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Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Das Unbewusste – und wie Sie darüber getäuscht werden

In meinem Artikel (in drei Teile aufgeteilt) über Partnersuchen und Unterbewusstsein verwende ich den Begriff „Unterbewusstsein“ keineswegs kritisch, sondern noch weitestgehend volkstümlich. In Wahrheit sind „Unterbewusstsein“ „Unterbewusstes“ und ähnliche Begriffe freilich Wortungetüme, die nichts Genaues bezeichnen. Die Substantivierung – „Das Unbewusste“ oder noch schlimmer „Das Unterbewusstsein“ suggerierten dem Menschen, vom Grundschüler bis zum Gymnasiasten, es handele sich hier um einen fest gefügten Zustand, der sich genau beschreiben ließe. Das ist keineswegs der Fall.

Zwar in altertümlicher Sprache, doch relativ klar, weiß noch Meyers Lexikon von 1890-1891:

In einem mehr relativen Sinne dagegen unterscheidet man die von irgend einem Grade der Aufmerksamkeit begleiteten und in eine das Innenleben beherrschende psychische Synthese zusammengefaßten Vorgänge als bewußte von den im Hintergrund thätigen, mehr oder weniger verdunkelten seelischen Inhalten … Besser nennt man sie aber vielleicht mit Dessoir unterbewußt, zum Unterschied von den oberbewußten Elementen, auch mit Rücksicht darauf, daß vielfach die beiden so getrennten Bewußtseinssphären gleichzeitig verschiedene Thätigkeiten in sich abspielen lassen können (Doppelbewußtsein) oder sich in der Herrschaft neben den ganzen Menschen abwechseln.
(1)

Dies alles änderte sich schlagartig, als ein gewisser Sigmund Freud die Bühne der Wissenschaften betrat. Auch er spaltete das ICH bald auf (in ICH, ES, und ÜBER-ICH), zugleich aber brachte er mit Vehemenz den Begriff des Unbewussten zum Durchbruch.

Das Online-Lexikon Wikipedia beschreibt Freuds Vorstellung so:

Nach Freud ist das Unbewusste des erwachsenen Menschen ein System, das vor allem aus verdrängten oder abgewehrten Bewusstseinsinhalten besteht. Das Unbewusste beinhaltet insbesondere die Triebe bzw. genauer deren psychische Vorstellungsrepräsentationen … Diese unterliegen, so Freud, einer „Urverdrängung“, sind aber dennoch, auch ohne bewusstes Wissen der Individuen, handlungswirksam …“


Der eigentlich Unterschied besteht nun darin, dass Freud das „Unbewusste“ malefiziert hat: Stark vergröbert wurde dem Unbewussten also „das Böse“ oder „das Schlechte“ zugewiesen. Zugleich glaubte Freud (laut Wikipedia) dass ein „unbewusster seelischer Inhalt“ von der Person, die kompetent dafür ist (der Mensch, der dieses Unbewusste in sich trägt), nicht mehr sichtbar gemacht werden kann.

Die Ärzte (denn um solche handelte es sich ja), die sich damals mit dem Unbewussten beschäftigten, konnten vermutlich gar nicht anders handeln, als solche Annahmen zu erstellen. Die neue Vorstellung, dass dieses „Unbewusste“ einen ungeheuer großen Einfluss auf die Menschen hätte, setzte sich vor allem im Bildungsbürgertum durch. Vor allem die Damen hatten ihren Narren gefressen an der neuen Wissenschaft des Doktors aus Wien. Noch beliebter freilich wurde die Theorie des esoterisch angehauchten Schweizer Psychiaters Carl Gustav Jung, der auch heute noch wie ein Messias verehrt wird.

Für die Bewältigung des gewöhnlichen Alltags ist allerdings außerpsychologisch so gut wie ausschließlich das Unbewusste zuständig. Sie erkennen dies daran, dass sie kaum nachdenken, wenn sie Routinetätigkeiten durchführen wie etwa sich zu duschen, das Frühstück vorzubereiten oder Auto zu fahren. Wie kann dies sein, wenn doch Herr Freund und Herr Jung anderes behaupteten?

Es ist wirklich schwer zu begreifen, doch fällt etwas Licht auf die Wahrheit, wenn man Freud und Jung als Kinder ihrer Zeit ansieht. Beide ahnten noch nicht, dass die Körperfunktionen ebenso wie die geistig-seelischen Zusammenhänge ausschließlich vom Gehirn gesteuert wurden. Sie konnten nicht wissen, dass diese Steuerung weitgehend automatisch und durchaus selbstregulierend funktioniert, solange man sie nicht sehr deutlich daran hindert. Sie hatten nie etwas von sich selbst regulierenden Systemen (Kybernetik) oder Steuerungstechnik gehört. Mit anderen Worten: Sie waren Ärzte ihrer Zeit mit einem gewissen Hang zur Philosophie.

Es ist für einen Wissenschaftskritiker wie mich relativ schwierig, der geballten Macht der Psychologie-affinen Online-Lexikons Wikipedia etwas entgegenzusetzen. Ich versuche es dennoch, denn nichts ist für uns Menschen wichtiger, als die reine Wahrheit über uns selbst zu erfahren. Deshalb hier noch einmal:

1. Das Unterbewusstsein ist weder gut und noch schlecht, und es ist vor allem kein Abfallbehälter für schlechte Gedanken oder Gefühle. Es steuert die Grundfunktionen unseres Lebens so lange, bis es ans Bewusstsein meldet: „Denk gefälligst nach, modifiziere mich, ich bin mit meinem Latein am Ende.“ Dann sagen wir: „Ich habe da ein Problem“.
2. Das Unterbewusstsein ist aber auch nicht, wie oft behauptet wird, lediglich „die Vorstufe des Bewusstseins“, wie beispielsweise das Online-Lexikon Wikipedia effektheischend vermeldet. Es ist vielmehr so, dass Bewusstsein und Unterbewusstsein in einem ständigen Kontakt miteinander stehen müssen, der noch wenig erforscht ist.
3. Anhand des „Blackbox-Prinzips“(2), ja, sogar mit „Volksweisheit“ lässt sich beweisen, dass bewusste Prozesse ins Unterbewusstsein heruntergeholt werden können und dort so automatisch wirken, als hätten wir sie mit der Muttermilch aufgesogen. Fragen Sie sich doch selbst bitte einmal, ob sie heute noch mit „Bewusstsein“ ihr Auto um eine Kurve steuern. In der ersten Fahrstunde haben sie dies aber getan.
4. Es ist sehr wahrscheinlich, dass unser Unterbewusstsein sehr wenig Energie benötigt, um zu funktionieren – wie übrigens alle automatisierten Systeme. Warum sollte der Körper, der sich ökonomisch verhält, alle wichtigen Prozesse ins Bewusstsein verlagern, wo sie deutlich mehr Energie benötigen?
5. Die moderne Neurobiologie kann etwas, was Freud noch nicht konnte: Feststellen (Zitat Wikipedia) „dass im menschlichen Gehirn neuronale Prozesse und bewusst erlebte geistig-psychische Zustände aufs Engste miteinander zusammenhängen und unbewusste Prozesse bewussten in bestimmter Weise vorausgehen.“ Das ist sicherlich wahr - doch haben die Neurobiologen keine Ahnung, wie diese Prozesse datentechnisch zusammenhängen und welche Rückkoppelungsprozesse wann, wo und wie wirksam werden. Das behaupten sie im Übrigen auch gar nicht.

Ich kann Ihnen wahrhaftig nur raten: Glauben Sie jenen Vereinfachern nicht, die Ihnen sagen, wie das Unbewusste wirkt. Da es in Ihnen als Person wirkt – finden Sie es doch einfach heraus.

(1) Anmerkung des Autors: Gemeint war die Dipsychismus-Theorie des Psychologen Max Dessoir. Er erkannte vor vielen anderen, dass Menschen offenbar über ein Doppel-Ich verfügen, welches sich aus beiden Zuständen nährt. Diese Theorie ist im Grunde äußert modern und durchaus zutreffend, wenngleich sie verfeinert werden müsste.
(2) Ein Prinzip, nach dem man Vorgänge beobachten und bewerten kann, ohne in ihre inneren Strukturen hineinsehen zu können.


Zitat-Quellen: Meyers Lexikon (historisch) sowie das Online-Lexikon Wikipedia mit Stand vom 19.01.2013. Auf weitere Belege wurde verzichtet.

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