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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Das Internet ist nicht der neue Amor

auch ein amor: das lebkuchenherz


Man schreibt das Jahr 2001 – das deutsche Internet ist gerade dabei, erste Flügel zu bekommen. Am Valentinstag 2001gründet der Verleger Georg von Holtzbrinck Parship und hat damit die entscheidende Idee: Das bislang äußerst attraktive ZEIT-Anzeigengeschäft mit Heiraten und Bekanntschaften braucht eine moderne, seriöse Variante, die auch für Frauen attraktiv ist. Das Problem: Der Verleger wusste nicht, ob ihm das Projekt jemals Geld in die Kasse spülen würde. Alles im Internet galt damals als „kostenlos“. Vor allem die Frauenzeitschriften versuchten, mit kostenlosen Online-Anzeigen im Netz populär zu werden.

Die Wochenzeitung die ZEIT und der Versuch mit PARSHIP

Holtzbrinck hatte Erfolg. Mit ihm versuchten andere Pioniere online Partnerbörsen, Partnervermittlungen, Singlebörsen und Flirtportale zu gründen. Nach und nach entstand ein „Boom“, der seinerseits eine unglaubliche Gründungseuphorie auslöste. Die Nachahmer von Holtzbrinck hatten dabei ein Handicap: So einfach ist es nicht, einen Algorithmus zu finden, der ebenso pragmatisch wie glaubwürdig ist. Dies Problem besteht übrigens bis heute und es wurde sogar in einem Test dokumentiert. Andere brauchten nur eine Datenbank, was wesentlich einfacher zu handhaben ist – und bis heute versuchen irgendwelche Glücksritter, damit Erfolg zu haben, obgleich ihr Vorhaben aussichtslos ist.

Die Zeit der Inserentinnen, Bekanntschaften und Heiraten

Wer das Ganze als ein Spiel mit den Möglichkeiten sieht, ist gut beraten. Wer in den 1990er Jahren eine Anzeige in die ZEIT setzte, war in der Regel hinreichend seriös, denn die Kosten für derartige Inserate waren so hoch, dass sich Inserenten gut überlegen mussten, ob sie sich die Anzeige leisten wollten. Auf der anderen Seite war die Zeit aber eine Fundgrube für all jene, die liberale Akademikerinnen und Akademiker in mittleren Jahren suchten. Man wusste, wer man war und vor allem wusste man, was man wollte. Das Spektrum reichte von der „etwas anspruchsvollen Mädchenfrau“ über die „Vollblutfrau mit Esprit“ bis zur nüchternen Feststellung, es sei nun „Zeit zum Heiraten“. Trotz der Seriosität (oder gerade deswegen) konnte man aus den Anzeigen herauslesen, welche Art von Beziehung letztendlich gewünscht wurde.

Man redete nicht darüber, dass man "über Anzeigen" suchte

Wer „dabei“ war, ließ es sich äußerlich nicht anmerken. „Man“ hatte so etwas nicht nötig, selbst dann, wenn man es bitter nötig hatte, weil der „Markt vor Ort“ restlos abgegrast war. Medien wie die ZEIT wandten sich ganz bewusst schon damals an Menschen in der gesamten Republik, sodass es möglich war, in der Breite zu suchen.

Der "neue Amor" ist weder Amor noch neu

War dies der neue Amor? Niemand hätte dies behauptet, und kein Soziologe hätte von einer „Revolution des Kennenlernens durch Zeitungsanzeigen“ gesprochen. Doch heute ist die Sache anders: Die Suche bei PARSHIP, ElitePartner oder eDarling ist gesellschaftlich anerkannt, und man darf darüber reden, sich über eine Partneragentur kennengelernt zu haben. Kein Wunder, dass man nun von einem „Phänomen“ spricht.

Ehelos bis 35 und gut ausgebildet - Leitbild Single?

Doch das Phänomen liegt ganz woanders. Der eigentliche gesellschaftliche Umbruch begann, als die jungen Menschen fast alle nach dem Abitur und sehr viele nach einem Studium strebten. Lernen wurde zum Stress, der die ganze Aufmerksamkeit der jungen Leute erforderte. Sicher hatte man auch erotische Kontakte, Freunde und Freundinnen, aber an Heirat und Kinder war nicht mehr zu denken. Durch das lange Alleinleben und die Konzentration auf die Ausbildung wurde deutlich: Man kann sehr gut auch ohne Partner oder mit Gelegenheitspartner leben.

Die Glocken läuten zu spät - und das Hirn tickt bereits anders

Doch eines Tages läuten die inneren Glocken: So geht es nicht weiter. Dann ist die Verwaltungsangestellte 29, die Hochschullehrerin 34 und die Managerin 39 – und genau jetzt setzt das Rattenrennen um den Mann ein. Damit nicht auffällt, wie dringend der Wunsch nach Zweisamkeit ist, gibt man sich arrogant und „lecker“. Zunächst findet häufig ein „witziges“ Ablehnspiel statt: Am ersten Dutzend Kandidaten können sich die Damen vorzüglich ablästern, und manche machen ein Hobby daraus und schreiben ein Buch darüber. Selten steht darin, dass sie selbst mehrfach abgelehnt wurden, weil sie ihre inneren wie äußeren Werte überschätzt hatten. Dann aber kommt die Ernüchterung, selbst als Partner nicht viel wert zu sein – das darf eine Akademikerin um 35 aber auf keinen Fall sagen, und so werden andere Gründe vorgeschoben, nun doch lieber Single zu bleiben. Still und heimlich, damit es nun wieder niemand bemerkt, bestellt man sich Lover. Mal sind es junge Kerle, die Lust auf Frauen haben, die nicht lange herumzicken, mal Ehemänner, die Lust auf Seitensprünge haben und manchmal (noch selten) sind es Männer, die abfällig als „Mietrammler“ bezeichnet werden und offiziell als „Gentlemen-Escort“.

Frauen und Männer im Single-Stress

Übrigens geht es Männern durchaus ähnlich – die vehemente Suche, das arrogante Ablehnen, der Frust, selber abgelehnt zu werden, der Rückzug, das Leben eines Singles, das man besser als Leben eines verbitterten Mannes im mittleren Alter bezeichnen sollte. All das kennen wir und natürlich auch, dass es bequemere Wege als Singlebörsen gibt, um dann und wann eine Frau auf Zeit zu haben: Casual-Dating-Agenturen decken den Bereich der Abenteurer ab, Huren stillen den schnellen Hunger und Escort-Ladies die sinnlichen Bedürfnisse.

Das Internet ist nicht der neue Amor

der alte amor - so falsch und kitschig wie der neue
Der neue Amor? Nein, das Internet ist nicht der neue Amor. Es ist ein Medium, weiter gar nichts, ein schrecklich aufgeblasenes Medium voller arroganter Behauptungen und voller Menschen, die weder sich selbst kennen noch wissen, was sie eigentlich suchen.

Das alles wäre änderbar. Allerdings nicht durch das Medium, sondern nur durch uns selbst. Wer mit dem Medium "Internet" nicht umgehen kann, wer der teils reißerischen Werbung glaubt und wer meint, die fertig ausgezogenen und mit Schokoladensoße überzogenen Damen und Herren würden in die Postfächer fliegen, der ist einfach zu blöde für das Medium. Das gilt nicht nur, wie aus meinen Worten möglicherweise entnommen wird, für Erotikwünsche, sondern auch für die ganz gewöhnliche Partnersuche: Der Kandidat, der Ihnen vorgeschlagen wird, ist nicht der Kandidat, mit dem sie nächste Woche zu Abend essen und dann vor den Traualtar treten, sondern er ist nur ein Mensch von vielen, der möglicherweise zu Ihnen passen könnte – oder auch nicht. Ausprobieren muss man es in jedem Fall selbst.

Bild unten: Francois Gerard, Psyche bekommt den ersten Kuss von Amor.

Bild oben: © 2011 by liebesverlag.de

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liebepur am : Das Internet: Nicht der neue Amor, und keine Dating-Revolution

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Medien zu überschätzen, ist eine der Hauptübel des modernen Menschen. Millionen glauben, was in der Boulevard-Presse steht, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wie diese „Meldungen“ gemacht werden. Ebenso ist es mit dem Privatfernsehen: Zumeist

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