Der Morgen danach
der morgen danach - nicht immer ein vergnügen
Irgendwann ist es fast jedem einmal passiert: Man wacht morgens in einem Bett auf, in das man durch Umstände gekommen ist, deren man sich nicht mehr gut erinnert. Frauen können sich angeblich oft besonders schlecht daran erinnern.
„Warum bist du überhaupt mitgegangen?“
„Ich weiß es nicht genau, ich muss betrunken gewesen sein.“
„Und – ich meine – hattest du Geschlechtsverkehr mit ihm.“
„Ich kann mich nicht erinnern – kann sein oder auch nicht.“
Natürlich waren nicht alle sturzbetrunken. Einige wissen noch genau, wie verheißungsvoll die Blicke waren, wie sinnlich die Lippen, wie zärtlich die Berührungen. Sie erinnern sich, ob sie sich selbst entkleidet haben oder entkleidet wurden, spüren noch seien Hände an sich – auch, wenn alles schon vorbei ist. „Es ist morgen, die Sonne schient, die Vögel singen und ich bin nicht schwanger – sicher nicht“. Das Gefühl nach der „klassischen Verführung“, das Männer und Frauen zur 1900er Jahrhundertwende noch als „Den Lendemain“ beschrieben – den Morgen danach. Auch damals wusste man nie so genau, wie man sich fühlte. Im Übrigen: Was sagt eigentlich eine Dame am nächsten Morgen? „Du wohnst aber schön hier?“ „Mann, warst du ausdauernd? „Vielleicht gar “Ich liebe Dich?“
Der nächste Morgen – Duschen, eine Tasse Kaffee, das Höschen von gestern – riecht etwas nach den Vorboten der Lust. Wenn er am Morgen danach noch gefällt, bekommt er vielleicht die richtige Telefonnummer oder sogar die Visitenkarte – dann ist sie unverheiratet und will ihn wirklich wiedersehen. Ja, es gibt sie, die Beziehungen, die im Lustrausch begonnen haben. Warum sollte es sie auch nicht geben?
Der Morgen danach – aufwachen, sich erinnern. Ja, es war schön, und damit die Erinnerung so schön bleibt, ist es manchmal besser, einfach zu gehen, wenn er schläft – und ihm einen kleinen Zettel zu hinterlassen, richtig kitschig: „Schatz, du warst wundervoll“ – mit Kussmund, aber ohne Telefonnummer. „Man will nicht noch einmal das gleiche Gericht wie gestern essen“ hat einmal eine berühmte Frau gesagt. Vor zwanzig Jahren hätte ich auch dies noch nicht geglaubt.
Am Morgen danach fragt er oft nach ihrer Telefonnummer. Mal aus echtem Interesse, mal aus Höflichkeit. Eine Freundin hat mir einmal verraten, dass sie immer deine getürkte Telefonnummer gibt: Eine Ziffer ist falsch. Warum sie das tut? „Wenn er wirklich Interesse hat, dann tut er alles, um meine richtige Nummer zu erfahren – und wenn nicht, dann war er es eben nicht wert.“
Nun habe ich also etwas gelernt, was ich noch nicht von Frauen wusste – aber eigentlich hätte ich es ahnen können.
Titelbild © 2007 by eyeliam
Kommentare
Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt