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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Soll ich so werden, wir die anderen mich wollen?

wer bin ich? und will ich so sein?

Wenn ihr jemals in eine Selbsterfahrungsgruppe eintretet, dürft ihr eine Frage niemals stellen – nämlich die, was eigentlich Selbsterfahrung ist. Die Teilnehmer erklären sich das am liebsten immer so: „ich gehe in die Gruppe, weil ich wissen möchte, was andere über mich denken – da draußen sagt es mir ja keiner“, und der Leiter weiß dann noch dies: „Damit du dein inneres Selbst durch andere erfahren kannst und deinen verborgenen Gefühlen freien Lauf lassen kannst.“

Zu einem Teil führte dies dazu, dass die Teilnehmer nur noch wissen wollten, wie andere sie sahen, und sich daran zu orientieren begangen: „Wenn sich so werde, wie mich die anderen gerne hätten, dann hätte ich besser Chancen im Leben“.

Wissen andere besser, wer du bist, als du selbst es weißt?

Die Selbsterfahrungsgruppen der Vergangenheit sind Schnee von gestern, doch ausrutschen kann man auf der damaligen Philosophie noch immer: „Die anderen wissen besser, wer ich bin, als ich selbst“. Es ist gerade zwei Tage her, dass ich dies wieder lesen musste, und sinngemäß hieß es dort: „Mach einen Persönlichkeitstest, und sieh dir die Ergebnisse genau an: Dann wirst du mehr über dich selbst erfahren“. Damit mal gleich eines klar ist: Es war nicht einer der „üblichen Verdächtigen“ aus dem Sektenbereich. Alles war mit „richtiger“ Psychologie eingerahmt und wurde von einer großen deutschen Partneragentur veröffentlicht.

Ich denke, ihr seht die Gefahr, auch ohne dass ich es euch sage: ihr seid nicht auf der Welt, um so zu werden, wie die anderen Menschen euch gerne hätten – dann wäret ihr nichts als arme Sklavenseelen, die sich den Wünschen der anderen unterwerfen. Ihr seid auf der Welt, um eure eigenen Potenziale in diese Welt hinauszutragen, sie dort einzusetzen und zum Wohl aller zu verwirklichen.

Sich niemals mit Etiketten bepflastern lassen

Dabei wäre wohl noch zu sagen, wie dumm es wäre, sich den anderen anzupassen, weil man dann seinen größten Wert, die Individualität, verliert. Zudem wird unser Selbstkonzept ständig überpflastert: Wir werden mit Etiketten bepflastert, statt unsere Potenziale zu entwickeln und freizusetzen. Ob es den anderen gefällt? Ja, sind wir denn frei geboren worden, um dann in die Sklaverei zurückzufallen? Wollen wir wirklich „den anderen zu Gefallen“ so werden, wie sie uns gerne hätten?

Das bringt mich auf den nächsten Punkt: Die „Anderen“ gibt es gar nicht. Es gibt die Gesellschaft, deren Gruppen und schließlich die Einzelpersonen. Jede Gruppe und jede Person wünscht uns ein wenig in ihrem Sinne zu sehen, und im Lichte jeder Gruppe und jedes Individuums bedeuten wir etwas Anderes. In diesem Sinne erscheinen Begriffe wie „das Selbstbild“ oder „das Fremdbild“ wie Dinosaurier der Psychologie: Wir müssten eigentlich längst sagen: „Meine Selbstbilder“ und „ihre Fremdbilder“. Selbstbild und Fremdbild im Einklang? Ist das nicht eher eine märchenhafte Vorstellung als die Realität? Und selbst wenn es einmal so wäre, dass wir uns selbst so ganz anders sehen als die anderen – ja, dann ist e eben so. Solange ein Mensch damit leben kann, dass ihn die anderen so völlig anders sehen, als er selbst sich sieht, besteht nicht einmal eine Gefahr – die Gefahr entsteht erst, wenn er darunter leidet.

Psycho-Tests? Nein, lieber auf sich selbst vertrauen

Was ist, wenn der Mensch sein einen Partner sucht? Soll er dann wirklich auf das Urteil eines Psycho-Tests vertrauen? Oder sollte er etwa sein Selbstkonzept verändern, weil irgendein Test, der lediglich maschinell ausgewertet wurde, ein ungünstiges Ergebnis zeigt? Sollet er sich zum Sklaven der Psycho- oder Datingbranche degradieren? Oder sollte er nicht eher sagen: „Ja, ich bin so, wie ich bin, ich habe Ecken und Kanten, und wer mich verdammt noch mal so will, der bekommt mich – die anderen können mir gestohlen bleiben?“

Sich selbst verwirklichen - so lange dafür eine Chance besteht

Die wahre Welt des Menschlichen, der wahre Sinn der Begegnungen und das wahre Potenzial der Liebe zeigen sich nicht in Psycho-Tests, Partnerübereinstimmungstests, Matching-Punkten und andere Spielereien aus den Niederungen der Populärpsychologie. Er zeigt sich vielmehr darin, dass wir unser Selbstkonzept in die Welt, aber auch in die Beziehung hineintragen, und zwar so, wie wir selbst es sehen. Denn generell gilt: Wenn die eigene Vorstellung Chancen auf Verwirklichung hat, dann sollte man auch versuchen, sie durchzusetzen, ohne auf andere zu hören. Erst, wenn sich erweist, dass sie sich gar nicht durchsetzen lässt, sollte man Hilfe in Anspruch nehmen – aber dann bitte individuell, bei einem guten Berater oder Psychotherapeuten, und nicht mit Hilfe von Populärpsychologie.

Bild © 2010 by Amy