Unser Induna ist weiterhin stark beschäftigt - sagt er jedenfalls. Solange er uns fehlt, schreibt Ubomi Ulobi über Dinge, die man hier noch nicht las. Zum Beispiel über die Geister der Vergangenheit, die sich regen, wenn eine Frau einen Mann verführen will.



„Das tut man nicht“ war der Spruch, mit dem meine Großmutter alles abwürgte, was sie für falsch hielt, aber ihrer Enkelin nicht erklären konnte. „ich denke nicht, dass ein wohlerzogenes Mädchen solche Dinge tun sollte“, sagte später die gute Tante Lisa, die eigentlich gar keine Tante war, aber einstmals in Diensten einer vornehmen Familie stand. Nun, und eine Dame, so lernte ich später von einer wirklich feinen Dame aus bester Gesellschaft, könne zwar alles tun, müsse aber „stets hernach in den Spiegel schauen und vor sich bestehen können“.

Heute, da ich erwachsen bin und Kolumnen für Erwachsene über erotische Kultur schreibe, muss ich manchmal an diese Lehren denken. Denn heute hat sich manches gewandelt, und eine „Dame“ ist längst zu einer Frau geworden. Das Spektrum der Entscheidungen hat sich geweitet. Ich kann tatsächlich darüber entscheiden, wann und wie oft ich mit einem Mann ins Bett gehe. Jedenfalls, solange ich es nicht überall herum erzähle.

Die Literatur kennt viele Beispiele, in Frauen als Verführerinnen auftreten. Ob die Autorin (oder auch der Autor) sie untergehen lässt oder verherrlicht, entscheidet nicht nur die Schreiberin, sondern auch der Zeitgeist. Wer tut, was noch nicht sein darf, muss leiden oder gar sterben. Wer aber mutig den Weg weist, bleibt angesehen, heiratet reich oder führt ein Leben in Lust und Wonne.

Literatur und Leben sind nicht Anstandserziehung und Sonntagsschule. In der Fantasie gibt es viel zu junge Frauen, die viel zu alte Männer verführen und Großmütter, die sich an jungen Studenten vergreifen. Ältere Gutsherrinnen treiben es mit jungen Stallburschen, und junge Journalistinnen proben alle Variationen des Lustschmerzes. Frauen verführen nicht nur Jünglinge und Greise, sondern auch schüchterne junge Frauen und liebeserfahrenen Mittfünfzigerinnen.

Ins Ohr flüstern: "frag mich doch endlich?"

Doch im Leben? Da muss der Partner erst einmal ins Bett geholt werden, und auch die Scham will überwunden sein. Großmutters Worte hallen auch nach Jahren noch in den Ohren nach: „Das tut man nicht, Kind“. Wenn es nicht dies ist, so ist es der Blick auf das Morgen. Werde ich mich noch im Spiegel ansehen können und sagen: „ja, das wollte ich?“

Die gute Gesellschaft nennt da, was wir tun möchten, und vielleicht tun sollten, einen „heftigen Flirt“. Viele haben Angst davor, weil sie in den Augen der Öffentlichkeit nicht als leichtfertig dastehen mögen. Manche nennen es „Schlampen-Panik“, die uns befällt. „Mein Gott, vielleicht wird er uns am Ende nicht mehr respektieren, wenn wir ihn zu deutlich beflirten? Er wird uns sicher verachten, wenn wir ihm ins Ohr flüstern: „Frage mich doch endlich, ob ich mir dir schlafen will.“ Sagen es uns nicht die Bücher, die uns raten, wie wir uns benehmen sollten bei unseren Flirts? Die Großmutter hätte sicher gesagt: „Tu es nicht, Mädchen, mach dich rar, denn begehren dich die Männer nur umso mehr.“ Die Tante hingegen hätte gesagt: „Lass stets den Mann den ersten Schritt machen, sonst verschenkst du dich ja an ihn“. Ja, und der Spiegel? Sagt er: „Sei stolz darauf, dass du es getan hast, wer weiß, wann die Gelegenheit wieder kommt?“ oder wird er sagen „schäm dich, dass du dich diesem Kerl hingegeben hast, bei deinem Aussehen hättest du doch wirklich etwas Besseres benommen können!“

Ach, Spieglein, Spieglein an der Wand. Ich werde einfach an dir vorbeischleichen, oder dich verhängen. Meine Freundin Ulrike, eine Frau von altem Adel, pflegte immer zu sagen: „Gentlemen genießen und schweigen - Ladies genießen und reden nicht einmal über ihr Schweigen.“ Vielleicht sollte ich dies auch euch mit auf den Weg geben.

Titelbild © 2009 by anna.