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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Sind Online-Dater „Psychopathen“?

Partnersuchende online - Seelenlose, selbstbezogene psychische Wracks?
Wenige Probanden, viele Vermutungen und spektakulär aufgemachte Ergebnisse - das ist die Masche, die bei vielen „wissenschaftlichen“ Veröffentlichungen verwendet wird.

Diesmal waren es Wissenschaftler aus Linz, die ein dreiwöchiges Experiment an 555 erwachsenen Personen durchführten. Man untersuchte ihr Verhalten an Smartphones unter Einbeziehung von Dating-Apps und baten die Teilnehmer zusätzlich, an zwei Tests teilzunehmen. Einmal unterwarfen sie sich den „Big Five“, der vielfach auch von Online-Dating-Firmen verwendet wurde. Dann aber auch einem Test auf die „Dark Traits“, also Eigenschaften, die von Psychologen negativ bewertet werden.

Ihr Ergebnis vorab, so wie es in die Presse kam (Forbes):

Bei emotional weniger stabilen Personen war die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie Dating-Apps verwendeten.

Was heißt das für Dich, wenn du Dating-Apps benutzt?

So gut wie gar nichts. Wer einen Partner sucht, muss seine Persönlichkeit zwangsläufig in den Vordergrund stellen. Und er benutzt dazu, wie die meisten Säugetiere, oftmals eine übertriebene Werbung, die imponieren soll. Der/die Partnersuche steht dabei in Konkurrenz zu vielen anderen. Dabei ist auch klar, dass er/sie „nicht teilen“ will – seine/ihre soziale Aufgabe sieht er/sie darin, den Partner „für sich selbst“ zu finden, und dies höchst eigennützig.

Eigennutz und Gemeinnutz bei der Partnersuche

Wer aus Eigennutz, zum Beispiel aus Fortpflanzungswillen handelt, kann, unabhängig von den Methoden, mit denen er/sie sucht, durchaus als „sozialverträglicher Mensch“ angesehen werden. Sobald Eigennutz auch der Gesellschaft zugutekommt, verliert das Wort seinen bösen Beiklang. Und: Sind sich „Wissenschaftler“ eigentlich klar, dass sich Partnersuchende (aber auch nach simpler sexueller Befriedigung Suchende) in Ausnahmesituationen befinden, die eben nicht der „Alltagsnormalität“ entsprechen? Offensichtlich nicht.

Zwischenbilanz - keine schlüssigen Beweise für "emotionale Instabilität"

Für diejenigen die nicht weiterlesen wollen, weil sie Details hassen:

Die Forschung hat keinesfalls den Beweis erbracht, dass Benutzer von Dating-Apps Psychopathen sind - und auch nicht, dass sie emotional generell weniger stabil sind.
Haben Dating-App-Nutzer eine „dunkle Seite“?

Wurde dies in der „Forschung“ berücksichtigt? Schauen wir einmal hin (Achtung, es wird ausführlicher).

Die größten Differenzen wollen die Linzer Forscher beim Test auf „Dark Traits“ festgestellt haben. Dazu gehören drei Eigenschaften, die neuerdings (seit 2001) als „Dunkle Seiten“ der Persönlichkeit bezeichnet wurden Untersucht. Und in der Tat klingen diese drei Eigenschaften furchterregend:

1. Narzissmus (Selbstsucht)
2. Machiavellismus (Durchsetzen der eigenen Vorstellungen)
3. Psychopathie (Sozialverweigerung)

Doch was ist wahr an den „Dunklen Persönlichkeitseigenschaften?“ Sind sie wirklich so dunkel? Und wer behauptet das?

Narzissmus

Narzissmus ist ein psychologisch-populistisches Modewort. Für die Psychologie „hoffähig“ gemacht wurde es 1909 von Sigmund Freud – allerdings fehlt bis heute eine exakte Definition. Der Fluch, „Narzisst“ zu sein, kann heute jeden treffen, der nach Selbstverwirklichung strebt. Wer sein Prestige und seinen Status im Auge hat, gilt bereits als „Narzisst“, auch wenn sein Hauptaugenmerk auf andere Werte fällt.

Machiavellismus

Der Machiavellismus ist ein Begriff, der auf Niccolò Machiavelli zurückgeht – in die Psychologie eingeführt wurde er erst 1970. Dabei geht es um Methoden, den eigenen Willen durchzusetzen, auch dann, wenn ere gängigen Moralvorstellungen widerspricht. Ob es überhaupt ein „Persönlichkeitsmerkmal“ ist, darf bezweifelt werden – belegt ist der Begriff äußerst schwach. Jeder, der seine Interessen anders durchsetzen will, als sie „offen auf dem Tisch auszubreiten“ kann psychologisch des Machiavellismus bezichtigt werden.

Psychopathie

Deutlicher als andere Begriffe ist die Psychopathie definiert. Psychopathie ist eine besondere Form des Eigensinns, die nicht mit den Gesetzmäßigkeiten der Gesellschaft konform läuft. In die Psychologie eingeführt wurde der Begriff 1941, und es handelt sich tatsächlich um eine Persönlichkeitsstörung, die relativ genau beschrieben wurde. Der Begriff wird zumeist mit kriminellen Personen in Verbindung gebracht, die der Gesellschaft Schaden zufügen. Bevor man diesen Begriff leichtfertig verwendet, sollte man sich gründlich überlegen, was man da behauptet - auch unter Psychologen. Deutliche Rücksichtslosigkeit und Brutalität gegenüber anderen sind die Hauptkriterien.

Dark Triades - hoffähig gemachter Behauptungsmix

Wie schon gesagt, wurden die drei angeblichen oder tatsächlichen „Persönlichkeitseigenschaften“ wurden erst 2002 wissenschaftlich „hoffähig“ gemacht und sie werden unter dem Namen „Dunkler Dreiklang“ oder „Dark Triade“ verbreitet. Sie zusammenzufassen und als Bewertungskriterien für Menschen zu veröffentlichen, ist an sich schon ein frecher Übergriff auf das Menschsein und die Definitionsmacht des Individuums.

Wer vertraut eigentlich noch der Psychologie?

Und daher: Die Forschung an Partnersuchenden, wie sie von den Linzer Forschern betrieben wurde, ist nicht geeignet, das Vertrauen in die Wissenschaft der Psychologie zu stärken. Wobei ich mich frage: Warum kommt die Kritik nicht aus der Wissenschaft selbst?

Und damit verlasse ich das Thema.

Quellen (außer Forbes, wies schon genannt)

Wikipedia, überwiegend aus der englischen Version.
Psychology Today
Zur Studie: How bright and dark personality traits predict dating app behavior.

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