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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Das wundersame Auftauchen des Johari-Fensters und das Date

Meine Eingangsbox besteht nicht nur aus E-Mail, sondern auch aus RSS-Mitteilungen. Und auf diese Weise las ich in der „Vogue Deutschland“ einen Artikel über die moderne Partnersuche nach Art von Bumble (1):

Wenn zwei Menschen erstmals aufeinandertreffen – was beim Dating der Fall ist –, kommt ein psychologisches Konzept zum Tragen: das sogenannte Johari-Fenster. Unser Gegenüber stellt für uns einen blinden Fleck dar, was uns unsicher macht. Wir werden verschlossener oder nicht ganz authentisch, weil wir nicht wissen, was gut ankommen würde.


Zurück in die 1970-er Jahre?

Ich fühlte mich plötzlich um 50 Jahre zurückversetzt: Johari-Fenster? War das nicht ein Psycho-Werkzeug, das in den 1970er-Jahren in Deutschland durch das „Sensitivity-Training“ bekannt wurde? Ich erinnere mich, dass auch die Selbsterfahrungsgruppen gerne auf diese Methode zurückgriffen. Im Grunde war dieses Werkzeug noch älter, denn die ursprünglichen Autoren schufen es in den 1950-er Jahren.

Viele Mythen um "Blinde Flecken" und das "Unbewusste"

Ja, das war es – und der „Blinde Fleck“ war sozusagen das Mantra der vielen, vielen Psycho-Trainer, die es später verwendeten. Es hatte etwas Mystisches: Etwas existiert in dir, von dem du nicht weißt, vergleichbar mit Freuds „Eisberg-Modell“, dem „Unterbewussten“, was (nach Freud) viel mehr von uns ausmacht als das „Bewusste“. Solche Theorien begeistern Menschen, die auf der Jagd nach den „verborgenen Geheimnisse der Psyche“ sind.

Herunter zu den Graswurzeln: Die Sache ist viel einfacher. Wenn du deine Eigenschaft anguckst, dann gibt es solche, von denen du weißt, und die du öffentlich zeigst. Man sagt dazu auch: Deine Arena. Allerdings hast du auch Eigenschaften, die du nicht ans Licht lässt. Vielleicht, weil du darin nicht geübt bist, aber auch, weil sie dir peinlich sind oder du andere Zweifel oder Hemmungen hast. Gelangweilt? Pass auf, das ist die dritte Scheibe im Johari-Fenster: der blinde Fleck.

Der echte Blinde Fleck

Genau genommen ist er der Teil, den andere in Dir sehen, du selbst aber nicht. Und wenn wir noch präziser hinschauen, dann gilt dies überwiegend für die Gruppe, in der du dich gerade befindest. Dieser Teil ist beispielsweise wichtig, wenn du in einem Team arbeitest. Siehst du dich selbst als „kreative Kraft“, während andere denken, du wärst ein Träumer, der auf Wolken wandert, dann Verwehren sie dir die Beteiligung an kreativen Gedanken oder deine Vorschläge werden nicht beachtet.

Insofern, so heißt es aus psychologischer Sicht, ist es gut, den „blinden Fleck“ zu kennen und über sinnvoll Kommunikation Klärungen herbeizuführen.

Das ist alles – wirklich. Die Trainer versuchen meist noch, etwas über die „Verschiebung der Bereiche“ zu philosophieren, aber das ist eine Frage der Empfindungen. Teils dienen sie auch dazu, die vierte Fensterscheibe zu würdigen, die im Grunde völlig bedeutungslos ist.

Bei den kurzen Zweier-Begegnungen (Dates) geht es um andere Ziele

Versucht man nun, das Fenster auf „kurze Zweier-Begegnungen“ unter Fremden anzuwenden („Dates“) dann stimmt das Konzept nicht mehr. Die Schwierigkeiten bestehen darin:

1. Beide Personen offenbaren zunächst wenig von sich.
2. Sie halten ebenfalls mehr als üblich zurück.
3. Beide haben „blinde Flecken“, also Eigenschaften oder Vermutungen über Eigenschaften, die der/die andere ihnen zuweist.

Das heißt, beide wissen nicht, wie der andere sie sieht. Der Psychiater Ronald D. Laing hat festgestellt, dass es noch mehr „Knoten“ gibt, also nicht nur „den Blinden Fleck“, sondern eine Art Ping-Pong-Spiel mit mehreren Ebenen. Ohne Einzelheiten darüber zu diskutieren: Die Lösung besteht darin, nach und nach mehr von sich selbst preiszugeben und Fragen möglichst ausführlich zu beantworten. Die Theorie sagt aus, zu Anfang ein „kleines Geheimnis“ zu offenbaren. Je nachdem, wie der andere reagiert, kann die Person dann weitere „Geheimnisse“ preisgeben, entsprechende Fragen stellen oder das Gespräch wieder „herabzustufen“. Tatsächlich käme in Idealfall dann die „was-wäre-wenn“-Frage auf: „Wenn du jetzt mit ihm/ihr zusammen wärest, würde dir das gefallen, was er/die gerade offenbart?

Dieser Artikel ist zu kurz, um Fragen der „Bildung von Gemeinsamkeiten“ endgültig zu beantworten. Aber so viel ist sicher: Die Grundfrage bei sogenannten „Dates“ ist: „Würde es mir gefallen, mit ihr/ihm ein Leben zu führen, dass ihren/seinen Vorstellungen entspricht – und wie sehe ich meine Rolle darin.“

Und um dies zu tun, ist ein Johari-Fenster kein brauchbares Mittel.

Ein kurzes Nachwort

Als ich den vorgenannten Artikel in der deutschen Vogue nach einigen Tagen noch einmal aufrufen wollte, war er nicht mehr vorhanden. Mir ist unbekannt, warum sich die Vogue dazu entschlossen hatte. Und ich rate zur Vorsicht, wenn Dating-Unternehmer(innen) die "psychologischen Grundlagen" von Begegnungen hervorheben.

(1) Stellt bitte selber fest, ob der Artikel in der VOGUE zum dem Zeitpunkt noch existiert, in dem ihr dies lest.

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