziologen und Autor? Die Gemeinsamkeit von Lewis Carrolls Adaption der Figur liegt darin: Sowohl Humpty Dumpty wie auch mancher Soziologe, Theologe, Philosoph oder Psychologe maßt sich an, für uns zu definieren, was Liebe ist, oder besser: Für uns alle zu sein hat. Es ist die Arroganz der Eliten, die uns nicht sein lässt, was wir selbst sein wollen.

Verliebtheit und Liebe - ein Begriff so schwammig wie der andere

Tatsache ist, dass Verliebtheit ein ebenso schwammiger Begriff ist wie „die Liebe“ selbst. Kaum jemand wird bestreiten, dass Verliebtheit zur Liebe führen kann, auch wenn er nie von Biochemie gehört hat. Und wer behauptet, er wisse ganz genau, wie „das alles“ funktioniert, der möge hervortreten und beweisen, was er da behauptet.

Der Spagat bei der Definition von "Wertschätzung" und "Liebe"

Lexika der heutigen Zeit versuchen den Spagat: Wikipedia spricht von „Zuneigung und Wertschätzung“ und meint (Zitat,2).

(Liebe ist) ein starkes Gefühl, mit der Haltung inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person … die den Zweck oder den Nutzen einer zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt.

Damit ist alles und nichts gesagt. Wie „stark“ ist denn nun „stark? Und wie macht man die „Haltung“ der Personen aus? Sind Haltungen und Gefühle auch nur annähernd gleich? Und ist es im Grundsatz verwerflich, wenn Gefühle einen Zweck oder einen Nutzen hat? Wir sind Lebewesen, und die Natur hat es so eingerichtet, dass wir so gut wie gar nichts ohne „irgendeinen“ Nutzen oder eine Absicht tun.

Ich kann Wikipedia nicht verdenken, so zu argumentieren. Wer „Liebe“ definiert, betritt eine von Gefühlen durchseuchte Region, in der alles zugleich gültig und ungültig sein kann. Mit anderen Worten: Das Wort verleitet zum Schnattern.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Liebe klarer definiert

Liebe wurde in früheren Zeiten lebensnäher definiert. Ende des 19. Jahrhundert wusste man weniger, beobachtete aber gründlicher. Man nahm an, was nahe leg, ohne zu wissen, was es bedeuten könnte.

Dazu diese Zitate (Meyers, gegen 1880,3):

Liebe, das Gefühl, welches ein erstrebenswertes Gut in den Lebewesen erregt, und das in der Vereinigung mit demselben, sei es als herrschendes oder dienendes Glied, seine Befriedigung findet.

Brockhaus, ebenfalls Ende 19. JH, (4):
Liebe, im allgemeinen Sinne das mit dem Verlangen nach Besitz, Genuß oder inniger Vereinigung verbundene Gefühl der Wertschätzung eines Gegenstandes oder Wesens.


Auffällig ist, dass in diesen Formulierungen die heutigen „Überhöhungen“ fehlen. Liebe ist einfach das, was den Autoren nahe lag, was für sie und ihre Zeit offenkundig und unzweifelhaft „so“ war.

Können wir "objektiv" sagen, was Liebe ist?

Soweit es möglich ist, heute noch objektiv zu sein, gilt für die Liebe nach wie vor, dass keine unserer vielfältigen „modernen“ Definitionen zutrifft. Sie ist ein Gefühl, dass uns teils angeboren ist und dass wir andernteils erlernt haben. Und entsprechend definieren wie Liebe für uns unterschiedlich:

- Selbstlos, ohne Gegenliebe zu erwarten, aber in der Hoffnung, dass unser Verhalten positive Effekte auslöst.
- Im kalkulierten Austausch. Wir setzen nur auf die Liebe, wenn Gegenliebe wahrscheinlich ist.
oder leider auch
- Als Bettler um die Gunst anderer, weil wir erfahren haben, dass wir für Zuneigung mit Wohlverhalten oder gar Geld bezahlen müssen.


Kurz und bündig: die Liebe ist ein „unordentliches Gefühl“, also eines, dass sich nahezu jeder Einordnung widersetzt.

Die "gute" und die "böse" Liebe

Inzwischen wissen wir mehr über das Gefühl der Verliebtheit, was manche Menschen wiederum dazu verführt, einen krassen Gegensatz zwischen „Liebe“ und „Verliebtheit“ zu konstruieren. Die Verliebtheit ist dabei die „böse“ Schwester der Liebe. Denn seit wir wissen, dass sie durch körpereigene Drogen hervorgerufen wird, gilt sie als animalischer und wertloser Teil der Liebe – falls die Verliebtheit nach Meinung der Besserwisser überhaupt noch zur “Liebe“ zählt. Dabei wäre freilich anzumerken, dass auch die Grundlage der angeblich so edle Teil der Liebe nichts anderes als eine evolutionäre Disposition ist.

Wie kann man so arrogant sein wie unsere angeblichen Eliten? Nur, wenn man unterstellt, dass die Natur zwischen einer „guten“ und einer „bösen“ Liebe trennen würde.

Zwei Gaben der Natur und der Evolution - Verliebtheit und Liebe

Indessen sollten wir bedenken: Keine Gabe der Natur existiert grundlos. Ohne das Gefühl der Verliebtheit würden wir nicht einmal zusammenkommen – warum sollten wir auch? Überhaupt wird dieses Gefühl zwar durch körpereigene Drogen beflügelt, aber der ganze Prozess muss ja erst einmal durchs Gehirn – und ich möchte den Professor sehen, der uns detailliert erläutern kann, wie das funktioniert. Und weil das so ist, können wir auch nicht voraussagen, was „am Ende herauskommt“.

Übrigens: Egal, wie wir „die Liebe“ zu unseren Mitmenschen erlernt haben oder derzeit gerade erleben – sie ist dennoch eine Erfindung der Evolution. Und sie wird ebenso biochemisch beeinflusst. Dabei sorgt unser Gehirn eben auch dafür, dass wir zusammen kommen, zusammen bleiben oder auch wieder Abstand voneinander halten.

(1) "When I use a word," Humpty Dumpty said, in rather a scornful tone, "it means just what I choose it to mean—neither more nor less." "The question is," said Alice, "whether you can make words mean so many different things." "The question is," said Humpty Dumpty, "which is to be master—that's all."
(2) Wikipedia.
(3) Retrobibliothek
(4) Do, jedoch Brockhaus.
Hinweis: Der Artikel wurde am 3.11.zunächst in einer anderen Version hier eingestellt..