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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Was ist erotischer Masochismus wirklich?

Erotische Unterwerfung
Schon der an sich recht distanzierte Psychiater Krafft-Ebing vermutete, dass der erotische Masochismus durchaus natürliche Wurzeln haben könne.

Orakelnd schreibt er in der Schlussbetrachtung zum „Versuch einer Erklärung des Masochismus“ (1):

Im Zustand der wollüstigen Erregung … (ist) … jede Einwirkung, welche von der Person, von der der sexuelle Reiz ausgeht, auf den erregten ausgeübt wird, willkommen, unabhängig von der Art dieser Einwirkung“.

Nicht nur der Krafft-Ebing, sondern auch viele andere Psychiater und Psychotherapeuten sahen den Masochismus als Umkehrung des Sadismus. Durch die Sammlung von Fallbeschreibungen, wohl aber auch durch die Lektüre von Sacher-Masochs Hauptwerk „Venus im Pelz“ oftmals zu der Erkenntnis, dass Sadismus und Masochismus zwei Seiten derselben Medaille waren.

Die Evolution hat Unterodnung favorisiert

Vergessen wurde dabei, dass die Evolution uns mit zwei Eigenschaften ausgestattet hat, die beide auf „Unterordnung“ ausgelegt sind. Die Erste besteht darin, dass wir uns eher unter die Alpha-Tiere unterordnen als gegen sie zu kämpfen. Oder mal ganz einfach: Es ist wesentlich bequemer, mit den Wölfen zu heulen als der Leitwolf zu sein. Die zweite Eigenschaft besteht in den Drogencocktails, die unser Gehirn bereithält, wenn es um die Fortpflanzung geht: Gehirn ausschalten, Gefahr ignorieren, im Sinnesrausch begatten oder begattet werden. Was dabei alle sonst noch geschieht, wird vom Ruf der Natur plattgewalzt.

Selbstzweifel eiens Psychiaters und der Zeitgeist

Krafft-Ebing hatte an seinen Theorien, die bis heute in der Psycho-Welt vertreten werden, durchaus Zweifel. Dies ist deutlich daran erkennbar, dass er bei Unsicherheiten plötzlich sehr verklausulierte, lange Sätze benutzt wie diesen:

Ich meine hier die allverbreitete Tatsache, dass in unzähligen und in den verschiedensten Variationen auftretenden Fällen ein Individuum in eine ganz ungewöhnliche, höchst auffällige Abhängigkeit von einem Individuum des anderen Geschlechts gerät, bis zum Verlust jedes selbstständigen Willens, eine Abhängigkeit, welche den beherrschten Teil zu Handlungen und Duldungen zwingt, die schwere Opfer am eigenen Interesse bedeuten…

Ich hoffe, dass niemand gelächelt hat über diese Definition, die ein Stück Zeitgeschichte repräsentiert. Ich habe sie lediglich verwendet, um den Unterschied zur Jetztzeit zu verdeutlichen. Immerhin sind inzwischen über 130 Jahre ins Land gegangen. (Erscheinungsdatum des Buches: 1886).

Wei das heutige Sein auch das heutige Bewusstsien verändert

Im 20. Jahrhundert haben sich die Beziehungen zwischen den Geschlechtern völlig verändert. Die wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeiten haben sich so gut wie aufgelöst. Theoretisch könnte jede Person ein eigenes, erfülltes Leben inklusive eines erfüllten Sexuallebens genießen, ohne sich zu binden. Die heutigen Menschen haben andere Gründe, gefunden, dennoch gemeinsam durchs Leben zu gehen, und sie beruhen kaum noch auf sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Wir gehen heute davon aus, dass jeder Mensch eine eigene Identität hat, die er als Persönlichkeit ansieht und aus der heraus er lebt.

Was könnte nun der Grund sein für den vielfachen Wunsch, sich erotisch zu unterwerfen? Wie können wir verstehen, dass ein selbstbewusster Mensch sich zumindest zeitweilig in eine sinnliche, vielleicht gar schmerzhafte Abhängigkeit begibt?

Masochismus als Flucht vor dem Selbstbewusstsein?

Möglicherweise hat dies völlig andere Gründe. Denn mittlerweile tragen wir die Entfaltung zum unverwechselbaren Individuum zwar mit Stolz, leiden aber andererseits auch darunter, sich der Forderung nach dem „selbstständigen Handeln“ ständig stellen zu müssen. Mit anderen Worten: Wer ständig sein Selbstbewusstsein, sein Erwachsensein oder seine gesellschaftliche Stellung „vor sich hertragen muss“, er wünscht sich auch manchmal eine „Auszeit“.

Sich erotisch zu unterwerfen, also masochistisch im Sinne von Abhängigkeit, Schmerz oder Demut zu handeln, könnte ein Versuch sein, aus dem ständig eingeforderten Selbstbewusstsein zu fliehen. Diese Erklärung hat den Charme des Einfachen. Aber hält sie auch stand?

Sehen wir uns genauer an, worum es geht.

Die Kultur schafft den ständigen gestressten "Erwachsenendarsteller"

Je mehr sich die Kultur und mit ihr die Gesellschaftsordnung auf das Individuum und seien Selbstentfaltung konzentriert, umso mehr entsteht der Wunsch, diese Fassade zeitweilig aufzugeben. Personen, die ständig ihr Selbstbewusstsein zeigen müssen und von denne in jeder Sekunde gefordert wird, sich als „Erwachsen“ zu präsentieren, sehen also im sexuellen Masochismus eine Flucht. (2) Und weil es sehr auffällig und wenig angebracht wäre, diese Art von Masochismus in die Gesellschaft hinauszutragen, blüht der erotische Masochismus in der Zweisamkeit auf – nicht unbedingt in der ehelichen. Diese Ansicht stammt schon dem Jahr 1988, ist also bereits etwa 30 Jahre alt. Sie wird allerdings dadurch gestützt, dass sogenannte „Dominas“ bereits seit Jahre beobachten, dass ihre Kundenkreise überwiegend aus sehr selbstbewusstesten Männern besteht und nicht aus krankhaft schmerzsüchtigen „Losern“.

Der befreiende Masochismus - wie realistisch ist er?

Hat der Masochismus also tatsächlich die Funktion, sich selbst von den sozialen Fassaden zu befreien? Und kann dies auf sinnliche, erotische oder gar sexuelle Weise wirklich in bestehenden Beziehungen geklärt werden? Und wenn es so ist, könnte es dann nicht beide Partner betreffen? Die Frage allein ist schon brisant genug. Denn bisher gingen Paare davon aus, dass möglicherweise einer von beiden „ein bisschen Maso“ sei, was weiter nichts schaden würde, aber nicht beide.

Zunächst jedoch geht es um den Masochismus selbst, der ja „offiziell“ nicht als Befreiung, sondern als Last angesehen wird. Was, wenn die Partner schon darüber unterschiedlicher Meinung sind? Und wie reagieren sie, wenn einer von beiden mehr Gebrauch von seiner „masochistischen“ Sinneslust machen will als der andere?

Die Meinungen sind nicht einheitlich - die Wahrheit liegt im Nebel

Die neue Beurteilung ändert manche Betrachtungsweisen, aber nicht alle. Zum einen, so scheint es nun zu sein, gibt es einen lustvoll-erotischen Masochismus, der auch nicht im Entferntesten krankhaft ist. Und falls er lustvoll ausgelebt würde, hätte er sogar eine therapeutische Funktion.

Zum anderen allerdings ist da nicht nur die alte Definition, und es gibt noch zahllose Menschen, die ihr folgen: Therapeuten wie Patienten. Und es ist nicht auszuschließen, dass der „alte Masochismus“ tatsächlich Ursprünge hat, für die man Herrn Freuds oder Herrn Krafft-Ebings Theorien benötigt. Eine kleine Recherche ergibt: Noch heute gibt es ähnliche Schilderungen des suchtähnlichen Masochismus, wie sie Krafft-Ebing verwendete: Beginn in der Kindheit aus unerfindlichen Gründen, Probleme in der Pubertät, Bordellbesuche, Zweifel an sich selbst. (3)

Vielleicht sollte man eine „Fachfrau“ fragen: eine, zu der Männer gehen, die einen großen Bogen um Therapeuten machen. Ich bin mir sicher: Sie könnten uns mehr erzählen über das, was ihre Kunden im „Innersten bewegt“.

Dieser Artikel wird kaum etwas ändern an den allgegenwärtigen Meinungen der „Fachwelt“, die immer noch verstreut werden. Aber vielleicht regt er zum Nachdenken an.

(1) Krafft-Ebing "Psychopathia Sexualis" , Seite 155 in der Ausgabe von 1984.
(2) Prof. Roy F. Baumeister, The Journal of Sex Research , 1988.
(3) Krafft-Ebing "Psychopathia Sexualis" , Seite 107 in der Ausgabe von 1984, "Patient Z".
Bild: Ca. 1935, Zeichner anonym.

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