Lust und Schläge – wie hängt das zusammen?
Eher augenzwinkernd: der Gentleman entblößt sein Gesäß, um die Rute zu empfangen
Die hilflosen Erklärer - Psychiater und Psychologen
Sowohl die Psychiatrie wie auch die Psychologie haben Denkansätze zum Thema, sie sind aber nicht sonderlich schlüssig. Etwas reißerisch schildert zum Beispiel der forensische Psychiater Krafft-Ebing, wie viele Menschen der Geschichte (und hier insbesondere Frauen) aus der Züchtigung Wollust empfingen.
Der im 19. Jahrhundert lebende Schriftsteller Otto von Corvin befasste sich intensiver mit den Geißlern und schrieb:
Elisabeth von Genton gerieth durch das Geißeln förmlich in bacchantische Wuth, was aber die Pfaffen heilige Verzückung nannten. Am meisten raste sie, wenn sie, durch ungewöhnliche Geißelung aufgeregt, mit Gott vereinigt zu sein glaubte, den sie sich als einen schönen nackten Mann und im beständigen Bräutigamstaumel mit seiner irdischen Geliebten dachte.
Geißler(innnen) lustvoll und Masochisten erbarmungswürdig?
Die Geißler sind die Einzigen, die sich zu ihren Handlungen bekannten, die zunächst als gottgefällige Buße galt. Doch schon sie erkannten, dass die Lust am geschlagen werden (passive Flagellation) offenbar eine Abweichung von normativen Verhalten war, und Krafft-Ebing meint selbstherrlich:
Der Geist der Unreinigkeit blies ihr (Elisabeth von Genton) die wollüstigsten und üppigsten Fantasien ein, sodass sie mehrmals nahe dran war, ihre Keuschheit zu verlieren.
Wenn einige der Geißler solche Gelüste hatten, müssten sie dann nicht schlechthin zum Menschsein gehören? Wenn der bereits zitierte Krafft-Ebing allerdings von seiner offenkundigen Faszination für historische Flagellantinnen wieder in sein Arbeitsgebiet abtaucht, sieht er die Flagellation plötzlich anderes: Nun stehen Männer im Mittelpunkt, die er nach dem von ihm gefundenen Begriff „Masochisten“ nennt. Uns sie handeln nicht aus Wollust, sondern:
(Für sie ist …) die Unterwerfung unter das Weib die Hauptsache, die Misshandlung nur ein Ausdrucksmittel für dieses Verhältnis und zwar eins der stärksten.
Träfe dies nicht zu, so Krafft-Ebing, dann suche der Mann nur eine „mechanisch vermittelte Reizung seines spinalen Zentrums.“
Diese Erklärung ist fragwürdig und widerspricht zudem den vorigen Behauptungen.
Schriftsteller suchen die Ursachen gerne in der Pubertät
Auslöser Pubertät?
Gibt es eine allgemeine Lust auf erotische Züchtigungen?
Das erträumte Szenario
Warum die meisten davon nicht „zur Ausführung schreiten“ hat viele Gründe: Scham, Angst vor der Realität – und zumeist auch, einfach niemals mit einer Person in Berührung gekommen zu sein, die bereits Praxis in derartigen Verhaltensweisen hat.
Schmerzlust und schmerzliche Wollust überwiegen
Stellt man nun emotionslos und nach logischen Gesichtspunkten eine Reihe von Gründen auf, die zum Wunsch nach Züchtigung führen, so kann mit einigem Recht behauptet werden, dass die Lust nach wie vor die größte Rolle spielt.
1. Um die erotische Lust intensiver zu empfinden.
2. Als Vergeltung für Sünden, Fehlverhalten und dergleichen, die eigentlich niemals mehr gesühnt werden.
3. Um dem Partner zu beweisen, „wie viel man aushält“
4. Um den aufgespeicherten psychischen Schmerz eine andere Ausdrucksform zu geben (zum Beispiel das Hinausschreien).
5. Um einen Grund zu haben, sich „in Tränen aufzulösen“.
Unterwerfungsfantasien kontra Züchtigungsfantasien
Die Lust daran, dominiert zu werden (körperlich, physisch oder sexuell) und dabei Schläge zu empfangen, liegt bei submissiven weiblichen wie auch männlichen Träumern bei etwa 55 Prozent, wobei diese Zahlen rechnerisch ermittelt wurden und deshalb nicht völlig zuverlässig ist.
Trotz all dieser Forschungen, Zahlen oder Fakten haben wir alle keine Ahnung, was wirklich in jenen vorgeht, die sich „übers Knie legen“ lassen, um von einer sanften, aber kraftvollen Hand gezüchtigt zu werden. Und wir wissen auch nichts über jene, die sich auf Prügelböcken schnallen lassen und dabei bis zur psychischen Erschöpfung leiden und lüsten.
Es mögen wenige sein - doch wenn die Fantasie ein starkes Drittel der Frauen und ein ebenso starkes Viertel der Männer befällt, dann sollten wir diese Menschen nicht verachten, sondern ihre Lüste als das nehmen, was sie sind: menschliche Regungen, die wir nicht verstehen, aber akzeptieren müssen.
Bild oben: Grafik, genaue Herkunft unbekannt, "The Cully Flaug'd", 17. Jahrhundert.
Bild Mitte: Nach einer Buchillustration
Bild unten: Traumsequenz, Quelle unbekannt..