„
Der Ton eines Tenorsaxofons geht den Frauen direkt in die Möse“, sagte mein Freund Eduardo immer, und der sollte es wissen, schließlich ist er Tenorsaxofonist. – und lässt nichts „anbrennen“, wie man so sagt.
Doch wie ist das wirklich?
Sagen wir es lieber gleich: Es wird nicht wirklich erforscht. Den Jungs und Mädels von der Forschung ist das alles viel zu peinlich. So bleibt denn alles bei Annahmen, und da gibt es einige:
1. Rauschhafte orgiastische Steigerung in der „Klassik“
Die sogenannte „Klassische Musik“ lebt vom Aufbau von großen Spannungsbögen, die häufig in einem orgiastischen Gewitter der als Lärminstrumente eingesetzten Trompeten, Hörnern, Posaunen, Tuben oder Schlagzeuge enden. Dazwischen verwenden die Komponisten erotische Komponenten der Solisten an „leisen“ Instrumenten, wie Flöten, Klarinetten und Violinen. Ein typisches Beispiel wäre Scheherazade (Opus 39) von Rimski-Korsakow: die Macht der See, die Brutalität des Sultans, und die sinnliche Stimme der Scheherazade, die durch eine sinnliche Violine wiedergegeben wird. Sinnliche Zuhörer und Zuhörerinnen berichten, dass ihnen diese Violinen „unter die Haut“ gehen und tatsächlich erotische Empfindungen produzieren. „Ich werde nicht feucht davon, aber es ist wie ein kleiner Stich in der Vagina“, sagt es eine junge Dame etwas errötend. Die Erotik, die von anderen Werken russischer Komponisten ausgeht, wie etwa von Tschaikowsky, ist ebenfalls bekannt. Es ist eigenartig, dass der „Klassiker“ der erotischen Orchestermusik, der Bolero von Ravel, nur von äußerst sensiblen (meist weiblichen) Klassik-Liebhabern als erotisch empfunden wird. „Du musst dich aufs Bett legen und die Instrumente auf dich einwirken lassen wie sanfte Hände und … und schließlich merkst du, wie die Musik deinen Orgasmus fordert“, behauptete die Klassik-Liebhaberin, die wir sprachen.
2. Blues und Balladen wühlen die Emotionen auf.
Nicht nur gesungene Blues und Balladen wühlen die Emotionen auf – auch instrumentale. Wieder ist offenbar eine sinnliche Liebe zur Musik nötig, um gerade bei instrumentalem Blues oder entsprechenden Balladen das erotische Verlangen anzufeuern. Im Jazz war es wohl Coleman Hawkins auf dem Tenorsaxofon, der die Frauen verrückt machte, aber auch Klarinettisten und Sopransaxofonisten hatten die Chance, allein durch das sinnliche Anblasen ihrer Instrumente zu den empfindsamen Stellen des Gehirns vorzudringen, in der die Lust haust. Bei Sängerinnen und Sängern gibt es viel intensivere Assoziationen, selbst dann, wenn man den Text nicht versteht. Harte Kerle mit rauchigen, verkommenen Stimmen, und sinnlich hauchende Sängerinnen sind immer ein Hochgenuss für die erotischen Gehörgänge von Frauen und Männern. Offenbar ist es dabei (im Gegensatz zur Flöte oder Violine) das „raue Ansprechen“ der Seele, die den besonderen Effekt auslöst.
3. Gitarrenmusik, Rock und Bässe - der Rhythmus ghet unter die Haut
Bei der Rockmusik und all ihren Verwandten kommen verschiedene Komponenten zusammen, von denen die wichtigste oft vergessen wird: Der schnelle Rhythmus, der ständig gleichmäßig auf die Haut „pocht“, ist eine Stimulanz ganz besonderer Art. Man kann ihm im Jazz, im Rock und sogar in der Gospelmusik erleben. Nicht von ungefähr werden die Gemeindemitglieder bei Gospel-Gottesdiensten ekstatisch. Die Verwandtschaft zwischen ekstatischer Religionsausübung, Rausch, Erotik und Musik sind unserm Kulturgeist befremdlich, unserem Gehirn aber bekannt. Der Sänger-Pianist und Saxofonspieler Ray Charles wurde nicht zuletzt deswegen angefeindet, weil er die Lust am ekstatischen Gospelgesang in eine rauchhaft-erotische Popmusikform umwandelte. In seinem bekanntesten Stück, What’d I say“ singt er mit der weiblichen Sängergruppe der Raelettes und dem Publikum ein ziemlich ordinäres Lied, das einen Orgasmus simuliert – lange vor Serge Gainsborough. Bei den heutigen Rockbands sind es übrigens vor allem die Elektrobässe, die durch die enorme Verstärkung des unteren Frequenzbereichs direkte Signale auf die Haut, und damit selbstverständlich auch auf die Genitalien senden. Es wird angenommen, dass es zu einem Rückkoppelungsprozess zwischen Haut und Hirn kommt, dass diese „Klopfsignale“ und die damit verbundene Durchblutung in sexuelle Stimulation umsetzt.
In einer etwas überheblichen wissenschaftlichen Arbeit schreibt die
Forscherin:
Diese hohen Schallpegel erzeugen als akustische Wahrnehmung über Vertäubung und sinnliche Abstumpfung eine annähernd narkotisierende bzw. berauschende Wirkung. Die wird vermutlich verstärkt durch Einwirkungen der Schallschwingungen auf das Körpergewebe. Eine sexuelle Erregung durch die Vibrationen ist nicht auszuschließen.
Besonders intensiv ist diese Stimulation im Bereich der Lautsprecher bei Beschallungen im Freien. Eine Fotografin einer süddeutschen Tageszeitung sagte uns, sie spüre diese Vibrationen körperlich so stark, dass sie sich nicht lange in der Nähe der Lautsprecher aufhalten könne. Sie würde zwar sexuell stimuliert, wenn sie sich an die Boxen anlehne, doch sei die Belastung des Brustkorbs durch die Vibrationen ungleich größer. Wahrscheinlich sei sie deshalb nie zum Orgasmus gekommen.
Experimente und direkte Lustansprache
Man hat versucht, die Frequenzen zu finden, die eine besonders starke sexuelle Stimulation hervorrufen, uns man glaubt, sie im Bereich von unter 100 Hertz (Schwingungen pro Sekunde) zu finden. Diese Töne kommen in der Musik gar nicht so häufig vor, wie man denkt. Die Instrumente werden in der klassischen Musik in der Regel als „Kontra“, gefolgt von der Instrumentenbezeichnung, beschrieben, jedoch können auch manche Schlagzeuge und Bassgitarren diese Töne erzeugen. Dabei gab es allerdings keine konkreteren Ergebnisse als solche, die man auch mit Vibratoren (übliche Vibratoren benutzen einen Extender-Motor) zur Stimulation erzeugen kann. Zwar wurden für Computer auch bereits Vibratoren entwickelt, die auf Schallbasis vibrieren, jedoch kommt es hier ebenso zu technischen wie zu musikalischen Problemen. Tiefe Frequenzen, besonders solche im Bereich zwischen 40 und 60 Hertz, kommen, wie erwähnt, in der Musik kaum vor, und der Bereich oberhalb von 120 Hertz eignet sich kaum noch als Vibration.
Musik bleibt als erotische Stimulation rätselhaft
Ob Klassik. Jazz oder Pop, Stimmen oder Instrumentalmusik – was wirklich direkt „in die Möse geht“, wie mein Freund behauptete, ist nicht sicher. Klar ist allerdings, dass alles, was Lust macht, was Räusche erzeugt oder sinnliches Verlangen, erst einmal über das Hirn muss, bevor es erhebliche Konsequenzen auf die Erfüllung der Lustträume hat. Dazu schreib jüngst
eine Autorin:
Viel zu entscheidend ist der Einfluss sexueller Vorlieben und des individuellen Musikgeschmacks. Was den einen vollkommen elektrisiert, kann dem Nächsten schon albern erscheinen. Ausschlaggebend dafür ist neben dem Stimmklang … vor allem die Musik an sich – ein subjektiv empfundenes Zusammenspiel akustischer Reize.
Was wir hier noch nicht berücksichtigt haben, ist der Tanz, der ja ebenfalls von Musik gelenkt wird, die lustvolle optische Wirkung mancher Instrumente, wenn sie von Damen gespielt werden, beispielsweise die Flöten und die Celli, sowie sexuell stimulierende Texte. Indessen – das Jahr beginnt ja gerade.
Bild: Tintoretto zugeschrieben: Leichtfertige Damen beim Erlernen des Musizierens, um ihre Liebhaber zu erfreuen.