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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
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Großmutters Selfies – die schwierige Lust am eignen Foto

Das Bild ist wahrscheinlich kein Selbstporträt, zeigt aber die charakteristische starre Haltung, die eine Person annehmen musste
"Großmutters Selfies – die schwierige Lust am eignen Foto" ist ein mehrteiliger Bericht, der noch diverse Ergänzungen verträgt. Auch das dahinter stehende Geheimnis, wer diese Bilder schuf, für wen sie gedacht waren und wie sie letztendlich verloren gegangen sind, bedarf noch einer weiteren Klärung.

Sehen Sie, das sind Sie ja immer wieder, diese Selfies. Und ich meine wirklich nicht diejenigen, die jeden Tag mithilfe dieser eigenartigen Angelruten am Strand von Teneriffa gemacht werden. Sondern diejenigen, die manche Damen heute an ihre Liebhaber schicken. Mal im Abendkleid mit großem Dekolleté, mal im Bikini, mal in der Unterwäsche, dann wieder brustfrei oder auch mit offenem Bademantel und rasierter Muschi.

Wer schon einmal ein paar davon mit der Digitalkamera oder dem Handy erstellt und verschickt hat, wird wissen, dass sie nicht immer gelingen, denn der Badezimmerspiegel reflektiert den Blitz oft so intensiv, dass ganze Bereiche des Bildes im Nebel versinken. Und oftmals ist es das das Gesicht, das sich auf diese Weise in einem hellen Nebel auflöst.

Sittlichkeit und andere Schwierigkeiten

Doch wie war das eigentlich mit dem „fotografischen Selbstporträt“, sei es nun stocksteif und edel oder beschwingt und erotisch? Und wie war die Rolle der Frauen in diesem Zusammenhang? Waren adlige Damen und die Ehefrauen von „Industriekapitänen“ immer brav verhüllt und Bordellbewohnerinnen und Friseurinnen eher in ihrer Unterwäsche zu sehen? Und … was war überhaupt technisch möglich, vom „Sittlichen“ einmal abgesehen?

Die tatsächlichen technischen Hürden sind fast vergessen

Ich darf dazu anmerken, dass in verschiedenen fotografischen Zeitschriften die technische Machbarkeit mit der technischen Verfügbarkeit verwechselt wird. Wenn es also heißt, dass man schon um 1900 ausgezeichnete Gerätschaften besaß, die traumhaft scharfe Fotos in jeder Lage erzeugen konnten, so war dies das „theoretisch Mögliche“, aber nicht einmal das, was sich eine Frau aus dem besseren Bürgertum leisten konnte.

"Gut Licht" war der Fotografengruß - weil das Licht meist mies war

Pseudo-Selfies von Frauen sind seit 1880 in Umlauf
Man muss wissen, dass in der Frühzeit der Fotografie in Innenräumen stets ein Mangel an „verfügbarem“ Licht bestand. Wenn wenig Licht, fragwürdiges Filmmaterial und schlechtes Gerät zusammenkamen, was bei Amateuren fast immer der Fall war, konnten keine brauchbaren Innenaufnahmen erstellt werden. Dem Amateur, auch dem sehr engagierten, standen vom Anfang der Fotografie bis in die 1960er Jahre kaum die Mittel zur Verfügung, um diese Hürden zu überwinden. Einige der Gründe führe ich in diesem Artikel auf, soweit sie gewöhnliche Selbstporträts betrifft oder solche, die der Akt- und Erotikfotografie zugeordnet werden können. Wie auch sonst im Leben erliegen auch heutige Autoren oft der Annahme, dass alles, was technisch möglich war, auch tatsächlich verfügbar war. Die beiden Hauptkomponenten, die für erfolgreiche Fotografien (und damit für erfolgreiche Selfies bei wenig Licht) unerlässlich sind, setzen sich aus dem fotografischen Objektiv und dem Filmmaterial zusammen. Die dritte – und die unsicherste - Komponente war (und ist) das Modell, das im Falle des weiblichen Selbstporträts mit der Fotografin identisch ist.

Sinnlich wirken und stocksteif stehen?

Beginnen wir mal mit dem Modell, und dies zunächst höchst oberflächlich. Die Belichtungszeiten, die man bei dem üblichen Fotogerät bei „vorhandenem Licht“ benötigte, lagen deutlich im Sekundenbereich. Das heißt, die Pose musste über eine relativ lange Zeit ohne Wimpernzucken gehalten werden – und dies trotz aller mit dem Selbstporträt verbundenen Erschwernisse und der Nervosität, die dabei zumeist entsteht. Sieht man sich die meisten Belichtungstabellen jener Zeit an, so findet man gar keine Einträge für Glühlampenlicht, doch kann man in etwa errechnen, dass man Belichtungszeiten (nach Dr. Max Leo) zwischen zwei und zwölf Sekunden einplanen musste. Wer da nicht blinzelt, muss schon eine sehr eiserne Natur habe,

Das Material für Foto-Amateure war ziemlich mies

Die Hauptprobleme lagen damals bei der Lichtstärke der Objektive, der Länge ihrer Brennweiten, der Scharfzeichnung und nicht zuletzt bei dem schlechten Filmmaterial, das durch Drogisten-Entwicklung häufig noch verschlechtert wurde. Natürlich war es technisch machbar, schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts scharfzeichnende Objektive mit schnellen Verschlusszeiten zu bauen, die auch in der Werbung gezeigt wurden. Doch das half selbst demjenigen nicht, der (beispielsweise) die teuren Faltkamera Ikonta mit dem Spitzenobjektiv Tessar und einer Lichtstärke von 1:4,5 besaß. Mit dem damaligen Filmmaterial reichte dies auf gar keinen Fall, um in einem durchschnittlichen Innenraum bei Tages- oder Kunstlicht Aufnahmen „aus der Hand“, also mit Verschlusszeiten von 1/25 Sekunde oder kürzer herzustellen. Man kann sich leicht vorstellen, dass sich damit kein Blumentopf gewinnen ließ, wenn es um Selbstporträts, insbesondere aber um Akt- und Erotikfotografie in Innenräumen ging. Ganz generell scheiterte die Verbreitung der Fotografie in Innenräumen (und nicht nur der Porträt-, Akt- und Erotikfotografie) zunächst an folgenden Problemen:


1. Größe und Gewicht. Die ersten Kameras waren großformatig und schwer und benötigten zahlreiche Zubehörteile, die getrennt transportiert werden mussten. Neben den Faltkameras, die lange Zeit die Szene beherrschten, war es vor allem die Kleinbildkamera, die diesem Zustand ein Ende bereitete. Auch die BOX hatte einen Anteil daran, konnte aber bei Innenaufnahmen nicht mithalten.
2. Die Konstruktion der Objektive. Gute Objektive waren zu Anfang rar. Selbst das legendäre Zeiss Tessar kam erst nach mehreren Neuberechnungen zu seinem ausgezeichneten Ruf. Die meisten Allgebrauchs-Kameras aber besaßen kein solches Objektiv, sondern Konstruktionen mit einer, zwei oder drei Linsen. Offen gesagt: Die Qualität war zumeist mies, sogar beim Abblenden. Noch in den 1960er Jahren wurden Kleinbildkameras mit erbärmlich schlechten dreilinsigen Objektiven verkauft.
3. Die Lichtstärke. Wie bereits erwähnt, waren gute Objektive unglaublich teuer, und Öffnungen von 1: 6,3 waren auch in den „modernen“ Rollfilmkameras noch äußert üblich – damit konnte man keine brauchbaren Innenaufnahmen herstellen. Die BOX, sozusagen die Volkskamera, hatte gar nur eine Lichtstärke von 1 : 11. Zum Vergleich: Heutige Spitzenkameras haben eine Lichtstärke von 1: 1,4 und weniger.
4. Der Verschluss. Die ersten Kameras hatten gar keine Verschlüsse: Man nahm den Objektivdeckel ab, belichtete nach der Taschenuhr oder durch Sekunden zählen. Dann kam der Deckel wieder drauf. Erst die modernen Lamellen- oder Schlitzverschlüsse machten dem ein Ende. Es heißt aber noch lange nicht, dass jede Kamera eine verstellbare Verschluss-Zeit hatte. Box-Kameras hatten nur eine, und die war viel zu lang, um immer und überall scharfe Bilder zu bekommen.
5. Der Sucher. Besonders bei Klapp-und Boxkameras lag der Sucher hart an der Grenze zur Unbrauchbarkeit. Helle optische Sucher waren nur in die „besseren“ und relativ teuren Kameras integriert, Spiegelreflexkameras waren so gut wie unerschwinglich,
6. Das Filmmaterial. Zuerst gab es gar keine Filme, sondern nur Glasplatten, die nach jedem Bild gewechselt werden mussten. Als es Filme gab, waren sie nicht ausreichend empfindlich, und sie verfälschten trotz des Versprechens, „panchromatisch“ zu sein, die Hauttöne. Sogenannte „hochempfindliche“ Filme waren zunächst noch schlechter – gerade sie hätte man aber für Porträt- und Aktaufnahmen benötigt. Die Qualität deutscher Amateur-Produkte ließ ohnehin oft zu wünschen übrig – flaue Bilder mit Grau-in-grau-Tönen waren oftmals typisch für die Kombination der damals üblichen Filme, der Entwicklungskunst der Drogisten und der Objektive. (1)
7. Das Entwickeln, Vergrößern und Kopieren. Zu Anfang tat der Fotograf dies noch selbst, doch im aufkommenden Amateurgeschäft durch Rollfilme und Kleinbildfilme wurden Drogisten die Ansprechpartner für Fotografen. Dabei wurde zugleich auch eine Sittlichkeitshürde eingeführt. Niemand dufte wagen, „anzügliche“ Fotos beim Drogisten entwickeln zu lassen.
8. Die Belichtungsmessung. Sie war - schlicht gesagt – eine Katastrophe. Die üblichen Belichtungsmesser versagten den Dienst schon bei Schmuddelwetter, und im Innenbereich funktionierten die meisten gar nicht. Man schätze die Belichtungszeit oder benutzte Tabellen – mit sehr wechselndem Erfolg, jedenfalls beim Fotoamateur. Diesmal lag’s an der Technik, die nur zögerlich weiterentwickelt wurde.
9. Die Entfernung. Heute geht man wie selbstverständlich davon aus, dass eine Kamera die Entfernung misst. Früher brauchte man dazu entweder sündhaft teure Entfernungsmesser oder ein Zentimetermaß. Falls sich die Entfernung überhaupt einstellen ließ.
10. Und für „Selfies“: der Auslöser. Selbst gute Kameras verfügten nicht über „Selbstauslöser“, die separat erworben werden mussten und sich nicht immer eigneten. Fernauslöser gab es zwar, sie stellen aber eine weitere Herausforderung dar, weil sie nicht sichtbar sein duften und auch nicht gerade billig waren. Selbst bei den teuersten Kameras wurde der Film nicht „automatisch“ transportiert, sondern musste von Bild zu Bild fortgeschaltet (weitergedreht) werden. Also musste man beim Selbstporträt immer wieder zur Kamera zurücklaufen und „weiterdrehen“, dann erneut die Pose einnehmen und kontrollieren … und so weiter.

Dies ist der erste Teil von bislang drei Teilen der Geschichte der "Selfies".

(1) Selbst-Entwicklung mit Spezialentwicklern und die Verwendung englische Filme waren die Lösung für viele Amateure.

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