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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Fesseln und fesselnde Beziehungen

ein spiel daraus machen - das ist das ziel vieler paare


Eine „Fesselnde Beziehung“ ist normalerweise eine aufregende Beziehung. In der Sprache der Erotik-Anzeigen in Zeitungen und im Internet bedeutet der Begriff freilich etwas anderes: eine Beziehung, in der das Fesseln eine wichtige Rolle spielt - möglicherweise sogar die einzige Rolle.

Noch vor 50 Jaren waren „Fesselliebhaber“ so gut wie ausschließlich Männer mit einer kleinen Macke: Sie suchten entweder jene „fesselnden Beziehungen“ oder sie versuchten, naive junge Frauen dazu zu überreden, sich fesseln zu lassen. Besonders Letzteres brachte ihnen den Ruf rücksichtloser Sadisten ein, die sich am Leid der gefesselten Frauen ergötzten.

Die Filmbranche bediente die Salon-Sadisten

fast alle titel waren ähnlich: detektiv-storys
Die Filmbranche, stets ein Indiz für die geheimen Wünsche der Menschen, unterstützte den latenten Wunsch, Menschen zu sehen, die gefügig gemacht wurden. In Dutzenden von Kinofilmen wurden die Heldinnen und Helden gefesselt und malträtiert, wobei sich günstigerweise immer die Gelegenheit ergab, die Männer mir freiem Oberkörper zu zeigen und die Frauen in zerrissenen Kleidern, die ihr Hilflosigkeit noch unterstrichen. In den USA entstand ein ganzes Genre von Detektivgeschichten, deren Cover nur allzu häufig eine halb nackte, gefesselte Frau mit ängstlichem Blick zierte.

Wünsche nach Fesslungen verwirren die Moral

Doch es gibt eine andere Seite: Die Lust daran, gefesselt zu werden. Sie bringt uns in Erklärungsnot, denn wir sind allzeit geneigt, den fesselnden Menschen als Sadisten zu sehen und ihn wegen seiner perversen Lüste zu verachten, während wir den Gefesselten als Opfer ansehen und entsprechend bedauern. Denn wie sehr die Heldinnen und Helden in den Kinofilmen auch bedroht und malträtiert wurden: Am Ende siegten die Retter, und die Bösen mussten sterben. Doch, was geschieht, wenn sich die Rollen verändern? Was, wenn die Heldin oder der Held darum bittet, gefesselt zu werden?

Dann bekommt unsere Moral einen Riss. Solange wir jene, die sich unterwerfen wollten, noch als krankhaft abstempeln konnten und sie abwertend als „Masochisten“ etikettieren, war die Welt für uns ja in Ordnung. Wir konnten sie warnen, zum Psychotherapeuten oder Psychiater schicken. Doch was, wenn die Geliebte, Freundin oder Ehefrau eines Tages sagte: „Liebling, bitte fessele mich?“, und dies offenbar im Vollbesitz ihrer geistigen und seelischen Kräfte, mit glühenden Augen? Dann standen wir da, hilflos.

Ebenso hilflos fühlt sich offenbar ein WELT-Redakteur (es könnte sich auch um eine Redakteurin handeln) jedenfalls lesen wir:

Es macht doch niemandem Spaß, auf einen Partner zu starren, der mit Baumarkt-Schnüren an ein Eisenbett … geknüpft wurde. Da liegt er jetzt und windet sich, was fängt man mit ihm an?


Da haben wir sie in Reinkultur, die Hilflosigkeit. Wenn die Rollen nicht eindeutig sind, wenn Gut und Böse für den „braven Bürger“ nicht mehr trennbar ist, dann beginnt er zu stammeln, weil er die Welt nicht mehr versteht. Zudem sieht er sich plötzlich in einer ungewohnten, für ihn völlig unattraktiven Rolle, die ihn verwirrt.

In den Rollenspielen der Erwachsenen ist der Passive der König

Wie bei so gut wie allen sinnlich motivierten Rollenspielen der Erwachsenen, ist die passive Rolle inzwischen die bei weiten attraktivere Charge. Der Spieler, der sich fesseln lässt, wird dadurch wieder in die Kindheit zurückgeschickt, in der man keine Verantwortung für das trägt, was jetzt geschehen wird: Die Sinneslust wird von außen kommen, und man wird keine Verantwortung für das tragen, was nun geschieht, weil man sich ja ohnehin nicht mehr dagegen verwehren kann. Dies ist die Rolle, die dem gestressten, mit Verantwortung überladenen Erwachsenen die Möglichkeit gibt, restlos unverantwortlich zu handeln: „Ich bin gefesselt, und du kannst mit mir machen, was du willst“. Das ist natürlich keine Tatsache – man setzt vorher Grenzen. Vergessen wir nicht: Gefesselt sein ist, wie jedes andere sinnliche Rollenspiel, ein Spiel mit der Illusion.

Die Lust an einer sinnlicheren Welt

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere bedeutet für den passiven Partner auch dann einen Gewinn, wenn er kein typischer Rollenspieler ist: Wer sich fesseln und dabei die Augen verbinden lässt, taucht in eine völlig neue, sinnliche Welt ein, denn nun ist er bei Weitem sensibler für alle Empfindungen. Da er nicht sieht, was geschieht, versucht er es zu erahnen, schärft sein Gehör, um zu wissen was ihn erwartet und achten auf den Luftzug, der durch Bewegungen entsteht. Die Erfahrung, nicht zu wissen, was geschieht, und sanfte wie heftige Berührungen erst zu bemerken, wenn sie unmittelbar ausgeführt werden, ist das eigentlich Erregende an der Fesselung. Für den passiven Spieler gibt es dann nur eines: Möglichst tief einzutauchen in die Gefühle, die er in dieser Wiese sonst nicht erleben würde.

Habe ich den aktiven Spieler vergessen? Nein, keinesfalls. Es ist wohl richtig, dass er weniger sinnlichen Gewinn aus dem Spiel ziehen kann, doch er kann das Spiel aus Liebe betreiben – und statt Nutella, wie die WELT es so sagt, lässt sich durchaus Champagner aus der Grube des Buchnabels schlürfen.

Nun, und wer würde sich wohl schämen, ein liebevoller Rollenspieler zu sein? Die WELT meint: „Hinterher schämt man sich fast so sehr wie nach dem homosexuellen Seitensprung.“ Oh, hatte man hier etwa die Möglichkeit, beides zu vergleichen? Es liest sich beinahe so.

Zitate: DIE WELT.

Titelfoto © 2006 by foxtungue