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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Wie lange gibt es eigentlich Gefühle? Abschnitt 1 aus "Fühlen ist ein wundersames Gefühl "

Malte und zeichnete mehrfach sinnliche Schäferinnen: François Boucher
Das Gefühl als „menschliche Regung“ wurde erst spät in den deutschen Sprachgebrauch aufgenommen. Das „Sprechen über Gefühle“ gehört ohnehin erst ins 20. Jahrhundert. Zuvor wurde es nur unter Schriftstellern diskutiert, die versuchten, Gefühlen einen bildhaften schriftlichen Ausdruck zu verleihen. Und die ältesten Quellen verweisen darauf, dass der Begriff „Gefühl“ in erster Linie mit „Sinnlichkeit“ in Verbindung gebracht wurde. Auch in der Dichtung muss man das Wort mit der Lupe suchen. Als globaler Begriff für „die“ Gefühle kommen nur ausgesprochen wenige Quellen infrage, die zudem als „mundartlich“ bezeichnet werden.

Denn alle Gefühle, große und kleine,
Kommen aus der Seele alleine.


(Im Original: Mittelniederländisch, 1864, in „der leken spieghel“, übersetzt vom Autor)

Im Allgemeinen stand das „Gefühl“ aber auch stellvertretend für „die Lust“, beispielsweise:

„Sanfte Gefühle, von dir einst durchdrungen … die Schäferin war ihr Gesang“

Friedrich Karl Kasimir von Creutz, ca. 1750.

Oder, in ähnlicher Weise:

Ihr, o Schönen dieser Zeit, ihr galanten Schäferinnen,
Anders hab' ich nichts vor euch, nehmt den besten meiner Sinnen,
Nehmt das zärtliche Gefühle und die treue Redlichkeit.


Johann Christian Günther, Dichter, 1732.

Ein Konversationslexikon und der Wandel des Begriffs "Gefühl"

Wenn überhaupt von Gefühlen als „Regungen aus dem Inneren“ gesprochen und geschrieben wird, dann unter dem Stichwort „Gefühl – psychologisch“. Die neue Wissenschaft tauchte beispielsweise in „Meyers Konversationslexikon“ (1885-1892) auf. Dort wird auch bereits ein Kernsatz erwähnt, der bis heute Gültigkeit hat:

In der Natur der Gefühle ist es begründet, dass sie der äußern Darstellung und Mitteilung durch (sichtbare oder hörbare) Zeichen große Schwierigkeiten bieten.


Interessant ist dabei, dass schon 1895 die Trennung von „Gefühlen“ und „Gefühlen psychologisch“ aufgehoben wird, denn nun leitet Meyers den Abschnitt so ein:

Gefühl bezeichnet im abstrakten Sinne die Eigentümlichkeit oder Fähigkeit der Seele, durch Empfindungen, Wahrnehmungen und Vorstellungen angenehm oder unangenehm berührt zu werden. Im konkreten Sinne die dadurch entstehenden mannigfaltigen Gefühle der Lust oder Unlust.

Die neue Version war offensichtlich eine Folge der Forschungen des Leipziger Professors Wilhelm Wundt (1832 – 1920), der erstmals ausführlich über Gefühle forschte.

Mal verkitscht, mal verachtet, mal überhöht: Gefühle in der Neuzeit

Seither werden Gefühle sehr unterschiedlich beurteilt. In der Literatur wie auch im Volksmund benutzt man eher das Wort selbst, während man ansonsten eher von „Emotion“ spricht. Der Begriff „Gemüt“ geht hingegen immer mehr zurück.

Im Laufe der neueren Geschichte erleben wir dreierlei: Zum einen werden Gefühle verkitscht, zum Beispiel in einschlägigen Liebesromanen. Zum Zweiten werden sie überhöht, um echte oder vermeintliche ethische Werte in den Vordergrund menschlichen Lebens zu drängen. Und zum Dritten werden sie verworfen, um dem Verstand mehr Raum zu geben.

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Im nächsten Kapitel will ich darauf eingehen, was wir heute unter „Gefühl“ verstehen und wie „Gefühlsregungen“ (Emotionen) nach heutigen Stand zustande kommen. Weitere Kapitel sind in Vorbereitung.

Achtung! Dieser Artikel wird für die Buchversion völlig neu überarbeitet udn dient nicht mehr als erstes Kapitel des Buches.

Quellen: Wörterbuchnetz (Grimm), Originalquellen dazu als Ergänzung, zum Beispiel Google Bücher und Projekt Gutenberg.Retrobibilothek und die fünfte Auflage von Meyers Konversationslexikon im Original (1895).
Bild: Das Bild passt in die Zeit, in der "Schäferin" symbolisch für eine sinnliche Geliebte stand.
Warnung: Dies ist eine Original-Artikelserie © 2021 by Gebhard Roese, liebesverlag.de

Die prickelnde Mischung aus Faszination und Abscheu

Das Erschauern im Foltermusum
Der Ursprung der Faszination, Lust und Qual der Geißelungen, Folterungen und heftigen Körperstrafen liegt offenbar in der Religion. Wir sprechen von den Geißlern – und ihre wahre Welt erschließt sich heute für niemandem mehr. Dennoch finden wir in ihr den Ursprung anderer Bewegungen und Ideologien, die extrem schmerzhafte Schläge auf den Körper als Ausdruck eines frommen und züchtigen Lebens ansehen. Viele Gläubige dachten, sie würden eine „innere Reinigung“ durchleben und „das Böse“ in sich abtöten. Zitat: (1):

Wären der gesamten Fastenzeit begaben sich die Schwestern nach der Matutin (2) in den Kapitelsaal … wo sie ihren Körper mit den verschiedensten Geißeinstrumenten aufs Heftigste traktierten, bis das Blut floss, sodass der Klang der Peitschenhiebe durch ganze Klöster hallte.

Diese Aussagen entstammen zwar einem modernen Werk, sind aber ausreichend historisch belegt, und die Faszination von Verzückung, Nacktheit und Schmerz, der bis zur Selbstaufgabe reichte, ebenfalls. (3)

Sich selbst zu geißeln, war eine Sache – aus religiösen Gründen gegeißelt zu werden eine andere. Doch wie wir die Sache auch drehen – der Schmerz kam nie allein, denn die Körperchemie funktionierte im Mittelalter nicht anders als in der Neuzeit.

Wenn Geißelungen etwas „Gutes“ war, warum sollten dann Geständnisse unter der Folter oder strenge Körperstrafen an Domestiken etwas Schlechtes sein?

Auf diesem Gebäude ließ sich eine Ideologie errichten, und viele folgten diesem Irrweg.

Geißelungen, Folterungen und Körperstrafen aller Art

Während sich die Geißler weitgehend aus Mönchen und Nonnen zusammensetzten, konnten Folter, Auspeitschungen und Rutenschläge jeden treffen.

Über die Folter lesen wir in den Themenblättern zum Unterricht No. 45:

Mit der Übernahme (des römischen Rechts durch die christlichen Staaten des Mittelalters fand die Folter zuerst Eingang in die Ketzer- und Hexenprozesse, wo sie als wichtiges Instrument im Kampf gegen den Satan angesehen wurde. Da Maß und Umgang nicht generell festgelegt waren, kam es zu einer ungeheuren Ausdehnung der Folter.

Wenn man „den Satan“ durch „das Böse“ ersetzt, ergibt sich daraus auch die angebliche Notwendigkeit der Körperstrafe. Dabei handelte es sich ja nicht nur um „Abgeltung der Untaten“, sondern auch um den Versuch, das „Böse“ aus den Menschen herauszutreiben. Vor allem aus Untergebenen und Schwachen. Also aus Nebenbuhlerinnen, Domestiken und – leider mit großer Selbstverständlichkeit – auch aus Kindern.

Wie das Böse in die Welt kam und sich leibhaftig der Ketzer, Hexen, Domestiken und Kinder bediente - das liegt tief in der Geschichte der Kirche begründet. Also jener Institution, die sich bis heute bemüht, ihre Hände in Unschuld zu waschen.

Die Lust an der Pein in der erotischen Literatur bis heute

Faszination und Abscheu gehen seither eine Verbindung ein, die besonders in der viktorianischen Zeit vielfach zelebriert wurde, freilich abgemildert und mit starken Anklängen an die Sinneslust. In dieser Zeit finden wir nahezu alles wieder, was uns zuvor unter die Augen kam.


1. Rituelle Nacktheit.
2. Gleichgeschlechtliche Rituale mit Schlägen aller Art.
3. Die Lust, jemanden zu züchtigen.
4. Die Wonne daran, geschlagen zu werden.
5. Die Faszination, dabei zuzusehen.
6. Schmerz und Wonne im Mix.
7. Sinnliche Erfahrungen im Anschluss.

Niemand wir diese Schilderungen für „die Realität“ halten – aber die vielen neuen sinnlich-erotischen Wellen, die dieser Zeit folgten, verwenden immer wieder das gleiche Muster. Es muss also nach wie vor „unter die Haut“ gehen.


Schläge - eine Reinigung der Sinne?

Es wird niemals ganz klar werden, worin die Faszination liegt, sich zu geißeln oder gezüchtigt zu werden. Manche sprechen von einer „Reinigung“ der Sinne, einer Klärung der Emotionen. Der Schmerz selbst, die Entspannung danach oder die dann und wann aufkommende Geschlechtslust werden wohl gelegentlich erwähnt – doch das Thema wird genauso oft verschwiegen.

Foltermuseen und Folterszenen

Was der Anblick Folterinstrumenten oder mittelalterlichen Kerkern auslöst, ist genauso schwer zu beschreiben. Manchem sagen sie gar nichts, während sich andere in die Rolle der Opfer versetzen und sich fürchten. Und solange sich dergleichen noch „sportiv anfühlt“, können sich manche Menschen eben auch vorstellen, den eigenen Körper einer entsprechenden Belastung auszusetzen – spielerisch, versteht sich.

Und im Spielfilm? Vor Jahren war es noch üblich, in Kriminal- Abenteuer- und Spionagefilmen Damen in dürftiger oder zerfetzter Bekleidung zu zeigen, die der Folter anheimfielen – in den letzten Jahren sind es aber durchaus Männer. Immer wieder gibt es jene, die dann die Augen schließen und den Ton (soweit möglich) abschalten, aber eben auch jene, die verzückt zusehen. Hauptsache Heldin oder Held überleben.

Sichtweisen, Realität und Pornografie

Was heute als Vergnügen übrigblieb, wurde von vornherein mit dem Geruch von Schwefel versehen. Mal wurden die Menschen als „pervers“ angesehen, die Schmerzlüste praktizierten, dann wieder als „Patienten“, die davon befreit werden mussten. Feministinnen glauben zu wissen, dass in den heutigen S/M-Paarungen vor allem Frauen in solchen Beziehungen „unterworfenen und gedemütigt“ werden. (4) Offenbar verwechseln sie dabei die Pornografie, die in der Tat solche Tendenzen kennt, mit der Realität.

(1) Lob der Peitsche", München 2001.
(2) Matutin – Gebet, das zwischen Mitternacht und morgen vollzogen wird).

(3) Es gibt entsprechende Bilder entblößter Nonnen aus dem 15. Jahrhundert.
(4) wir verwendeten sinngemäß eine Aussage von Gigi Halder aus der "Wienerin"