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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex

Ein Nachtrag zu meiner Vorgehensweisen im „Fall Berkley Horse“

Ein Nachtrag zu meiner Vorgehensweisen im „Fall Berkley Horse“ - und die fragwürdige Weitergabe der Legende um Frau Berkley selbst.

Als ich vor einigen Jahren mit der Recherche über Frau Berkley und ihr legendäres „Horse“ begann, standen mir nur wenige Quellen und Originalzitate zur Verfügung.

Mir war damals auch nicht bewusst, wer „Herr Fraxi“ war und wann er lebte. Erst später fand ich heraus, dass die einzige Quelle, aus der immer wieder zitiert wurde, seine Aufzeichnungen waren. Tatsächlich waren diese zu der Zeit, als ich mich zum ersten Mal damit beschäftigte, auch nicht öffentlich verfügbar.

Viele Meinungen über Theresa Berkley - nur an Quellen hapert es

Das ist nun anders. Sowohl online wir auch antiquarisch sind die Werke verfügbar, und sie wurden für einige der vier Artikel der Serie benutzt. (Bibliography of Prohibited Books), eine dreiteilige, umfassende und literarisch orientierte Betrachtung, in der unter anderem auch Mrs. Theresa Berkley vorkommt. Dabei erwies sich schnell, dass des die einzige Quelle war.

Die Rolle von Henry Spencer Ashbee

Wie auch der Autor Fraxi, besser bekannt als Henry Spencer Ashbee, hatte ich keinen Zugriff auf verlässliche Dokumente des frühen 19. Jahrhunderts. Vermutlich wurde die Geschichte ausschließlich von Ashbee erzählt, wobei es eine gewisse Irritation gibt. Das Erscheinungsdatum eines angeblich früheren Werkes, in dem Frau Berkley im Vorwort erwähnt wurde, wird unterschiedlich angegeben, sodass man glauben könnte, es wurde noch während der Lebenszeit von Frau Berkley geschreiben.

Während der Arzt und Schriftsteller Iwan Bloch der Quelle vertraute und sie kritiklos weitergab, werden die Namen in historischen Werken nicht einmal erwähnt.

Historisch verlässliche Quellen? Fehlanzeige!

„The Origins of Sex“ (2012), eine wissenschaftliche Studie zur viktorianischen Zeit, nennt aber weder die Namen Theresa Berkley, noch Fraxi und auch nicht Spencer Ashbee, der sich dahinter verbirgt. Wir finden diese Namen ebenso wenig in „The Plaesure‘s all Mine“ (2013), das die Geschichte der die Perversionen historisch betrachtet. Beide Werke wurden von Historikern geschrieben. Wer nun meint, dass Historiker an Prostituierten, Hetären oder Bordellwirtinnen nicht interessiert wären, verkennt den Charakter beider Bücher. Erwähnt wurde beispielsweise die Geschichte der „Lebedame“ Harriet Wilson (1786 – 1846), die etwa zur gleichen Zeit wie die Bordellwirtin Berkley lebte.

Harriet Wilson lebte etwa zur gleichen Zeit - und über sie gibt es umfassende Dokumente

Ich will diese Geschichte hier kurz nach der Interpretation von Candice Hern wiedergeben. Andere Informationen habe ich ebenfalls hinzugefügt.

Mit 40 veröffentlichte sie eine allumfassende Autobiographie, in der Namen genannt wurden. Vor der Veröffentlichung dachten sie und ihr Verleger daran, mehr Geld zu verdienen, indem sie es NICHT veröffentlichten, und stellten sicher, dass sie Entwürfe an mehrere der im Buch erwähnten wichtigen Männer verteilten … (und schlugen vor) … Passagen auszulassen, in denen sie … erwähnt wurden. Behauptet wurde, dass über 200 Briefe an ehemalige Kunden geschickt wurden, in denen sie um eine Pauschalsumme von 200 £ baten, um ihre Namen aus ihren Memoiren herauszuhalten. (Manche)… , darunter George IV, zahlten. Harriets Memoiren, die 1825 veröffentlicht wurden, waren ein Bestseller, obwohl bekannt war, dass vieles davon völlig frei erfunden war.

Ich nenne bewusst viele Quellen. Sie beweisen, dass es von einer historischen Person sowohl Bilder wie auch Belege gab, auch dann, wenn sie ein sexuell motiviertes Gewerbe betrieben. Und aus dieser Sicht fällt viel Licht auf Henry Spencer Ashbee und seine Behauptungen über die „Königin“ der Flagellationsbordelle, aber auch auf alle, die Ashbee vertrauten und die Geschichte forttrugen.

Quellen:

Keine Erwähnungen der Berkley:

„The Origins of Sex“ (2012)
„The Plaesure‘s all Mine“ (2013)

Zitat nach Candice Hern (literarisch)

Weitere Quellen zu Harriette Wilson unterschiedlicher Qualität (teils bebildert):

A Woman To Know
Jane Lark (Truth or Lies)

Verlässlich und/oder authentisch:

Wikipedia (englisch) Lexikonbeitrag.
Projekt Gutenberg (Buch)
Universität Princeton (Blog): Seltene Bücher.
Und nicht zu vergessen: Seite 342 und eine Abbildung des Wilson-Skandals (farbig) Seite 357 in "The Origins Of Sex".

Alle Beiträge der Serie lesen?

Körperstrafen und Definition - Körperstrafen (Definitionen)
Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert Adel, Bürgertum, Fassaden.
Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee.
Das angebliche „Berkley Horse“ - ein Möbel für ein Bordell.
Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit. (hier)

Die Woche: Guter Rat für Partnersuchende, Kontroversen und Opas Pornografie

Dating wird von der Presse in letzter Zeit häufig totgesagt, vor allem Dating per App oder Online-Dating generell. Typisch Presse? Da sucht man nach Sensationen, die man dort heute kaum noch findet. Aber Menschen wollen sich weiterhin binden und ihren biologischen Trieben folgen. Was denn eigentlich sonst?

Jemanden finden – wirklich einfach

Ich habe versucht, einen ganz einfachen Vorschlag zu machen, wie du deinen Partner (deine Partnerin) jetzt findest. Die Aussagen dazu sind uneigennützig, wahr und umsetzbar. Und - sie sind sehr, sehr einfach.

Unsinniger Rat, guter Rat und ein wundervolles Buch für dich

Was wir von den Dummratgebern aus Frauenzeitschriften, naseweisen Psychologie-Kreisen und anderen Vielschwätzern halten, müssen wir nicht jede Woche schreiben. Dann und wann aber schon.

Was passiert, wenn eine Psychologin einen Partner sucht? Möglicherweise schreibt sie ein Buch. Und wenn wir Glück haben, dann wird es ein gutes Buch, weil sie sich selbst zuerst einbezieht, und dann den Leserinnen (und Lesern) anderen erläutert, was passiert. Ich bin persönlich absolut begeistert von diesem Buch und ich kenne nur ein anderes, das wirklich „neutral“ und praktisch anwendbar ist. Aber das gibt es nur in englischer Sprache.

Kinder, Lüste und Kontroversen beim Date

Unter den kontroversen Themen beim Kennenlernen sind „Übereinstimmungen“, „Kinder“ und „Zeitpunkt für Sex“. Beginnen wir mal mit Kindern. Wer einen dringenden Kinderwunsch hat, und deshalb auf ein Date geht, macht den zweiten Schritt vor dem ersten. In einem erdachten Dialog erläutern wir, warum man darüber dennoch unterschiedlicher Meinung sein kann. Übereinstimmung ist ein Thema, das immer wieder hochgespielt wird – meist aus Eigeninteressen der Betreiber von Single-Börse und den Anbietern von Kursen.

Die grüne Wiese gegenüber – wenn Hetero-Frauen suchen

Ein absoluter Sonderfall beim Dating ist das „ausscheren“ von Hetero-Frauen aus dem üblichen Dating-einerlei: Sie möchten es mal mit einer Frau probieren – und warum? Es gibt inzwischen einige Bücher darüber, aber wir haben versucht, die Motive zu beleuchten.

Die Pornografie der Urgroßeltern

Wusste ihr, dass die erotischen Schriften, die obszönen Schriften und letztlich die Pornografie ihren Ursprung in „Viktorianischen Zeiten“ hatten? Nein, es ist keine Erfindung der Neuzeit. Man nahm kein Blatt vor dem Mund – und auch das Feigenblatt über den Genitalien fiel. Heute wird oft geschrieben: Die waren aber frauenfeindlich … was aber waren sie wirklich?

Die Schere in Fernsehprogrammen – bloß nichts Reales

Zurück zum Heute. Fernsehen? Interessiert das noch jemanden? Freche Damen, die sexuell tun, was sie wollen? Ja, ich kenne da ein paar Serien. Aber … das sind Märchen für Erwachsene. Sobald es „real“ wird, kommt die Schere im Kopf zum Tragen.

Hallo, du da draußen – bis du Experte?

Ach ja – ich hatte euch vielfach um Hilfe gebeten. Denn wer ist eigentlich Dating-Experte? Derjenige, der es tut und das auch in Worte fassen kann. Wenn ihr schweigt, dann überlasst ihr die ganze Chose jenen, die euch bevormunden wollen. Ich will es jedenfalls nicht. Und trotz alledem habe ich eine Mini-Artikelserie vorbereitet, wie ihr alles richtig machen könnt, euch nicht schämen müsst und wie ihr und eure „Dates“ zusammenfinden können. Bleibt am Ball – und habt vorerst ein schönes Wochenende.

Wie die Pornografie in einer Zeit der Prüderie entstand

Aber bitte mit Hut ... Szenenfoto aus einem Film (mod)
Es gibt zahllose Erklärungen für „obszöne Literatur“, die man später als „pornografisch“ bezeichnete. Ziemlich verbürgt ist allerdings, dass die heute Form der erotischen Schriftstellerei inklusive der bildlichen Darstellungen, stark vom viktorianischen England geprägt wurde.

Wie dies sein konnte, ist vielfach beschreiben worden, zuletzt kenntnisreich und wissenschaftlich fundiert in „The Origins of Sex“.

Die Geburt der modernen obszönen Schriften

Wundert ihr euch, dass ausgerechnet das „prüde“ viktorianische England den Trend zur Pornografie hervorbrachte? Betrachten wir die „offizielle Leseweise“, so war die Sprache damals frei von Obszönitäten. Die „wohlanständigen Kreise“ hielten eine Fassade aufrecht: Man sprach nicht über sexuelle Dinge oder verschleierte sie so weit, dass die Begriffe „harmlos“ klangen. Gleichwohl wussten insbesondere die britischen Gentlemen, dass es noch eine andere Welt gab. Dazu gehörten Huren, Mätressen, Edelbordelle, speziell für die Lüste gegründete Spezialklubs (1) und die berüchtigten Flagellationsbordelle.

Eine Frau nackt zu sehen - eine kostspielige Angelegenheit

Wer diese Orte nicht besuchen konnte, hatte „schlechte Karten“. Junge Männer bekamen kaum eine Dame nackt zu sehen, und sie fantasierten eher über die Beine als über Brüste, Gesäße oder das, was im Schritt verborgen lag. Allein den mysteriösen Ort der Lust zu erwähnen, war kaum möglich – und seine Beschaffenheit zu untersuchen oder gar den Versuch des „Gamahuche“ (2) zu unternehmen, war ein Privileg der Männer, die für die Lusterfüllung bezahlen konnten.

Warum die englischen Damen ebenfalls Interesse zeigten

Nun wird auch klar, warum nicht nur die Gentlemen, sondern auch die Ladys Interesse an geschriebener Erotik hatten. Tatsache ist, dass sie überwiegend als „uninteressiert“ an Sex galten – was nicht zutreffen musste, aber die Erwartungen der Gesellschaft gingen in diese Richtung. Die Frau in den erotischen Schriften indessen genoss die Freiheit des sinnlichen Abenteuers, auch wenn es gefährlich war – solange es nicht nachhaltig schadete. Der Begriff „entwürdigend“, der heute dafür gebraucht wird, entspricht eher einer Einstellung des 21. Jahrhunderts. Die Frauenbilder, die in der erotischen Literatur entworfen wurden, waren anders … und natürlich waren sie nicht „realistisch“. Wer hätte dies erwartet?

In einem Lexikonbeitrag heißt es (3):

Erotische Handlungsstränge (in Büchern) versuchten, die (gesellschaftlich erwünschten) Erwartungen zu zerstören, indem sie Frauen zu … Prostituierten und Ehebrecherinnen machten. … Frauen waren ein Symbol für Laster und Versuchung … und Männer galten als Opfer der weiblichen Verführerin.

Das klingt negativ. Doch es ist zugleich eine Tür zum Abenteuer – und wie sich zeigte, lasen gebildete Frauen alsbald solche Bücher, soweit sie ihnen zugänglich waren. Manche, so hieß es, ließen sich diese durch ihre Dienstmägde besorgen, während andere sie durchaus in der zweiten Reihe in dem Regalen der häuslichen Bibliothek fanden.

Ein Problem, das heute wieder in erheblichem Maße diskutiert wird, ist die Darstellung der Frau als „Sexualobjekt“. Dies war in der viktorianischen Zeit nicht anders. In besagtem Lexikon heißt es abermals (3):

Frauen wurden zunehmend in Bezug auf Weiblichkeit, Unterordnung und als Objekt sexueller Begierde definiert.

Um den gewünschten Effekt zu erreichen, mussten „Frauen aus dem realistischen Umfeld“ in die Rolle der „sexuellen Objekte“ gebracht werden: vorzugsweise Hauspersonal, Cousinen, Witwen oder ledig gebliebene Frauen. Meist war es der zufällige Blick auf den nackten Körper, der als Auslöser verwendet wird … und dann kam es darauf an, wie durchtrieben der Mann oder die Frau war, die in der Erzählung als Held oder Heroine vorgeführt wird.

Nicht nur die Frau wird "vorgeführt"

Und dann? Dann passierten all diese aufregenden Dinge. Zwischen Frau und Mann, aber auch zwischen Frau und Frau und andeutungsweise auch zwischen Mann und Mann. Die Gouvernante als Verführerin des jungen Mannes, die Dame aus gutem Hause als Verführerin unbefangener junger Frauen. Und natürlich auch sehr häufig der Mann als skrupelloser Verführer – kein Zweifel. Mit alldem, was ihr so gehört habt …

Auch das Vergnügen der Frauen wurde gezeigt

Vieles, was in den Lexika des 21. Jahrhundert steht, ist nicht ganz korrekt. Das lustvolle weibliche Vergnügen blieb nicht auf der Strecke – es wurde lediglich in einen neuen Zusammenhang gestellt. Die sinnliche Lust unter Frauen, der Cunnilingus, die Dreier und der Sex vor Zuschauern waren sehr beliebt und wurden in Fotos wie in Büchern „unter der Hand“ weit verbreitet. Und auch die Grausamkeit ging manchmal von Frauen aus – und nach solchem Lesestoff gierten Frauen wie Männer jener Zeit.

Sicher - die Schilderungen waren heftig. Zum Teil so heftig, dass sie uns bis heute befremden. Aber das gehörte zum „Nervenkitzel“ – wie im Detektivroman oder dem Vampirfilm.


(1) "The Origins of Sex", London 2012
(2) In zahlreichen Romanen verwendete Umschreibung für den Cunnilingus
(3) Lexikon: Wikipedia (englisch)
Weitere Quellen: Fotos sowie Schriften aus der Epoche - meist in englischer Sprache verfasst, VICE ist in diesem Punkt "NSFW", udn wurde daher nicht verlinkt.

Die Voyeure und Voyeurinnen der Züchtigungen

Männliche Voyeure als Zuschauer einer erotischen Züchtigung
In der erotischen Literaturfinden wir zahllose Beispiele, die von der Lust der Zuschauer an extremen erotischen Szenen berichten. Die kürzlich verstorbene Autorin Almudena Grades schrieb das gesamte erste Kapitel ihres Debutromans „Lulu“ aus der Sicht einer Voyeurin. Dabei schildert die Heldin ihre Faszination, aber auch ihre Widerstände gegen das, was sie sieht. Besonders interessant ist diese Stelle:

Ich war nicht einmal fähig, Mitleid zu empfinden, obwohl ich allmählich überzeugt war, dass es für ihn sehr schmerzhaft sein musste. Er wir bestraft, dachte ich, genauso willkürlich, wie sie ihn vorher belohnt hatten. Das war nur recht und billig.

Die Szene, die dort geschildert wird, ist realistisch, aber sie stammt nicht aus dem „wirklichen Leben“, sondern wurde für die Liebhaber von Analverkehr und seinen Varianten produziert. Doch auch reale Szenen, bei denen die Erzählerin oder der Erzähler zunächst oder ausschließlich als Voyeurin/Voyeur auftritt, sind bedeutende Teil der erotischen Literatur.

Wozu braucht ein Buch eine Figur als Voyeur(in)?


Warum werden solche voyeuristischen Szenen in Novellen und Romane eingebaut?

Die „heimliche Betrachtung“ ermöglicht den Leserinnen und Lesern, die Position der Distanz einzunehmen. Zwar gilt auch das „Zuschauen“ bei sexuellen Handlungen und erotischen Züchtigungen als „unethisch“, aber die meisten Leserinnen und Leser fallen gerne auf diese Rolle zurück. Die lüsterne Figur im Buch hilft ihnen dabei. Denn die Voyeurin kann sich sowohl empören wie auch in die Lust hineinreißen lassen, und weil das so ist, wird sie zur Leitfigur für eigene Gedanken. Besonders interessant ist natürlich, wenn diese Figur zunächst Scham und Abscheu empfindet, sich dann aber immer mehr auf die Lust am Geschehen einlässt. Als Vorbild dienen oft viktorianische erotische Roman, in dem die noch naive männliche oder weibliche Figur zunächst befremdet ist, dann aber der eigenen Neugier folgt. Das Interesse mündet bald in eine erotische Erregung, aufgrund derer dann die Hand oder der Finger aktiviert wird.
"Die Voyeure und Voyeurinnen der Züchtigungen " vollständig lesen

Die prickelnde Mischung aus Faszination und Abscheu

Das Erschauern im Foltermusum
Der Ursprung der Faszination, Lust und Qual der Geißelungen, Folterungen und heftigen Körperstrafen liegt offenbar in der Religion. Wir sprechen von den Geißlern – und ihre wahre Welt erschließt sich heute für niemandem mehr. Dennoch finden wir in ihr den Ursprung anderer Bewegungen und Ideologien, die extrem schmerzhafte Schläge auf den Körper als Ausdruck eines frommen und züchtigen Lebens ansehen. Viele Gläubige dachten, sie würden eine „innere Reinigung“ durchleben und „das Böse“ in sich abtöten. Zitat: (1):

Wären der gesamten Fastenzeit begaben sich die Schwestern nach der Matutin (2) in den Kapitelsaal … wo sie ihren Körper mit den verschiedensten Geißeinstrumenten aufs Heftigste traktierten, bis das Blut floss, sodass der Klang der Peitschenhiebe durch ganze Klöster hallte.

Diese Aussagen entstammen zwar einem modernen Werk, sind aber ausreichend historisch belegt, und die Faszination von Verzückung, Nacktheit und Schmerz, der bis zur Selbstaufgabe reichte, ebenfalls. (3)

Sich selbst zu geißeln, war eine Sache – aus religiösen Gründen gegeißelt zu werden eine andere. Doch wie wir die Sache auch drehen – der Schmerz kam nie allein, denn die Körperchemie funktionierte im Mittelalter nicht anders als in der Neuzeit.

Wenn Geißelungen etwas „Gutes“ war, warum sollten dann Geständnisse unter der Folter oder strenge Körperstrafen an Domestiken etwas Schlechtes sein?

Auf diesem Gebäude ließ sich eine Ideologie errichten, und viele folgten diesem Irrweg.

Geißelungen, Folterungen und Körperstrafen aller Art

Während sich die Geißler weitgehend aus Mönchen und Nonnen zusammensetzten, konnten Folter, Auspeitschungen und Rutenschläge jeden treffen.

Über die Folter lesen wir in den Themenblättern zum Unterricht No. 45:

Mit der Übernahme (des römischen Rechts durch die christlichen Staaten des Mittelalters fand die Folter zuerst Eingang in die Ketzer- und Hexenprozesse, wo sie als wichtiges Instrument im Kampf gegen den Satan angesehen wurde. Da Maß und Umgang nicht generell festgelegt waren, kam es zu einer ungeheuren Ausdehnung der Folter.

Wenn man „den Satan“ durch „das Böse“ ersetzt, ergibt sich daraus auch die angebliche Notwendigkeit der Körperstrafe. Dabei handelte es sich ja nicht nur um „Abgeltung der Untaten“, sondern auch um den Versuch, das „Böse“ aus den Menschen herauszutreiben. Vor allem aus Untergebenen und Schwachen. Also aus Nebenbuhlerinnen, Domestiken und – leider mit großer Selbstverständlichkeit – auch aus Kindern.

Wie das Böse in die Welt kam und sich leibhaftig der Ketzer, Hexen, Domestiken und Kinder bediente - das liegt tief in der Geschichte der Kirche begründet. Also jener Institution, die sich bis heute bemüht, ihre Hände in Unschuld zu waschen.

Die Lust an der Pein in der erotischen Literatur bis heute

Faszination und Abscheu gehen seither eine Verbindung ein, die besonders in der viktorianischen Zeit vielfach zelebriert wurde, freilich abgemildert und mit starken Anklängen an die Sinneslust. In dieser Zeit finden wir nahezu alles wieder, was uns zuvor unter die Augen kam.


1. Rituelle Nacktheit.
2. Gleichgeschlechtliche Rituale mit Schlägen aller Art.
3. Die Lust, jemanden zu züchtigen.
4. Die Wonne daran, geschlagen zu werden.
5. Die Faszination, dabei zuzusehen.
6. Schmerz und Wonne im Mix.
7. Sinnliche Erfahrungen im Anschluss.

Niemand wir diese Schilderungen für „die Realität“ halten – aber die vielen neuen sinnlich-erotischen Wellen, die dieser Zeit folgten, verwenden immer wieder das gleiche Muster. Es muss also nach wie vor „unter die Haut“ gehen.


Schläge - eine Reinigung der Sinne?

Es wird niemals ganz klar werden, worin die Faszination liegt, sich zu geißeln oder gezüchtigt zu werden. Manche sprechen von einer „Reinigung“ der Sinne, einer Klärung der Emotionen. Der Schmerz selbst, die Entspannung danach oder die dann und wann aufkommende Geschlechtslust werden wohl gelegentlich erwähnt – doch das Thema wird genauso oft verschwiegen.

Foltermuseen und Folterszenen

Was der Anblick Folterinstrumenten oder mittelalterlichen Kerkern auslöst, ist genauso schwer zu beschreiben. Manchem sagen sie gar nichts, während sich andere in die Rolle der Opfer versetzen und sich fürchten. Und solange sich dergleichen noch „sportiv anfühlt“, können sich manche Menschen eben auch vorstellen, den eigenen Körper einer entsprechenden Belastung auszusetzen – spielerisch, versteht sich.

Und im Spielfilm? Vor Jahren war es noch üblich, in Kriminal- Abenteuer- und Spionagefilmen Damen in dürftiger oder zerfetzter Bekleidung zu zeigen, die der Folter anheimfielen – in den letzten Jahren sind es aber durchaus Männer. Immer wieder gibt es jene, die dann die Augen schließen und den Ton (soweit möglich) abschalten, aber eben auch jene, die verzückt zusehen. Hauptsache Heldin oder Held überleben.

Sichtweisen, Realität und Pornografie

Was heute als Vergnügen übrigblieb, wurde von vornherein mit dem Geruch von Schwefel versehen. Mal wurden die Menschen als „pervers“ angesehen, die Schmerzlüste praktizierten, dann wieder als „Patienten“, die davon befreit werden mussten. Feministinnen glauben zu wissen, dass in den heutigen S/M-Paarungen vor allem Frauen in solchen Beziehungen „unterworfenen und gedemütigt“ werden. (4) Offenbar verwechseln sie dabei die Pornografie, die in der Tat solche Tendenzen kennt, mit der Realität.

(1) Lob der Peitsche", München 2001.
(2) Matutin – Gebet, das zwischen Mitternacht und morgen vollzogen wird).

(3) Es gibt entsprechende Bilder entblößter Nonnen aus dem 15. Jahrhundert.
(4) wir verwendeten sinngemäß eine Aussage von Gigi Halder aus der "Wienerin"