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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Sex-Fantasien: Soll man sie seinem Partner erzählen?

Wer von uns die Fantasie hatte, als Schneewittchen im Prinzenbett zu warten, was wohl daran sein mochte an diesem merkwürdigen Dingen, die in der Hochzeitsnacht passieren, der hat als erwachsene Frau auch erotische Fantasien. Behaupte ich mal. Es wär' doch wirklich saublöd, wenn wir, denen immer eine kleine Geschichte zu allem einfällt, ausrechnet keine sexuellen Fantasien haben würden, oder? Also, ich sag euch mal auf den Kopf zu, dass zwei von Dreien von euch solche Fantasien haben. Na ja, und die lebt man natürlich nicht aus, sondern seufzt sie mal vor dem schlafen gehen ab. Oder macht ihr das vielleicht anders?

Ja, da ist nur die Frage, meine Lieben: erzählt man davon auch seinem neuen Lover oder gar dem „Zukünftigen“?

Ich bin ja mal gespannt, ob jemand von euch das Mündchen aufkriegt.

In der erotischen Fantasie schwelgen

die fantasie erlaubt alles - die realität ist oft kalt


Die erotische Novelle hat derzeit einen schweren Stand. Sie war einst die im obersten Bücherregal in der zweiten, verborgenen Reihe vor sich verstaubende Literatur, die man heimlich las. Ob das Blut dabei in die Genitalien oder in den Kopf schoss, sodass einem ganz mulmig wurde, mag individuell unterschiedlich gewesen sein – die Faszination jedoch betraf so gut wie alle Leser. Es ist amüsant zu erfahren, dass bereits gegen 1900 verschiedentlich davon berichtet wurde, dass junge Mädchen aus besten Kreisen solche Novellen lasen - man führte sogar den damals angeblich einsetzenden „Sittenverfall“ der Frauen auf derartige Literatur zurück.

Selbst der Psychiater August Forel kann nicht umhin, die Faszination zu beschreiben, die vorn erotischen Büchern ausging. Er schrieb 1905 innerhalb eines Artikels über den Masochismus:

Es ist wunderbar zu sehen, wie sich beim Masochisten poetisch-romantische und sexuelle Vorstellungen verweben, indem er sich die Idealgestalt eines herrischen und grausamen Weibes zusammenträumt, der er sich in schwärmerischer Neigung und anbetender Demut sich ergeben denkt.


In der Fantasie schwelgen, sich in die Rollen hineindenken, sie beinahe körperlich erleben – das war es, was Leserinnen und Leser faszinierte – und übrigens bis heute fasziniert. Es ist nicht die Literatur, die heute im Internet geboten wird, nicht jene, die pornografischen Filmen nachempfunden ist. Es ist vielmehr eine Welt, die in erster Linie das (damals wie heute) Unaussprechliche gezeigt wird:Menschen, die mit anderen Menschen in einer Weise umgehen, die zugleich fasziniert und abschreckt, und den Leser immer tiefer an die eigenen verbogenen Wünsche und Vorstellungen heranführt, die er dann wahlweise weiterträumen oder überblättern kann.

Eine erotische Literatur, die keine Grenzen überschreitet, wurde immer schnell langweilig. Was ich selber erleben kann, muss mir nicht geschildert werden – das ist so, wie in den romantischen Liebesromanen mit ihrer bürgerlichen Glitzerwelt und ihren Kitschdialogen auch. Deshalb handeln die Meisterwerke immer wieder von Überschreitungen: Eine Frau und ein Mann, die in einer soliden Beziehung gewöhnlichen Geschlechtsverkehr ausüben? Das ist kein Romanstoff, nicht wahr? Da muss mindestens eine der bürgerlichen Tabugrenzen überschritten werden: Neben dem „ersten Mal“ sind es andere Situationen, in denen sich Furcht mit Lust mischt – ein besonders häufig gebrauchtes Stilmittel in diesen Romanen. Grenzüberschreitungen können vielfältig sein, zum Beispiel hetero- oder bisexuelle Dreier, größere Orgien, Fesselungen, Flagellationen, Feminierungen und viele andere Varianten mehr.

Bei aller Faszination muss der erotische Roman einen Rest Realität beinhalten – mindestens soviel, dass der Leser sich noch in die Lage der Heldinnen und Helden hineinversetzen kann. Der Leser wünscht sich eine Einganssituation, die ihm „irgendwie bekannt“ vorkommt – insbesondere Frauen wollen so in den erotischen Roman eingeführt werden. Es sind oft Situationen, die man in der Realität „beinahe“ erlebt hätte, vor denen man sich aber fürchtete: Lesbische Verführungen sind ein beliebtes Thema in der erotischen Frauenliteratur, das Einlassen auf eine „Femme fatale“ ein Thema, das Männer niemals loslässt – und keinesfalls muss man Masochist dazu sein.

Der erotische Film kann diese Art von Literatur nicht ersetzen. Die Menschen wollen nicht wissen, wie „Emmanuelle“ oder „Viscount Ladywood“ aussehen, sie wollen sich in deren Rollen hereinträumen und den Liebhabern, Verführern und Peinigern selbst Gesichter geben. Dazu allerdings müssen sich die Autorinnen und Autoren mehr Mühe geben als die üblichen Internetschreiberinnen und Internetschreiber, die viel zu sehr an der Oberfläche bleiben. Insbesondere würde man sich wünschen, dass der Konflikt zwischen Furcht und Lust wirklich erkennbar wird. Den Beginn einer erotischen Entführung kann man nicht lediglich dadurch beschreiben, indem man sich mit einer Augenbinde versehen auf den Rücksitz eines Automobils setzt und die Tür zugeklappt wird. Erst, wenn man Mangels anderer Wahrnehmung den Geruch beschreibt, der von Mensch und Auto ausgeht, wenn man den Angstschweiß spürt und sich diese mit der Lust auf Liebesfreuden paart, wenn man also sozusagen „mit einsteigt“, wird der erotische Roman wirklich lebendig.

Meist ist es in der Erotik ja so: Alles, was mit dem bürgerlichen Stigma der „Perversionen“ behaftet ist, fasziniert die Menschen, und sie fantasieren darüber. Das Buch zeigt ihnen: „oh, andere haben auch schon darüber fantasiert – und das ist sehr anregend für mich“. Die Realität? Ach, die Realität. Sie ist kalt, grausam und gefährlich – und oft auch unbezahlbar. Mag es auch viele Männer geben, die hinausgehen, um sich für viel Geld wenige Stunden in einer Pappmaschee-Umgebung eine Show zu kaufen, innerhalb derer ihn eine wenig talentierte Schauspielerin grausamer Szenen quält? Und welche Frau will das Risiko eingehen, am Ende nicht mehr wirklich bestimmen zu können, was mit ihr geschieht?

Die Fantasie ist – bei allem Tadel, die wir als Autorinnen und Autoren, aber auch als Leserinnen und Leser einstecken müssen - eine Insel der seligen Wonne – und wenn wir unseren Roman weglegen, dann sind auch alle wilden Gelüste und bösen Buben wieder in der Kiste mit den Schokoladen-Keksen.

Bild: nach einer alten Fotografie, junge Frau, beim Lesen eines Buches errötend.