Die Lust am Schmerz unter dem Vorzeichen der Sexualität wird häufig als Algolagnie, auf Deutsch etwas „Schmerzlust“ bezeichnet. Inzwischen hat man sich darauf geeinigt, eher den Begriff „Sadomasochismus“ oder einfach „Masochismus“ zu verwenden. Der Volksmund sagt auch „Sadomaso“ dazu.
Der Wortschöpfer: Richard von Krafft-Ebing
Der Begriff selbst ist im Grunde genommen völlig wertlos. Der
Psychiater Richard von Krafft-Ebing hat den Begriff Masochismus 1886 geprägt, ohne dabei viel nachzudenken. Ihm ging es darum, dem Begriff „Sadismus“, der auf die Bücher des Marquis de Sade Bezug nimmt, etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Dabei bot sich seiner Meinung nach der Autor und Zeitgenosse
Leopold Ritter von Sacher-Masoch an. Er genoss zu Lebzeiten (1836 - 1895) große Popularität und ist bis heute durch sein Werk
„Venus im Pelz“ bekannt.
Die offiziellen Definitionen
Es gibt mehrere „offizielle Versionen“ des Begriffs, die alle eines gemeinsame haben – die geschlechtlichen Lüste werden durch Demütigungen, Schmerzen und Unterwerfungen angeregt. So etwas im Dorsch (1):
Masochismus (ist) diejenige Perversion, bei der das Erleben des Orgasmus mit dem Erleiden von Demütigung, Schmerz oder Qual einhergeht.
In einer anderen Quelle heißt es (2):
Masochismus (bezeichnet das) Empfinden sexueller Erregung durch körperliche und seelische Misshandlung. In weiterem Sinn versteht man darunter alle Lustgefühle die durch Unterdrückung hervorgerufen werden.
In fast allen Lexikoneinträgen werden der Psychoanalyse nach Sigmund Freud einige Sätze gewidmet, die aus heutiger Sicht als Spekulationen gelten.
Masochismus - dem Begriff fehlt die beweisbare Ursache – bis heute
Inhaltlich und streng wissenschaftlich gibt das Werk von Krafft-Ebing allerdings wenig her. Masochismus wird bei ihm – wie auch bei nahezu allen anderen Autoren – mit der Sexualität des Menschen in Verbindung gebracht. Und wenn sie nicht dazu diente, Nachkommen zu zeugen, sondern aus anderen Gründen praktiziert wurde, nannte man sie eine Perversion, später auch eine Paraphilie. Vergessen haben die heutigen Autoren dabei offenbar, in welchem Zusammenhang die Psychologie bis in die 1980er-Jahre den „Masochismus“ sah. Zu den
„Perversionen des Geschlechtslebens“ zählte man „
Homosexualität, Masochismus, Sadismus, Fetischismus, Exhibitionismus und Voyeurtum. Man berief sich, auf Sigmund Freud, der die Ursachen solche Phänomene bekanntlich in „eine frühe Phase der Kindheit“ verlegte. (3)
Kein Wunder, dass viele vor so viel „wissenschaftlicher Objektivität“ in die Knie gingen und tatsächlich glaubten, nicht „alle Tassen im Schrank“ zu haben, wenn sie darunterfielen.
Zeitgeist, Quälgeister und Mysterien
Nun hat sich seither etwas getan – doch der „alte Geist“ der Psychiatrie und Psychologie spukt immer noch in den Köpfen der Menschen herum. Man vertraut sehr auf Freud, glaubt überhaupt, dass die Psychologie ausreicht, um Naturphänomene zu beurteilen. Immer wieder hören wir von einem riesenhaften Topf mit „Unbewusstem“, das in uns schlummert. Das Wissen darüber ist zwar nicht „streng geheim“, aber es kann auch nicht beschrieben werden. Also würde jeder kritische Mitmensch sofort sagen: „Dann existiert es auch nicht“.
Und so ähnlich ist es bis heute. Ich las diesen markanten Satz eines neuen medizinischen Ratgebers zuerst: (4)
Wie sich Masochismus entwickelt, ist weitgehend unbekannt. Es gibt dazu verschiedene Hypothesen.
Das ist schön und zurückhaltend formuliert – heißt aber eben auch nur: Es gibt keine Fakten, sondern nur Vermutungen. Die meisten stammen aus den Tiefen der Psychologie und erweisen sich schnell als unbeweisbare Hypothesen. Wobei sich die Frage ergibt: Wieso halten sich eigentlich Hypothesen über ein ganzes Jahrhundert, die niemals schlüssig bewiesen werden konnten?
Alternativen – das Menschlich, das Tierische und die Gehirne
Die Evolution und das Verhalten von Säugetieren, die in Gruppen leben, könnte Aufschlüsse ermöglichen. Sie müssen schließlich um ihre Positionen in der Gesellschaft kämpfen – und zum Kämpfen gehört auch, rechtzeitig „den Schwanz einzuziehen“ und anderen das Terrain zu überlassen. Demut und Unterwerfung sind dabei wichtige Elemente, und sie werden spielerisch erworben. Diese Eigenschaft hat zunächst nichts mit dem Masochismus zu tun, wirkt aber als Komponente in ihm. Und sofort entsteht die nächste Frage: Warum sind Geisteswissenschaftler eigentlich so sehr am morbiden Charme der sexuellen Unterwerfung interessiert?
Naturwissenschaften udn die Kybernetik des Gehirns
Wäre da nicht die Gehirnforschung – hätten wir ohne sie je erfahren, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Schmerzempfinden und dem Belohnungssystem gibt?
Nein, wir haben noch nicht verstanden, warum Schläge oder Demütigungen bei einem Menschen Lust, beim anderen Schmerz und beim nächsten Wut oder Verzweiflung auslösen. Die Kybernetik des Gehirns, namentlich der Informationsfluss und seine Verknüpfungen, sind für uns unbekanntes Terrain. Gegenwärtig können wir diese Umstände nicht entschlüsseln, und es ist ausgesprochen fragwürdig, ob wir es jemals können werden.
Spekulationen und Fehlsteuerungen der Psyche
Und eben weil wir nichts wirklich wissen, was da an Daten durch uns hindurchläuft, etwas bewirkt oder nicht bewirkt, etwas hinterlässt oder auch nicht, wird über die Ursachen spekuliert. Nützt dies irgendeinem Menschen? Ich denke, das es niemandem wirklich nützt, auf eine Spekulation hereinzufallen.
Bevor du diese Seite verlässt: Es gibt tatsächlich suchtartige Erkrankungen, die zu Fehlsteuerungen der Psyche führen. Der Grund dafür liegt in einem Fehler im „System“. Wenn wir nicht lernen, die Euphorie zu beherrschen, die körpereigene Drogen ins uns auslösen, dann können wir in Gefahr geraten, Opfer des eigenen Belohnungs-Systems zu werden. Und das ist dann wirklich gefährlich.
(1) Dorsch.
(2) Spektrum Lexikon Psychologie
(3) Fischer-Lexikon Psychologie. Neubearbeitung, Frankfurt 1957. bis mindestens 1975).
(4) Das Zitat und weitere Informationen beispielsweise bei „Netdoktor.de“.
Bild: Nach einer japanischen Vorlage, anonym, nachkololoriert
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