Bevor wir über die Damen sprechen, unterscheiden wie besser zwischen Keuschheitserziehung und erzwungener Keuschheit.
Tatsächlich hängt die Frage, warum man die Töchter von der biblischen bis zur bürgerlichen Zeit „keusch hielt“ nahezu ausschließlich mit dem Verlust des Marktwertes einer „gefallenen“ Tochter zusammen. War sie ledig und schwanger, so war sie eben nur noch schwer „an den Mann“ zu bringen.
Wenn die Luft rein war - Keuschheitsgürtel gab es so wenig wie die "reine Minne"
Die erzwungene Keuschheit durch den berühmten „Keuschheitsgürtel“ hingegen ist möglicherweise ein Märchen. Es wäre auch zu einfach gewesen: Musste der Feudalherr in die Schlacht, so wurde das traute Weib mit einem „Florentiner Gürtel“ verschlossen, mal für Vaginalverkehr allein, dann aber auch für Vaginal- und Analverkehr. Gebracht hätte das gar nichts: die Schlösser von damals, wenn überhaupt vorhanden, wären leicht zu knacken gewesen. Und Troubadoure sowie andere potenzielle Ehebrecher hätte die Dame des Hauses in Abwesenheit des Hausherrn ohne jeden Zweifel verführen können, zumal die Damen daran nicht uninteressiert waren. Denn es war üblich, zu solchen Wünschen einen Vogelkäfig herauszuhängen, um dem Liebhaber anzuzeigen, dass die „Luft rein“ wäre und man „vögelen“ könne.
Nun gut –dem Mittelalter wurde später manches angedichtet, vom edlen Ritter bis zur keuschen Minne – und eben auch der Keuschheitsgürtel, falls die Dame des Hauses es mit der keuschen Minne doch nicht so ernst nahm.
Schutz gegen Vergewaltigung und Masturbation
Jedenfalls ist der Keuschheitsgürtel im Mittelalter eine reine Erfindung. Was nicht heißt, dass er später nicht doch genutzt wurde – möglicherweise zum Schutz der Dienstmägde oder gegen die „Selbstberührung“ der Backfische, die ja auch damals schon findig genug waren, sich selbst Lust zu verschaffen.
Der Wandel: Plötzlich interessierte sich kein Mensch mehr für weibliche Keuschheitsgürtel
Während das Interesse der Männer an „weiblichen Keuschheitsgürteln“ weiterhin groß war und einige Spezialisten sogar solche herstellten, die dann tatsächlich getragen wurden, ebbte das öffentliche Interesse im Zuge der Frauenemanzipation schnell ab. Nun galt, dass es ein unerträglicher Übergriff war, Frauen zum Tragen von Keuschheitsgürtel zu veranlassen oder für diese zu werben. Doch die Revanche ließ nicht lange auf sich warten: Findige Geschäftsleute belebten das bis dato flaue Geschäft mit Keuschheitsgeschirren für Männer. Unter Einsatz von geringen Mitteln war hier schnell viel Geld zu verdienen, und im Gegensatz zu „passgenauen, komfortablen Einzelanfertigungen“ für die Damen war das entsprechend Produkt für die Männer Massenware aus Kunststoff oder Metall.
So, wie es ein Mythos war, im Mittelalter Frauen aus moralischen Gründen in die unhygienischen und damit gefährlichen Keuschheitsgürtel zu zwingen, so ist es heute ein Mythos, dass Männer „besseren Sex“ haben, wenn ihr
Penis in Stahl- oder Plastikgefängnisse eingezwängt wird. Denn in Wahrheit sind die Keuschheitsgürtel beider Geschlechter eher Lust-Spielzeuge für Rollenspiele.