Die Hitze des Sommers hat uns fest im Griff: Außerhalb klimatisierter Räume stöhnen die meisten Städter nur noch und versuchen, sich Erleichterung zu verschaffen: Wenig Kleidung ist angesagt, und weil man ja nicht mit zweierlei Kleidung aus dem Haus geht, trägt jetzt auch die Direktionssekretärin nur noch das, was unbedingt nötig ist, um schicklich zu sein, während der Herr Vertriebsprokurist nach wie vor in blütenweißem Hemd mit dezenter Krawatte erscheint. Ganz klar: Unsere Frauen zeigen mehr Haut. Wo es halbwegs schicklich ist, werden jetzt kürzeste Röcke getragen, und man zeigt viel Bein – das geht sogar im Büro, während dort nach wie vor keine Transparenz bei der Bluse oder beim Top erwünscht ist und „bauchfrei“ bereits benasenrümpft wird. Im Freien sieht das schon anders aus: Die schicken jungen Bauarbeiter aus Italien tragen ihre Körper stolz und halb nackt, und aus dem gegenüberliegenden Büro hängen die Damen am Fenster, um sich an den schicken jungen Körpern sattzusehen.

Anders als im Frühjahr und Frühsommer, schießen die Triebe nun nicht aus dem innersten Verlangen ins Kraut, sondern entstehen aus dem visuellen Kontakt mit den sich lustvoll bewegenden Körpern, die sich auch unter der Kleidung fast nackt gebärden und sich ohne Scham vorzeigen lassen: Schließlich ist es heiß. Ein Hauch animalische Düfte, gepaart mit sanfterotischen Tagesparfüms oder den schweren Parfüms der Nacht, umweht jede auch noch so gut geduschte und mit Deodorant vor allzu viel Duft geschützte Haut – und gerade dieser Duft berauscht, solange der Schweiß nicht in seine weniger angenehmen Bestandteile zerfällt. Jeder Körper kann nun zum Lockmittel werden – und er wird es auch. Freizeit, er Leichtsinn des Sommers, ein paar Cocktails oder ein paar Gläschen Sekt – und schon trägt uns der Leichtsinn fort. Die Gartenparty ist der ideale Ort für schnelle, wilderotische Flirts, die sich schnell in nächtliches Stöhnen wandeln lassen: Wer sich mit seinem Flirtpartner etwas absondert von der Masse der Gäste, ist so gut wie vergeben für die nächsten Stunden, und oftmals wird der Traum, endlich einmal die Liebe im Gras zu vollziehen, dann Wirklichkeit.

Auch im Haus: Nacktheit erzeugt sinnliches Begehren

Der Sommer bringt auch die Nacktheit in die Liebe: Selbst, wer es sonst unschicklich findet, nur mit einem Höschen bekleidet durch die Wohnung zu gehen, ergibt sich jetzt der Hitze – und nachts liegt man nackt im Bett und gibt damit auch als scheuer und zurückhaltender Mensch die Sicht auf den Körper frei. Da sieht man vielleicht das süße runde Gesäß der Geliebten aus neuer Perspektive, entdeckt, wie sanft und sinnlich ihre Brüste im Mondlicht schimmern – oder gar, wie sinnlich ihre Füße sind. Vertrauen Sie mir – es gibt immer etwas zu küssen, auch wenn der Körper von Schweißperlen bedeckt ist.

Wenn Frauen nächsten aufwachen, werden sie auch ihre Geliebten im Sommer in neuem Licht sehen, und sich manches Mal wundern, dass ein Körperteil, der sonst unter der Decke verborgen liegt und dort als schwach und weich vermutet wird, plötzlich dasteht wie ein Schiffsmast – und so manche Frau kann dann nicht widerstehen, sich diese Tatsache sanft zunutze zu machen - weckt man den Geliebten nicht auch sonst durch Küsse und Zärtlichkeiten?

Die veränderte Sicht und der Leichtsinn des Sommers

Der heiße Sommer verändert unsere Sicht auf die Menschen, macht sie zugänglicher und bisweilen leichtsinniger. Ob es nun die einlullende Wirkung der Hitze war, die drei Gläser Champagner, der Duft des sinnlichen Körpers oder die Tatsache, dass man sich kaum irgendwelcher Kleidungsstücke entledigen musste, um die Liebe zu vollziehen – der Sommer bringt die Menschen auf dem kurzen Weg zur Liebe. Das Einzige, woran man sich zuvor noch erinnern sollte, ist das Kondom, und dies umso mehr, je weniger man den Menschen kennt, mit dem man plötzlich nackt im Gras liegt.

Der Gentleman genießt und schweigt - und immer mehr Ladies tun es auch

Der nächste Morgen? Manchmal gibt es ihn gar nicht – die Begegnung ist zu Ende, man küsst sich noch einmal intensiv und geht zur Party zurück, als sei nichts gewesen – und manchmal muss man dies auch. Schließlich sollte man mit dem Partner wieder gehen, mit dem man gekommen ist – auch wenn der Partner im Gras ein ganz anderer war. Gibt es ihn dennoch, den nächsten Morgen, sollte man nicht überrascht sein, wenn es keine Telefonnummer gibt. Manche Sommernächte sind eben dazu da, sich einfach einem Menschen völlig hinzugeben, den man nur einmal spüren will, aber dann bitte aus voller Seele. Nein, heute schämt sich eine Dame nicht mehr für das, was sie getan hat – aber sie will auch nicht gerade ihren guten Namen dafür hergeben. Mag sein, sie hat eine Kinderarztpraxis oder ist verheiratet – der eine Grund ist so gut wie der andere, keine Spuren zu hinterlassen. Nicht nur der Gentleman genießt und schweigt - auch manche Lady sichert sich den Genuss der Liebesnacht durch Anonymität.

Titelfoto © 2008 by puroticorico