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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex

Polyamorie – beim ersten Date danach fragen?

Es heißt, 10.000 Menschen lebten angeblich in Deutschland „bereits“ polyamourös. Setzt man dies in eine Beziehung zur deutschen Bevölkerung im Erwachsenenalter, so kann man sagen: „Na ja, sehr viele sind es nicht.“

Zumal, weil wir nicht wirklich wissen, wer diese Personen sind und wie sie ansonsten leben. Und weil Menschen Phänomene wie die Polyamorie durchaus unterschiedlich verstehen, können wir ohnehin nichts „Endgültiges“ über diese Lebensform sagen. Hinzu kommt noch, dass neben „konventionellen Ehen“ auch Mehrfachbeziehungen dem Wandel unterliegen.

Einen Schleier um die Gefühlswelt legen?

Immerhin wurde kürzlich die Frage nach der gemeinsamen Liebes- Lebens- und Sexvarianten thematisiert. Doch heißt das nun, dass du beim ersten Date nach der „Exklusivität“ fragen solltest? Also danach, ob du (oder der/die andere) noch weitere Partner für Liebe, Zärtlichkeiten oder Sex begehren darf?

Die Sache ist hakelig: Es gibt immer eine Art Liebeshierarchie, also eine Wertung, wen man am meisten mag. Normalerweise steht bei Liebes- oder Ehepaaren ein Partner an erster Stelle, ein anderer aber durchaus an zweiter Stelle und so fort. Normalerweise sind sie alle aber keine Sexualpartner, sondern sie sind uns „nur“ besonders lieb.

Indessen legen „typische“ Polyamorie-Anhänger einen Schleier über ihre tatsächliche Gefühlswelt. Das klingt, umgesetzt in Journalismus, dann in etwa so:

Die Polyamorie bringt den Aspekt der „Verbindlichkeit“ in Mehrfachbeziehungen, die jegliche sexuelle Orientierung zulassen, hinzu und begründet ihren moralischen Anspruch darin, dass alle Beteiligten um die Beziehungsstruktur wissen und diese befürworten.

Polyamorie - kein Thema, um es am Kaffeetisch zu erörtern

Dabei bleibt völlig offen, wie die Beziehungen untereinander ausgestaltet werden und welche Absprachen nötig und sinnvoll sind – von den existenziellen Fragen einmal ganz abgesehen.

Reden wir mal Tacheles: Das ist kein Thema für ein erstes Date. Denn sollte jemand wirklich „poly“ leben wollen, sind Vereinbarungen nötig, und für den anderen, der noch nie „poly“ gelebt hat, ist eine Bedenkzeit nötig.

Oder mit den Worten des „Deutschlandfunks“:

Wie die Polyamorie gelebt wird, das handeln die Partner jeweils unter sich aus, einen Leitfaden gibt es nicht – nur eine Überzeugung eint alle: Liebe ist nicht exklusiv.

Suche nach Unsicheren, Neugierigen oder nach Beziehungen?

Was ist also, wenn dich jemand gleich beim ersten Date mit Fragen zur Polyamorie oder auch zu „Beziehungen zu dritt“ bedrängt?

Das Risiko ist groß, dich in etwas verwickeln zu wollen. „Poly“ macht die Unsicheren neugierig und vergrätzt diejenigen, die sich vor allem nach einer festen Grundbeziehung sehnen. Übrigens ergibt sich die gleiche Frage bei Swingern, öffentlichen SM-Aktivitäten und einigen andere „Begegnungen zu mehreren“.

Das Fazit: Poly hat eigene Spielwiesen

Das Fazit ist einfach: Der Wunsch nach einer verlässlichen, grundlegenden Beziehung hat für „echte“ Partnersuchende die absolute Priorität. Menschen, die andere Lebensformen suchen, benötigen eine andere Einstellung. Wer hat eigentlich die Idee verbreitet, dass man die passenden Partner(innen) für Polyamorie bei „normalen“ Dates finden könnte?

Zitate: Deutschlandfunk

Brauchen wir eine „neue“ Sexualmoral?

Liest man einige „neue“ Artikel über das „Wunsch-Dasein der Frau im 21.Jahrhundert“, so könnte man (und „frau“ auch) glauben, wir seien bei der Ethik irgendwo im 18. oder 19. Jahrhundert stecken geblieben. Mich erinnert dies an die 1950-er-Jahre, in denen es noch die „Rückbesinnung“ auf die „bürgerliche Moral“ gab. Die konservativen Kräfte um die CDU/CSU versuchten dies mithilfe der beiden großen Kirchen, zunächst mit großem Erfolg. „Damals“ war dies nur zu verständlich. Die Nazis hatten die deutsche Kultur in eine Sackgasse geführt und waren damit auf die Nase gefallen. Und die neue Regierung wagte nicht, an die „Libertinage“ anzuknüpfen, die nach dem Ersten Weltkrieg einsetzte.

Heute: konservative Moral durch die Hintertür

Die „Neue Moral“ ist allgegenwärtig, und sie geht teilweise von klerikalen Kräften, teils von Rechtsextremisten aus – in der Hauptsache aber von schreibenden Frauen. Ihr müsst nicht lange suchen, um entsprechende Artikel oder gar Bücher zu finden.

Warum erst jetzt, 60 Jahre nach der sexuellen Emanzipation?

Die Frage „warum ausgerechnet jetzt?“, ist schnell beantwortet. Denn die vielen vehementen Ansätze zum Aufbau „neuer“ ethischer Grundsätze zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind gescheitert, die Diskussion darüber ist verebbt. Der „große Dialog“ in der Gesellschaft hat nicht stattgefunden – er ist gar nicht erst angekommen. Die gesamte Diskussion wurde unter Feministinnen und Akademikerinnen (und vereinzelten Akademikern) aus dem Bereich der Geisteswissenschaften geführt. Und sie war von vornherein auf selbst ernannte „Eliten“ beschränkt. Und nein, ich rede nicht von #meetoo, sondern von daraus abgewandelten Ideologien.

Derweil führen Menschen im „ganz normalen“ Lebensalltag ihr eigenes soziales Leben – das Sexleben durchaus darin eingebettet. Ich hätte auch schreiben können: Jeder interessiert sich für das Leben, das er führt, ob er nun Frau oder Mann ist. Aber außer einigen Extremisten/Extremistinnen) schert sich kein Mensch um Dogmen, Ideologien oder andere „aufgesetzte“ Konstruktionen.

Die Würde des Menschen und die konservativen Kräfte

Die neue Sexualmoral, die von den Extremisten gefordert wird, beruht auf künstlichen, recht komplizierten Wertesystemen. Um dies zu verschleiern, werden sie unzulässig vereinfacht. Es sind eben nicht nur „Würde, Tugend und Zurückhaltung“, die das Leben prägen, sondern es ist vor allem der Wunsch, unser „Selbst“ mit der größtmöglichen Konsequenz in Freiheit zu verwirklichen. Und wenn ich das sage, dann bleibe ich noch immer auf dem Boden traditioneller und anerkannter Werte.

Natur für die einen, Schöpfung für die anderen

Was ich noch nicht erwähnte: Neben dem Edelwesen, das manche von uns herauskehren, sind wir im Sinne der Religion Geschöpfe – und im Sinne der Naturwissenschaften eben Säugetiere. Die Natur hat uns mit wenigen Trieben ausgestattet, die absolut notwendig sind: uns selbst zu erhalten, soziale Bindungen einzugehen und uns fortzupflanzen. Sie sind nicht „frei beeinflussbar“ und sie unterliegen nicht ausschließlich unserem Willen. Selbst die Psychoanalyse sagt dies, und der Biologe kann es genauer definieren, auch wenn wir die genauen Wege, Umweg und Irrwege eines Triebes nicht entschlüsseln können.

Ganz klar: Wir brauchen Regeln und Vereinbarungen, wie wir im sozialen Verkehr miteinander umgehen – und sicher nicht nur beim Sex.

Aber wir brauchen keine zweifelhaften Prophetinnen und Propheten, die ständig Appelle in die Welt morsen, eine neue Moral sei hier und jetzt notwendig.

Fazit: Tugenden aus der Vergangenheit - nein, danke!

Reden wir mal Tacheles? Die „neue Moral“ ist eine Wiederauflage der Moral des 18. Und 19. Jahrhunderts. Lediglich die Elemente des Patriarchats und die „christlich“ gebundene Sexualmoral fehlen darin. Stattdessen werden „Tugenden“ gesucht, die keine erkennbaren Wurzeln haben.

Tugenden, die aus radikalen Ideologien entstehen sollen? Pfui Teufel!

Corona-Folgen: Apokalypsing oder „Slow Dating”?

Wer derzeit die einschlägigen Kolumnen in Frauenzeitschriften (1) beobachtet, der findet schnell heraus, dass es zwei völlig unterschiedliche Meinungen zum Corona-Dating gibt.

Slow Dating - im Schneckentempo mit größter Sorgfalt aufeinander zugehen

Die erste hieß „Slow Dating“. Sie verfolgt die These, dass wir in Zeiten, in denen wie weniger Dates wahrnehmen können, wählerischer in der Auswahl der Partner(innen) sind. Das heißt, wir sehen uns die möglichen Partner(innen) genau an, überlegen recht lange, ob wir die zunächst lockere Bindung in eine feste verwandeln wollen.

Apokalypsing - schnell einen Menschen abfischen, bevor es zu spät ist

Die andere, zunächst widersprüchliche Behauptung ist: Aus dem gleichen Grund (weniger mögliche Dates) greifen wir nun schneller zu, sichern uns die Partnerin oder den Partner, und zimmern uns in kürzester Zeit eine Zukunft zurecht, in die wir dann auch wirklich eintauchen. Diese Idee wurde von kurzem „Apokalypsing” genannt.

Haben die Begriffe überhaupt einen Sinn?

Ich fragte mich zunächst: Wie können zwei so unterschiedliche Thesen nebeneinander existieren? Die kurze Antwort vorweg: Indem sie erfunden und blitzartig verbreitet wurden.

Ein Blick auf den Ursprung zeigt uns: Beide Thesen stammen aus dem Fundus von Dating-Seiten oder Dating-Apps.

Slow-Dating ist wahrscheinlich eine Erfindung der Dating-Branche

Die eine These, „Slow Dating” wurde nach Internet-Recherchen zuerst von der Dating-App „Once“ benutzt. Die Macher(innen) behaupten, den Stein der Weisen im „Slow Dating“ gefunden zu haben. Das Konzept (in der Werbeaussage): Ein Vorschlag pro Tag, und der selbstverständlich nach den berühmten „Algorithmen“, die nur die wirklich passenden Partner ans Licht bringen. Der Rest der Branche witterte offenbar Morgenluft und übernahm den Begriff, und schon war die geschwätzige Gilde publikumsnaher Psychologinnen und Psychologen auf der Bühne, um den Wert zu „Slow Dating“ zu bestätigen. Da Redakteure und Redakteurinnen bekanntlich alles aufsaugen, was aus dieser Ecke kommt, machte der Begriff bald die Runde. Ob dahinter lauter warme Luft stand oder etwas, das sich beweisen ließ, steht bis heute in den Sternen.

Auch "Apokalypsing" entstammt einer Datingseite

Der andere Begriff, das „Apokalypsing” (2), ist wesentlich spektakulärer. Im Grund wir dabei die ferne Zukunft in die Gegenwart verlegt: Man tut so, als ob alles, was erst wachsen müsste, schon da wäre: Standort fixiert, gemeinsames Heim, Elternschaft. Angeblich kann dies „beobachtet“ werden, und zwar anhand äußert vager Befragungen. Mich erstaunt nicht, dass der Begriff von Leuten bei „Plenty Of Fish“ erfunden (3) und erfolgreich als Corona-Phänomen vermarktet wurde. Was man wirklich herausfand, war etwas, das wir normalerweise als „Wissen vom Hörensagen“ (3):

Ein Drittel der Singles, die POF befragte, sagten, sie würden jemanden kennen, der es schon getan hat.

Was wir als Liebeszeitung dazu sagen, ist dem ziemlich ähnlich, was andere Fachleute (3) sagen: Schärft eure Sinne, um nicht auf jeden Blödsinn (Bullshit) hereinzufallen. Macht euer Ding, nicht das, was ihr in der Presse lest. Denn beide angeblichen Trends sind Extreme – und die taugen niemals als Vorbild.

(1) Frauenzeitschiften: Z.B: Brigitte.
(2) Herkunft Apokalypsing - Urban Dictionary.
(3) Yahoo.com - Datingtrends.