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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Sexualität - Psychoanalyse als Kirche Nummer zwei?

Wie die katholische Presseagentur Österreichs meldete, habe die 65-jährige Psychoanalytikerin Rotraud Perner die angeblich „umfassende Kommerzialisierung von Sexualität“ beklagt. Wie Frau Penner im Kirchgen-Magazin „inpuncto“ sagte, sei „die derzeitige gesellschaftliche Position zur Sexualität zu freizügig, einseitig und entwicklungshemmend.“ Was sie vermisse, sei eine "spirituelle, ja sakramentale Dimension".

Ach, wie interessant, nicht wahr? Da die Kirche die „spirituelle“ Dimension der Sexualität, zu der sie im Grunde genommen nie etwas zu sagen hatte, nunmehr offenbar ganz verspielt hat, steht schon eine Psychotherapeutin vor der Tür und beansprucht ihrerseits das Definitionsrecht an der menschlichen Sexualität.

Fragt sich, was schlimmer ist: die Übergriffe der Kirche auf die Sexualmoral oder die Übergriffe der Psychotherapie. Wir neigen dazu, zu sagen: Jeder, der sich der Definition der menschlichen Liebe bemächtigt, hat bereits einen Schritt zu viel gewagt – und das mit der „Kommerzialisierung“ sehen offenbar immer diejenigen, die gerade nicht verliebt sind – oder würde ein einziger Liebender von der „Kommerzialisierung“ seiner Sexualität sprechen?

Machen wir uns nichts vor: Sexualität wird kommerzialisiert – übrigens bereits seit der Erfindung mittelalterlicher Badehäuser. Aber interessiert dies die Liebenden wirklich? Und wieso meldet sich dazu eine Psychotherapeutin?

Liebe – Absauger, Spender und Femmes fatales

femme fatale

Ein stabiler Mitmensch zeichnet sich vor allem dadurch aus, seinen Emotionshaushalt immer halbwegs in Ordnung zu halten. Hat man zu viel Gefühle, die hinaus wollen, so gibt man sie an die Umgebung so ab, dass niemand eine unverträgliche Überdosis bekommt. Hat man hingegen zu wenig, so versucht man eine Quelle anzuzapfen, die üblicherweise gerne ein wenig davon abgibt. Nur in der Liebe bricht zuweilen das Gefühlschaos aus – aber selbst diesen Ausnahmezustand der Natur können Menschen üblicherweise beherrschen.

Leider sind dazu nicht alle Menschen in der Lage. Mögen die allzu großzügigen Spender von Emotionen auch manchmal Unbehagen auslösen, so sind die eigentlich lästigen Mitmenschen die Sauger. Sie kommen, saugen und gehen und sagen deinen Freunden und Dir, du hättest noch lange nicht genug gegeben. Sie flehen, betteln und drohen, wenn du ihnen nicht sofort alles gibst, was sie gerade an Liebe benötigen.

Die weiblichen Exemplare der Gattung nennt man nicht ohne Grund „Vamp“ – Vampire also, Emotionssauger, Blutsauger, Gefühls-Abzocker. Früher nannte man sie auch „Femmes fatales“, eine Art von Frauen, denen man sich besser nicht nähern sollte, weil sei einen unheilvollen Einfluss auf die Männer hatten. Eigentlich sind die Femmes fatales nicht einmal Abzocker – sie tauschen ihre erotisch motivierende Gesellschaft gegen echte Gefühle, die ihnen entgegengebracht werden. Das alleine aber macht noch keine wirkliche „Femme fatale“ aus, denn auf diesen Tausch verstehen sich viele Frauen. Doch während „ganz normale Frauen“ die Kannen niemals leersaugen, die Liebe, Ansehen und gelegentlich auch ein neues Kleid garantieren, saugt die Femme fatale alles an Gefühlen ab, was verfügbar ist. Sie ist maßlos – und wenn sie alles aufgesaugt hat, was sie an Emotionen eines Menschen aufnehmen konnte, dann steigt sie über die Gefühlsleiche hinweg und sucht sich neue Opfer.

Wer einmal einem Menschen begegnet ist, der Gefühle absaugt und nie genug davon bekommt, weiß in den meisten Fällen, dass diese Menschen eine gewisse Faszination ausstrahlen, eine erotische Kraft, die unmittelbar unter die Haut geht. Es ist eine Mixtur aus vermeintlicher Stärke der Persönlichkeit, die in Wahrheit nur ein starkes Gerüst ist, und der erbärmlichen Schwäche, von den Emotionen anderer leben zu müssen.

Angesehen oder anerkannt sind sie kaum, die Blutsaugerinnen und Blutsauger. Das liegt zum Teil daran, dass sie oft gar nichts zum Tauschen haben: Nicht jeder Mensch, der sich von Emotionen andere nährt, ist eine erotisch interessante Persönlichkeit. Doch auch diejenigen, die ihre erotische Anwesenheit gegen echte Gefühle tauschen, werden schnell als Falschmünzer enttarnt: Sie können sich die angebliche erotische Kraft, die von ihnen ausgeht, anziehen und ausziehen wie ein Kleid: Sieht man sie des Nachts alleine in der Single-Wonung sitzen, verfallen sie oft wie Dracula im Sarg: Jede Faszination ist von ihnen gewichen.

Man wird selten zum Opfer eines Emotionsabsaugers, wenn man sich selbst und den Diebinnen und Dieben der Gefühle klare Grenzen setzt. Es ist besser, als „hartherzig“ angesehen zu werden, als eines Tages emotional am Boden zu liegen. Die Absaugerinnen und Absauger arbeiten so gut wie alle nach der Salami-Taktik: Gibt man ihnen eine kleine Scheibe, dann nehmen sie nach und nach die ganze Wurst. Wichtig ist aber auch, nicht nach den Lüsten zu gieren, die sie im Austausch anbieten, denn auch hier besteht sozusagen eine „umgekehrte Salamitaktik“: Erst großzügig geben, dann immer mehr einschränken.

Die Femme fatale und ihre Schwestern und Brüder sind eigentlich armselige, hilfebedürftige Menschen – aber auch Hilfe lässt sich „absaugen“. Helfer sind daher in Gefahr, selber hilflos zu werden, wenn sie einer Femme fatale helfen wollen.

Titelbild von © 2009 Sabrina Campagna




Was bedeutet eigentlich „Emotionshaushalt“?

Das Wort „Emotionshaushalt“ ist in der Bevölkerung unbeliebt, weil nach dem romantisch geprägten, und damit verniedlichenden Menschenbild die Gefühle nicht in den Bereich der Wirtschaft gehören. Deswegen wird auch der Begriff „Ökonomie der Gefühle“ gehasst.

All dies führt zu einer völlig sinnentleerten, akademischen und teilweise romantisch verklärten Diskussion darüber, ob man Gefühle in der Gesellschaft „einsetzen“ darf wie Geldscheine oder ob sie einen „höheren Wert“ haben.

Die gesamte Diskussion, wie sie heute geführt wird, ist ein Beispiel dafür, was falsch läuft: die Formel „Bewertung vor Information“ ist eine Volkskrankheit der Stammtische, die allerdings mehr als verbreitet ist und von der auch angeblich intellektuelle Autoren bisweilen erfasst werden.

Die „Ökonomie der Gefühle“ ist vielmehr die Grundlage des sozialen Zusammenlebens und einer der wichtigsten Säulen psychischer Gesundheit. Ein ökonomisch sinnvolles Gefühlsleben erlaubt es, Friede mit sich selbst, dem Lebenspartner, den Kollegen und dem gesamten Volk zu finden. Es gestattet aber auch, diese Gefühlsleben zu erweitern, Ausnahmesituationen zu gestatten und zu bewältigen und sich dynamisch zu entwickeln. Ein von vornherein unökonomisches Gefühlsleben hingegen kennt keinen „Normalzustand“, sondern ist ständig im „Ausnahmezustand“. Typisch für ein solches Gefühlsleben ist die suchtähnliche Begierde nach Liebe und Leidenschaft sowie die Begierde, ständig neue Sensationen aller Art erleben zu wollen.

So gesehen dürfte sich die Bewertung eines ausgewogenen „Emotionshaushalts“ ändern. Zwei Tatsachen sollte man dabei im Auge behalten. Erstens: Das biochemische Repertoire des Körpers, das unsere Emotionen wesentlich beeinflusst, setzt auf Ausgleich und nur in Ausnahmesituationen auf ein Überschwappen der Gefühle. Zweitens: Das Gegenteil emotionaler Ökonomie ist die Abhängigkeit von Emotionen, die man auch als „Sucht nach Emotionen“ bezeichnen könnte.

Wer als Autor die Ökonomie der Gefühle verteufelt, sollte sich scharf überlegen, wem er damit einen Dienst erweist.
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