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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Früher war alles besser? Nein, danke!

liebe früher: lauter zweifel


Wenn die Ultrakonservativen recht hätten, dann wäre früher alles besser gewesen – aber dann kam erst einmal die böse, böse „sexuelle Revolution“, und danach wurde alles schlechter. Heute ist alles ganz schlecht, weil schon die Kinder Pornos gucken, die Frauen alle Schlampen sind und die Moral durch und durch von den Ratten der Libertinage zerfressen wurde.

Solche Meinungen wären tolerabel, wenn sie in finsteren Unterschichtkneipen vertreten werden. Sie werden aber leider nicht nur dort verbreitet, sondern in abgeschwächter Form überall, und selbst kirchliche Würdenträger schämen sich nicht, die „sexuelle Revolution“ für allerlei Unheil dieser Welt verantwortlich zu machen.

Ich will euch jetzt gar nicht mit der Bibel langweilen: Natürlich konnten die Gutsherren zu Moses Zeiten sich so viel mit ihren Sklavinnen vergnügen, wie sie wollten, wenn sie sich nur an das Gebot hielten, sie nicht beim „Nächsten“ zu mausen. Nein, ich will nur dies: Sagen, dass es früher nicht besser, sondern bestenfalls anders war – größtenteils aber war es eben schlechter.

100 Jahre zurück: Frauen haben angeblich kein Verlangen nach Sex

Drehen wir die Uhr nur etwas mehr als 100 Jahre zurück, dann billigten namhafte Ärzte den Frauen noch nicht einmal ein eigenes Verlangen nach Sexualität zu. Männer hatten es zu dieser Zeit eigentlich recht gut, zumal, wenn sie von Adel waren oder gut beleumdete Bürger: Da heiratete man sich einfach reich, denn Töchter ließen sich damals nur mithilfe erheblicher Geldsummen verhökern: Wer wollte sich schon eine Frau ans Bein binden, die nichts hatte? Die berühmten Liebesheiraten, von denen so viel die Rede war, fanden zum allergrößten Teil nur in Romanen statt, doch war das neue Paar, das durch den väterlichen Geldsegen zusammenkam, in der Regel gezwungen, der Umgebung zu erklären, es sei eine „reine Liebesheirat“. Erst zur Heirat gezwungen werden und dann über die Freiheit und das Glück lügen müssen: Das war das Schicksal der Töchter im Bürgertum. Bekanntlich änderte sich dies erst in der Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs durch den Verfall der Währung: Nun wurde eine Mitgift in Geld als sinnlos angesehen.

Die 1950er und 1960er Jahre: Jugend- und Kulturfeinde an der Regierung

Fünfzig Jahre von heute entfernt befinden wir uns mitten im langsamen, aber stetigen Verfall der Adenauerära. Auf den Jugendfeind und konservativen Erzkatholiken Adenauer folgte der ebenso konservative und kulturfeindliche Ludwig Erhard. Alle Bestrebungen, eine neue, wirklich liberale Gesellschaftsordnung zu schaffen, wurden von deren Politik gründlich zunichtegemacht: „Keine Experimente – CDU“ was das langjährige Motto, das nicht nur für die Partei und den Kanzler warb, sondern auch ein Gesinnungsauftrag an das deutsche Volk war.

Daumen drauf: Frauen und Jugend

der muchow: darauf informierten sich erzieher
Dies bedeutet auch weiterhin eine Unterdrückung der Frauen und der Jugend, die nicht nur Herrn Adenauer suspekt war, sondern inzwischen auch den Erziehern. Man versuchte, die Jugend mit Albert Schweizer zu begeistern, lehrte sie, ihre Sexualität zu unterdrücken und empörte sich öffentlich über ihre Schamlosigkeit, wenn doch einmal ruchbar wurde, dass Sexualität eine Rolle spielte. Die „Parasiten des Jazzkellers“ wurden sie in einem Buch genannt, dass von fast allen Erziehern der damaligen Zeit als „Zugang“ zu einer Jugend verstanden wurde, die sich gegenüber Erwachsenen verschloss wie die Auster. Man warb teilweise ganz offen dafür, dass sich die Jugend doch bitte mal wieder „organisieren“ möge, worüber Kabarettisten schon damals ihre Scherze machten.

Der „erwünschte“ Zugang zum anderen Geschlecht ging über die „Tanzstunden“, bei denen dem jungen Mann „Achtung“ vor der Frau beigebracht wurde, was praktisch hieß, doch bitte die Hände nur dort hinzulegen, wo es tänzerisch schicklich war. Eine wirkliche „Achtung“ war damit nicht verbunden, denn „Mädchen“ waren zum Heiraten da und nicht dazu, vor ihrer Persönlichkeit Achtung zu zeigen.

Freilich war der „Zugang“ zum anderen Geschlecht für Jungs auch anders möglich: Die „Unterschichtmädchen“ sowie Friseurinnen, Verkäuferinnen und Krankenschwesternschülerinnen galten als „äußerst zugänglich“, und so sammelte man seine Erfahrungen eben in der „Unterschicht“, um später bei den Bürgermädchen ein wenig „erfahren“ zu wirken – die mochten nämlich keine sexuellen Anfänger.

Argwohn und Abwertung, wenn nicht geheiratet wurde

Wehe dem Mann, der nicht bis wenigstens 28 eine Frau fand, und wehe der Frau, die „etwas lecker“ war bei der Partnersuche. Besonders Frauen hatten schwer damit zu kämpfen, „alleine zu bleiben“. Eine unverheiratete Frau galt nicht nur als Gefahr für die Gesellschaft, weil sie Ehen gefährden konnte, sondern ihr wurde schlicht die Anerkennung verweigert: Wie eine 17-Jährige musste sie zeitlebens mit dem Attribut „Fräulein“ abgestempelt. Die Breitmaulfrösche des Bürgertums hatten ohnehin nur drei Attribute für solche Frauen: Lesbe, Frigide und „alte Jungfer“. Keine Frau, die alleine leben wollte, konnte dies in Ruhe und Friede tun, ohne überall anzuecken.

Sicher, das alles änderte sich, woran nicht nur die sexuelle Revolution, sondern auch die neue, heimliche Jugendbewegung der jungen Bürger vor 1968 sowie die Studenten- und Frauenbewegung der 1968er und 1970er Jahre einen Anteil hatten. In den 1970er Jahren wurden dann auch das Wort „Fräulein“ für unverheiratet Frauen abgeschafft.

Zurück zur Duckmäuser-Gesellschaft? Nein, danke!

Wollen wir wirklich zurück zur uninformierten Gesellschaft, zu einer vom Katholizismus geprägter Sexualmoral und zur Vorherrschaft des Mannes über die Frau? Wollen wir uns tatsächlich noch einmal duckmäuserisch und obrigkeitshörig in unser Schicksal fügen wie vor 1968?

Nein, das wollen wir auf keinen Fall. Wenn ich heute das Gejammer vom Verfall der Werte, von der Unzucht, mit der die Jugend aufwächst und überhaupt der allgemeinen Unmoral höre, dann muss ich einfach dies sagen: Ihr kennt die Zeiten damals nicht mehr. Goldene Zeiten waren es nur für diejenigen, die sich mit Geld alles kaufen konnten – auch teure Edelhuren, die es damals in unglaublich hoher Anzahl gab. Denen war es gerade Recht, wenn die Regierungen möglichst konservativ und sexualfeindlich waren, denn besser als damals gingen die Geschäfte kaum jemals wieder.

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liebepur am : Warum Partnersuchende früher oft durch die Hölle gingen

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Wer mich kennt und vielleicht auch Judith Alwin, der weiß, dass wir nicht immer der gleichen Meinung sind – aber gelegentlich treffen wir uns eben doch in unserem Meinungsbild, zum Beispiel wenn es darum geht, dass „früher alles besser“ war. Nein, da

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