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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Großmutters Liebeswelt



Nein, ich spreche nicht von heutigen älteren Damen, die mit 55 noch einen starken, sinnlichen Duft eines moschushaltigen Parfüms verströmen und mit begehrlichen Augen auf Jünglinge starren.

Sie haben das Privileg erworben, ihr Leben zu genießen, auch wenn ihre Töchter sie schamlos nennen. Mögen sie auch ein wenig wildern unter den Jünglingen, nach denen auch die 25-jährigen Frauen lechzen – mein Gott, was wollt ihr denn, Mädchen – ihr bekommt sie doch nach ein paar Monaten zurück – unbeschadet zumeist, und oft genussfähiger als zuvor.

Fragt die Mutter oder Großmutter nie, was sie in der Liebe treibt – euch würde vielleicht die Schamesröte ins Gesicht steigen. Ihr versteht sowieso nicht, warum sie „so etwas“ tut, aber vielleicht werdet ihr es einmal verstehen, wenn ihr über den Berg seid, euch nicht mehr um die Kinkerlitzchen kümmern müsst, die euch jetzt nerven, wenn ihr euren Kindern kein Vorbild mehr sein müsst und all eure Scham an der Garderobe abgeben könnt.

Früher, ja, da war es anders. Wenn eure Großmutter oder Urgroßmutter zu den wenigen Töchtern gehörte, die ein bisschen „ausbrechen“ konnten, dann waren sie vielleicht „ein Liebchen“. So nannte man die die heimliche Geliebte eines Mannes, der nicht standesgemäß war. Ganz schick war, die Geliebte eines Malers, Bildhauers oder Schriftstellers zu sein. Männer also, die man nicht heiraten durfte -auf keinen Fall. Sie trank Sekt mit ihm – oh ja. Sie wusste, dass dies leichtsinnig war, aber sie beherrschte dennoch die Kunst, ihre Haltung wie auch ihre Kleidung nur soweit abzulegen, wie sie es vertreten konnte. Wie weit das gehen würde? Sie lässt sich küssen, streicheln und anfassen - immer ein bisschen anders, immer ein wenig verlockend. oftmals an der Grenze zur Hingabe.

Natürlich spielte sie hin und wieder mit dem Gedanken, sich ihm ganz hinzugeben – das war schließlich der Sinn des Spiels: ihn solange zu reizen, bis er ihr zu Füßen sank, oder seinen Körper ganz fest gegen ihren presste. Sie musste einfach den Gedanken mit einbeziehen, sonst wäre das Spiel nicht erregend gewesen. Aber am Ende tat sie es dann doch nicht, verabredete sich neu, zu einem ähnlichen Spiel, versprach, das nächste Mal mehr zu geben, sich vielleicht ganz nackt auszuziehen – er werde schon sehen.

Die Großmutter, von der ich jetzt schreibe, hatte einen süßen Trotzkopf, war mutig, aber eben nicht so mutig, sich den Schmerz zufügen zu lassen, den eine Entjungferung unzweifelhaft zur Folge haben würde – und dann war da noch das Baby – bekam man nicht ein Baby, wenn man sich einem Mann auf eine bestimmte Weise hingab? So blieb sie das, was sie war: eine Halbjungfrau, eine Demivierge. Nicht, dass sie sich selbst so nennen würde – aber die Geschichte wird sie einmal so nennen. Ja, und dann war da noch etwas – natürlich suchte ihr Vater noch nach einem Ehemann – ziemlich aussichtslos, die Sache, weil die Familie kein Vermögen hatte. Doch sie hatte zwei Freundinnen, die dennoch heiraten konnten, jungfräulich wie sie. Wenn schon ohne Mitgift, dann wenigstens als Jungfrau.

Die Zeit arbeitete für die Großmutter, die ich hier symbolisch beschreibe. Sie wird 24, als der Weltkrieg vorbei ist – sie ahnte nicht, dass es nur der Erste Weltkrieg war. Die Welt hatte sich geändert – die alte Mitgift war nichts mehr Wert, der Inflation verfallen. Der Großmutter gelingt es, zu heiraten, einen Handelsvertreter vielleicht. Sie wird ihren Kindern nichts erzählen von ihrem Leben als Halbjungfrau, nichts von ihren Liebhabern, die ihr Konfekt, Sekt und ab und etwas Geld schenkten, wenn sie besonders liebevoll war.

Ich weiß, das ist nicht das Bild, das ihr euch von eurer Großmutter oder Urgroßmutter macht, nicht wahr? Aber es ist ein Bild, das so in der Geschichtsschreibung stehen könnte, wenn sie denn ein wenig ehrlicher wäre.

Anmerkung: Der Artikel wurde aus dem Erlebnisbericht einer sogenannten "Jugendstilfrau" (ca. 1907) rekonstruiert.

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