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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Die Shades of Grey und die Kasperköpfe

Nehmen wir einmal an, es gäbe eine Realität. Nun gibt es Menschen, Schriftsteller genannt, die sich damit nicht abfinden wollen. Sie verändern also die Realität – zumeist so, dass sie das viele Beiwerk, das uns täglich stört, radikal ausmerzen und auf einen Kern reduzieren, den sie Handlung nennen.

Natürlich ist ein Leben mehr als diese eine, schnöde Handlung, aber das stört keinen Menschen – jedenfalls keinen Schriftsteller und auch nur wenige Leser. Heutige Menschen lesen Bücher zur Unterhaltung – nicht, weil sie klüger werden wollen und sich und andere besser verstehen möchten.

Sensationelle Elemente, die isoliert gesehen völlig sinnlos sind

Die Menschen lesen nun also ein Buch mit einer reduzierten Handlung und finden darin Elemente, die sie noch nicht kannten. Ja, ich muss noch einmal von „50 Shades of Grey sprechen“. Vielleicht stößt die Handlung die Leser(innen) ab, aber vielleicht sind sie auch fasziniert davon. Sie vergessen schnell, dass ein Buch eine Kopfgeburt ist und nehmen das, was sie lesen, für bare Münze und sehe nun darin entweder das Verderben der Gesellschaft oder aber eine Chance für sich selbst.

Die Windmühlen und die Ritter von der Moralfront

Nun beginnt etwas Merkwürdiges: Ein Teil der Leserinnen und Leser bekämpft die Haltung, die sie aus der Handlung entnehmen. Ein anderer Teil versucht, gerade dieser Handlung zu folgen, so, als wäre das Gelesene eine Art Lehrbuch. Beide erkennen nicht, dass sie der Autorin auf den Leim gegangen sind: Diese Handlung konnte so gar nicht stattfinden, und sie enthält auch keine Botschaft.

Be der Moral mischen sich Leute gerne ein, die den Mund halten sollten

Mit anderen Worten: Wenn Sie einen Western lesen, reiten sie nicht durch die Prärie und schießen nicht auf die Schurken. Sie sehen ihnen nur zu, wie sie da reiten und schießen. Wenn Sie einen Krimi lesen, tragen sie keinen Trenchcoat und keine Schlägermütze. Sie ermitteln weder noch morden Sie. Vielmehr sehen Sie zu, wie der Kommissar /die Kommissarin und sein/ihr in ewigen Konflikten befindlicher Gehilfe die bösen Buben jagen. Nur in der Welt des erotischen Romans (wenn er denn einer ist), da glauben plötzlich viele, den Finger strecken müssen: „Herr Lehrer, ich weiß was.“ Der Weltbild-Verlag hat es getan – er wusste, dass der Roman „50 Shades of Grey“ nicht dem „modernen Frauenbild“ entspricht. Andere sehen dies anders: Sie wollen dieses Frauenbild nun einmal endlich selbst ausprobieren. Die einen bekämpfen Windmühlenflügel, die anderen begeben sich in eine Windmühle, von deren Funktion sie überfordert sind.

Der Unsinn geht offenbar so weit, dass selbst Kritiker(innen), die mit Recht Szenen im Roman wegen einer höchst oberflächlichen, ja, beinahe dümmlichen Schilderung kritisieren, als „Bestandteile der Szene“ angesehen werden, nur weil sie die Handlung als zu wenig authentisch bezweifeln.

Nicht nachmachen - das Buch ist Makulatur für sinnliche Spiele

Zu einem Teil der Handlung möchte sagen: Um Himmels willen versuchen sie das bitte nicht zu Hause – und schon gar nicht mit Ihrem Partner. Offenbar ist dies aber alles vergeblich. Liebeskugeln, Lederschlägel und was sonst noch im Buch vorkommt, wird demnächst von zahllosen neugierigen Hausfrauen bestellt werden. Diesen Teil kann ich verstehen - es ist ein kleines, scheinheiliges Geschäft mit der Sehnsucht nach Lust. Warum sollte ich dagegen sein? Es gibt sinnreichere und effektivere Vaginalstimulationen als Liebeskugeln, doch die Hype erfordert eben, dass sie mit dem Buch populär werden.

Falsche Realitäten gegen falsche Realitäten - ein Kasperletheater

Neulich las ich, es sei pervers, wenn die Realität beginnt, das Internet zu imitieren. Noch perverser ist es freilich, wenn die Autorin von „50 Shades of Grey“ gar nichts verstanden hat, und das, was sie nicht verstandene hat, noch massenhaft verbreitet. Und falls es noch eine Steigerung davon gibt: Am perversesten ist die Sache dann, wenn Menschen daraus eine Moralkeule zimmern wollen.

Was da gerade in der Kulturszene passiert, ist nichts als ein dümmliches Kaspertheater, in dem falsche Realitäten gegeneinander ausgespielt werden. Nur, dass die meisten dieser Kasperköpfe den Namen „Intellektuelle“ vor sich hertragen. Schade, wirklich schade.

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