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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Sein oder nicht Sein: Wenn Männer Frauen spielen

eine süße frau, nicht wahr? allerdings ist "sie" ein mann


Manchmal sind sie Kultgestalten, manchmal Sektierer und gelegentlich Unterhaltungskünstler: Männer, die gelegentlich oder auch häufig in die Rolle von Frauen schlüpfen. Wenn sie nicht gerade Kultstatus haben, wie manche Travestiekünstler, dann werden sie verhöhnt und verlacht – aber gelegentlich auch heiß begehrt.

Viele Namen für die Gentlemen in Frauenkleidern - und alle klingen verächtlich

Man hat viele Namen für Sie, und jeder Name bedeutet eine neue Abwertung: Ladyboys heißen sie, wenn sie sich ganz und gar feminin geben, „Sissys“, wenn sie schüchtern versuchen, weibliche Attribute anzunehmen, und im Volk heißen sie abfällig „Transen“, egal, wer sie sind und was sie von sich selber denken.

Dabei sind die Übergänge zwischen einem Mann, der sehr gepflegt sein will, und einem Mann, der weiblich wirken will, durchaus fließend: Eine Zeit lang waren es die „Metrosexuellen“, die von sich reden machten, weil sie Lippen- Nagel- und Haupflege betrieben und sich auch die Brust- und Schamhaare entfernten. Andere lieben seidige Stoffe auf der Haut und tragen unter dem Nadelstreifenanzug durchaus auch mal Strapse, und wieder andere verwandeln sich an manchen Abende nach und nach in eine Frau und bewundern ihre weibliche Schönheit dann im Spiegel.

Das Spiel mit der Weiblichkeit: Kleider alleine reichen nicht aus

geschickt versteckt: der verräterische adamsapfel
Der Mann, der wirklich etwas hermachen will als Frau, muss viel lernen: Neben der Körperpflege und Kosmetik will vor allem das Sitzen, Gehen und Tanzen neu erlernt werden. Die Stimme muss eine Tonlage höher angesetzt werden, was mit dem Flüsterton leichter gelingt als mit der lauten Stimme, aber auch dies verlangt Übung. Schließlich muss auch die Kommunikation selbst feminisiert werden – gar nicht so einfach. Bevor man erproben kann, ob ein Gentleman in einer ganz normalen Bar den im sinnlichen Alt vorgetragenen Liebesschwüren eines Transvestiten verfällt, muss viel geübt werden, denn sowohl die Feinmotorik des Flirts wie auch die Tonlage bei der Ansprache muss stimmen. Wobei wir gleich erwähnen sollten: Das Spiel endet oft damit, dass der Transvestit durch die Hintertür verschwindet. Transvestit sein ist eine Sache – homosexuell zu sein eine andere.

Der schnelle innere Wandel - eben noch Frau, jetzt wieder Mann

Der Transvestit, mit dem ich mich vor Jahren traf, lange, bevor ich diesen Artikel schrieb, soll anonym bleiben. Er ist verheiratet und arbeitet in der Fotobranche, und er sieht nicht anders aus als viele junge Männer: Fast kahlköpfig, schlaksig, lässig, ganz der sanfte Kumpeltyp. Nur, wer genau hinsieht, bemerkt, dass er an Händen und Unterarmen völlig enthaart ist. Er geht an den Wohnzimmerschrank, holt ein paar Bilder und nichts deutet darauf hin, dass er jemals wie eine Frau gehen würde. Ein paar Tage später gehe ich mit ihm aus, er hängt sich bei mir ein, lächelt mich sanft an – wenn ich nicht wüsste, dass ich gestern mit ihm beim Abendessen gesessen hätte, würde ich ihn jetzt selbst für eine Frau halten. Nun ja, der Adamsapfel, der stört ein bisschen. Viele Transvestiten tragen deshalb auffälligen Halsschmuck, der den Adamsapfel verdecken soll. Wir parken in der Nähe eines Lokals, in dem nur Leute aus der Fetischszene verkehren, und mein Bekannter wird beim Einparken von einem Rüpel angemacht: „Ey, du blöde Tusse, beinahe hättest du meinen Rover gestreift – kannte nicht besser aufpassen?“ Erstes Zeichen dafür, dass er unter dem gewöhnlichen Volk als „doofes Weib“ durchgeht. Er lächelt mich bedeutungsvoll an: „Siehst du, wie es wirkt?“ Dann macht er einen graziösen Hüftschwung und geht nun mit mir in den Klub, in dem man sein Geheimnis kennt. Etwas Besonderes ist er „als Lady“ nicht: Hier ist jeder ein Vogel mit bunten Federn, der ein kleines Geheimnis hat.

Zwei Existenzen wohnen in einer Brust

Warum er das tut? Es gibt ihm die Möglichkeit, eine zweite Existenz zu leben … als Fotografin. Ob ich das schreiben darf? „Solange du nicht sagst, wo du mich getroffen hast und meinen Künstlernamen nicht erwähnst, sicher“. Ich verspreche es, und es bittet einen Freund, noch ein Foto von uns beiden zu machen, auf dem wir wie ein Liebespaar aussehen sollen, für das ich mir noch schnell eine verhüllende Gesichtsmaske geliehen habe. Man kann ja nie wissen, ob das Bild nicht doch „nach draußen“ gerät.

Auf der Rückfahrt werden seine Züge wieder männlich, seine Bewegungen kantiger – ja, er ist ein Mann in einem etwas nuttigen Frauenkleid, mehr nicht. „Wie schaffst du es bloß, jetzt wieder so schnell so zu sein, wie ich dich kenne?“, frage ich ihn. Er lächelt. „Schauspieler sind auf der Bühne auch plötzlich Schurken, oder etwa nicht?“ Er wollte offenbar, dass ich ihn einmal auf seiner Bühne sehe. Seither weiß ich, wie vorsichtig man mit seinem Urteil sein sollte, wenn man einen Menschen trifft, der anders ist als die anderen.

Titelbild: Nach einem Foto von Jimi Photog © 2010