Skip to content
 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex

Die Woche: Wahrheiten und etwas Blödsinn über das Kennenlernen

Beim Kennenlernen herrschen ganz einfache Regeln. Sie sind leicht zu erlernen und bedürfen meist nicht einmal einer Ergänzung. Und dennoch ballern die Luschen unter den Journalistinnen und Journalisten ständig neue „sensationelle“ Meldungen heraus. Entweder lassen sie den Psychologen ihres Vertrauens zu Wort kommen reden oder sie schreiben ab – vorzugsweise aus englischen Boulevardblättern. Und gelegentlich sogar - seufz – aus den sogenannten „sozialen Netzwerken“. Wobei ich noch gar nicht erwähnt habe, dass über manchen Artikel klein gedruckt „Promotion“ steht. Manchmal steht im unteren Bereich des Textes auch ein Satz wie: „Wir bekommen einen kleinen Geldbetrag, wenn sie auf die in diesem Text enthaltenen Links klicken.“

Kommt es euch bekannt vor, was ich da schreibe?

KI - Jungbrunnen für die Datingbranche oder Werkzeug zur Manipulation?

Wahrscheinlich. Beginen wir mal mit den Meldungen, die mir diese Woche auffielen. Mit „künstlicher Intelligenz“ fängt man Kunden. Und wer sich fangen lässt, der merkt nicht einmal, dass es gar nicht um sein Wohl geht, wenn „KI“ auf dem Etikett steht. Denn KI kann in der Essenz nicht mehr als jedes andere Programm, das bei der Partnersuche eingesetzt wird. Aber – KI kann wesentlich mehr Daten über den Suchenden finden und weiterverwerten. Von der „Optimierung der Chatbots auf seine Bedürfnisse“ mal ganz abgesehen. Wer hat also den Vorteil?

Das erfolgreiche Date Nummer 38 - was ist denn das?

Eine der Meldungen, die es unter „normalen“ Bedingungen niemals in die Presse geschafft hätten, ist die Behauptung eines Mathematikprofessors, das 38. Date würde zum Erfolg führen. Wer immer noch dran glaubt: Es ist absoluter Unsinn.

Wie viele Dates braucht man bis zum Erfolg?

Eine Frage, die sich ernsthaft behandeln lässt, ist hingegen, wie viel „Dates“ der Single benötigt, um den geeigneten Partner (die geeignete Partnerin) zu finden. Wir können dies tatsächlich überschlägig berechnen. Abhängig ist es vor allem von der eigenen Attraktivität, der Erfahrung mit Begegnungen und der Freude an Entscheidungen. Wie viel Zeit man dazu benötigt, ist ungleich schwerer zu ermitteln. Mehr dazu in meinem Artikel.

Der absolut passende Partner

Wer den „absolut besten Partner“ (oder die Partnerin) sucht, wird Opfer eines Irrtums: Es gibt keine Instanz für das „Absolute“. Du machst dir das Leben nur schwer, wenn du nach dem „ultimativen Match“ fahndest. Das kann sogar bewiesen werden.

Ökonomie: Kannst du dir überhaupt jemanden leisten?

Zum Schluss noch ein Blick auf die Ökonomie – an ihr kommt niemand vorbei, der heute eine Partnerin oder einen Partner sucht. Die Grundfrage klingt frech: „Kannst du dir sie/ihn überhaupt leisten?“. Wer nun ausschließlich an Bargeld, Besitz, Geld, Käuflichkeit oder dergleichen denkt, ist auf dem Holzweg. Bezahlt wird in emotionalen, sozialen und erotischen Eigenschaften – und manchmal auch mit Macht oder Geist.

Vom Lotterbett zum Ehebett - wen holst du dir rein?

Zum Schluss wird es ein bisschen lustiger: Wie wählen wir eigentlich unsere Partner oder Partnerinnen? Und das Merkwürdige daran ist, dass Forscher unsere Masturbationsfantasien und ähnliche Träume als Erstes genannt haben. Danach kommen dann ONS, Verliebtheit, feste Beziehungen und Ehen. Was wir zum Anlass nahmen, euch mal zu fragen: Hattet ihr durchgehend die gleiche Art von Partner(in) in einsamen Betten, Lotterbetten, Hotelbetten oder Ehebetten? Ob ihr mit „ja“ oder „Nein“ antwortet – denkt es mal von Anfang bis zum Ende durch. Das hilft, um ein bisschen Klarheit in die Partnerwahl zu bringen.

In Planung und Abgesang

Nicht in der Liebeszeitung, aber geplant: Schlafzimmer, in denen niemand schläft - also Liebesnester „auf schön“ und „auf hart“. Oder überhaupt: Wie trennt man einen Schlafraum vom Liebeszimmer? Ganz zu schweigen von der Ausstattung des Gewölbekellers … es gibt also noch viel zu schreiben. Ich las gerade, dass Paare sich am Wochenende gerne mal ein „Dungeon“ mieten – üblicherweise eine Bezeichnung für den Salon einer Domina.

Na also – ein schönes Wochenende für alle, die etwas mehr wollen als nur das Übliche.

Die Legende vom Berkley Horse - oder ein Flagellationsbordell innovativ möblieren

Drei Arten von "Horses", die in Bordellen verwendet worden sein sollen
Eine mehrteilige Betrachtung über Wahrheiten und Mythen um die "englische Erziehung" und die Lust an erotischen Schlägen.

Vierter Teil: Die Legende vom Berkley Horse - oder ein Flagellationsbordell innovativ möblieren

Vorbild für viele Prügelböcke: Boy's Pony
Beginnen wir mal mit dem Begriff. Ein „Horse“ ist eigentlich ein Chevalet, und das bedeutet eine Art Holzgestell. Im Englischen wird auch ein „Bock“, namentlich ein Prügelbock, als „Horse“ bezeichnet. Mit einem Pferd hat das alles also gar nichts zu tun. Noch heute werden unter der Bezeichnung „Spanking Horse“ sogenannte „Spanking Benches“ (Prügelbänke) angeboten. Es mag sein, dass es solche Prügelbänke, auch Pony genannt, für junge Männer oder junge Frauen gab. Dafür spricht, dass die Prügelstrafe an Frauen vollzogen wurde, indem sie jemanden „umhalste“, während ihr nackter Rücken geschlagen wurde. Eine Nachbildung wäre dann das „Pony“ gewesen.

Ein englischer Whipping_Frame
In der Tat sind verschiedene Varianten des „Ponys“ bekannt, das offenbar für jugendliche Delinquenten benutzt wurde. Es gibt einige Zeichnungen, auf denen Zuchthausszenen zu sehen sind. Für die „schweren Jungs“, also große, muskulöse Männer, wurden stabile Rahmen verwendet, an denen sie die Schläge von Birkenruten oder gar Peitschenhiebe ertragen mussten. Sowohl die Ponys wie auch die „Whipping Frames“ waren allerdings verstellbar. Verschiedentlich wurden Varianten gezeigt, die sogar ermöglichten, das Gesäß selbst zu schlagen – also nicht den Rücken, wie es allgemein üblich war.

Und was hat das „Berkley Horse“ damit zu tun?

Das Wundergerät - reduziert auf eine Klappleiter?

Angeblich soll das „Berkley Horse“ für alle Körpergrößen geeignet gewesen sein, und es soll in jedem gewünschten Winkel verstellbar gewesen sein, sogar vielfach. Das war mit den Mitteln der damaligen Zeit durchaus möglich, aber nicht mit einer einfachen Leiterkonstruktion. In Gegenwart und Vergangenheit gab und gibt es verstellbare Konstruktionen deren Ursprung wir in den Prügel-Rahmen finden, die in britischen Gefängnissen verwendet wurden. Eine solide Holzkonstruktion, unter der auch noch eine „auf einem Stuhl sitzende Frictrix“ Platz gehabt hätte, wäre ohnehin wesentlich stabiler als das „Berkley Horse“ in der Zeichnung. Es ist weder belastbar, noch verstellbar. Und die Proportionen entsprechen eher einer Haushalts-Klappleiter.

Eine Klappleiter im Luxusbordell?
Wichtig wäre ja dass eine funktionstüchtiges, im Winkel verstellbares Gerät das Gewicht eines schweren Mannes tragen muss - und zwar in jeder der möglichen Positionen. Liegt der Körper flach und nahezu waagerecht, ist dies unproblematisch. Wird das Gerät aber gekippt, gedreht oder soll es in einem Winkel verharren, so muss es ungewöhnlich gut an Boden oder Wand befestigt werden. Zudem muss der Körper in jeder Lage fixiert werden können. Oftmals reicht es aber, wenn sich das Gesäß etwas anheben lässt, während der Oberkörper von der Flachlage in eine Winkellage gebracht werden kann – für den „Hausgebrauch“ würde da euch ein Kissen unter dem Po reichen.

Das Berkeley Horse und die spätere Literatur

Das Berkeley Horse kommt zwei Mal in der erotischen viktorianischen Zeitschrift „The Pearl“ vor. Einmal wird ein erwachsener Mann daran festgeschnallt, was sich so liest (Lady Pokingham, or They All Do It).

Sie zeigte auf ein schönes „Berkeley-Pferd“, das in die Mitte des Wohnzimmers gerollt wurde. Es sah aus wie eine gewöhnliche Leiter, nur mit rotem Tuch bedeckt und mit einem gepolsterten Fußbrett versehen, auf dem das Opfer stehen konnte, während seine Hände weit über seinen Kopf gestreckt waren. (Er konnte) nur auf Zehenspitzen darauf stehen (und wurde) sofort mit seinen Handgelenken an den obersten Ringen des Pferdes befestigt.

Schon dies ist kaum möglich. Die Hände können bei der oft gezeigten Konstruktion nicht „weit über den Kopf“ gestreckt werden, und es hat keinen Sinn, „auf Zehenspitzen“ darauf zu stehen.

In einem zweiten Beitrag wird das Horse lediglich verwendet, um das die Angst vor der Bestrafung zu vertiefen.

Wir wurden von einer Gouvernante in das speziell genutzte Zimmer begleitet und für die Bestrafung vorbereitet. Es wurde von oben her beleuchtet und verfügte über Leitern, Berkley Horses und andere Gerätschaften. Zum Beispiel gab es Seile, die von der Decke herabhingen, Ringe im Boden und an der Decke, die widerspenstige Opfer festhalten sollten.

Das „Horse“ kann dabei nicht zur Anwendung - ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Autoren nicht recht vorstellen konnten, wie es anzuwenden war.

All dies zeigt, dass alle Autoren nur etwas vom „Hörensagen“ wussten. In Wahrheit hatten nur diejenigen Männer das Gerät gesehen, die darauf festgeschnallt und dann geschlagen wurden. Vergessen wir nicht, dass alles in einem Bordell geschah, auch wenn es „nur“ ein Flagellationsbordell war. Dies besagt jedoch nicht, dass die Herren dort keine anderen „fleischlichen“ Wünsche erfüllt bekamen. Niemand konnte erwarten, dass die Berichte darüber „authentisch“ waren.

Die kuriose Leiter und ihre mögliche Herkunft

Das einzige, was der Zeichnung der Zeichnung des angeblich „berühmten“ Berkley-Horse“ nahekommt, ist eine Schilderung des bereits erwähnten Dr. Eugen Dühren, der eine anderes, heute vergessenes Flagellationsbordell erwähnt. Im Wortlaut:

Die kuriose Einrichtung ihres Geschäftes bestand aus einer zusammenklappbaren Leiter, aus Riemen, Birkenruten, Stechginsterbesen und geheimen Vorrichtungen für den Gebrauch von Männern und Weibern.

Was sofort auffällt, wenn man die angebliche Originalzeichnung ansieht, ist die labile Konstruktion, die uns gezeigt wird. Das gezeigte Gerät ist weder stabil genug, einen kräftigen, muskulösen Mann zu halten noch ist es verstellbar. Der Vergleich mit den „Whipping Frames“, die in Zuchthäuser der damaligen Zeit verwendet wurden, zeigt uns, wie eine wirklich gebrauchsfähige Konstruktion ausgesehen hätte. Sie waren nicht nur wesentlich stabiler, sondern auch flexibler im Einsatz, weil sie sich wenigstens an die Körpergröße anpassen ließen. Zudem wurde bei dem Vollzug der „echten“ Körperstrafen so gut wie immer auf den Rücken eingeschlagen, während die erotischen Strafen vorwiegend durch die „Behandlung“ des Gesäßes vollzogen wurden.

Die Frictrix im Inneren dieser Leiter - kaum glaubwürdig

Kommen wir noch einmal zurück auf die angeblich verschwundene frivol-erotische Zeichnung und die Frictrix, die angeblich inmitten der Leiter gesessen haben soll. Wäre das so dargestellt worden, so hätte die Leier im unteren Teil wesentlich breiter sein müssen, um dieser den nötigen „Spielraum“ zu verschaffen. Dann wäre sie bei ähnlichem Winkel allerdings zugleich höher gewesen. Auch dies ist sehr wahrscheinlich, denn das angeblich „Original“ bietet kaum eine Möglichkeit, die Hände zu fixieren. Üblicherweise wurden sie oberhalb des Kopfes platziert , um sowohl Rücken wie auch Gesäß schlagen zu können, ohne die Arme zu treffen. Wir wissen nicht, ob es eine Art „Nierenschutz“ gab, wie er in Zuchthäusern verwendet wurde. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Kunden eines Bordells genau Vorstellungen davon hatten, an welchen Körperteilen ihnen der Schmerz zugefügt werden sollte. Und niemand wollte an diesem Ort eine Gesundheitskatastrophe riskieren – weder die „Gouvernante“ noch der Kunde. Zeitgenössische Zeichnungen, Fotos und glaubwürdige Nachbildungen zeigen, dass sie Arme vorzugsweise nach oben, nach vorne, seitlich oder gar durch Ausschnitte in den entsprechenden „Möbeln“ aus dem „Schlagfeld“ genommen werden konnten.

Avatare neben dem Original und zwei Nachbauten, jeweils ohne Schräglage, um die Dimensionen zu vergleichen


Innovationen in Flagellations-Bordellen waren durchaus möglich

Das soll nun nicht heißen, dass es keine Innovationen bei der Möblierung gegeben hätte. Zu jedem „Studio“ gehört ein Strafbock, und die meisten von ihnen lassen sich verstellen. Die Methoden dazu waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Nur Männer, die im Stehen geschlagen werden wollen, benötigen einen aufrechtstehenden, leicht angewinkelten „Rahmen“, an dem sie gefesselt werden können. Dieser Rahmen musste wahrhaftig „schwere Jungs“ aushalten.

Die Wahrheit über das Berkley Horse ist unbekannt

Die Wahrheit von Frau Berkleys Erfindung kennt niemand. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine Rahmenkonstruktion mit einem zweiten Gelenk handelte, etwas in Höhe der Hüfte des Kunden. Damit hätte man den Oberkörper tatsächlich in einem beliebigen (abweichenden) Winkel bewegen können. Zumindest einige der Zeichnungen und späteren Konstruktionen von Schreinern deuten darauf hin.

Eine der Nachbildungen, Anfang 20, JH
Und damit wäre ich am Ende meiner Nachforschungen angekommen. Sie waren aufschlussreich, und sie zeigen, wie wenig wir am Ende der Berichte trauen dürfen, die Herr Ashbee überliefert hat und die von naiv abschreibenden Wissenschaftlern später kritiklos übernommen wurden. Eine Anekdote habe ich dennoch gefunden, die eine andere Dame derselben Epoche betrifft und die ein ebenso schlechtes Licht auf die Buchverleger jener Zeit wirft. Davon kann ich später berichten.

Nachzutragen wäre auch noch, dass vereinzelte Damen in der Neuzeit entsprechende Geräte nachbauen ließen. Ein echtes Berkley Horse zu haben, wäre ja durchaus günstig gewesen, um Klienten anzulocken. Inzwischen sollen sie allerdings verstauben oder zum Verkauf angeboten worden sein. Was bleibt, ist die Legende.

Bildnachweis:

Oben: Drei verschiedene Autoren, anonym.
Links: Ein "Pony" , verstellbar, zum Züchtigen junger Männer in Gefängnissen verwendet, zeitgenössisch, anonym.
Rechts: Das angebliche "original" Berkley Horse, wie es von Ashbee der Nachwelt übergeben wurde.
Mitte: Hilfsmittel zum Größenvergleich, nur Frontseite: Nachbau, Darstellung des "Originals" und ein weiterer Nachbau,
Links: Der Whipping-Frame nach einer zeitgenössischen Skizze und einem Foto, umgesetzt auf die heutige Zeit. © 2023 Liebesverlag.de, dann wieder links (länglich) eine Nachbildung aus dem 21. Jahrhundert. Nur Frontansicht, keine Neigung.


Weitere Quellen der vier Artikel:

Horntip: Books "The Venus Schoolmistress" sowie zwei der drei Bände von Henry Specer Ashbee. 1877 bis 1885. Vol. 1 und Vol. 3.
Für die Aussagen von Iwan Bloch Archive.org.
Für die weiteren erwähnten Erotik-Bücher verschiedene Quellen, unter anderem Biblio Curiosa
Sowie Art And Popular Culture
"The Pearl" Ausgaben 1897 bis 1880 - teils literarisch wertvoll, teils frivol.
Für die Zusammenhänge zwischen der Epoche und der Sexualität: The Origins of Sex, London 2012.
Sowie unter anderem:
Achetron - Berkley Horse https://alchetron.com/Berkley-Horse
Wikiwand - Theresa Berkley
DirtySexHistory - Theresa Berkley Queen of ...
Etliche digitalisierte und nicht digitalisierte Lexika unter anderem Wikipedia deutsch und englisch.


Alle Teile lesen:

Körperstrafen und Definition - Körperstrafen (Definitionen)
Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert Adel, Bürgertum, Fassaden.
Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee.
Ein Möbel für ein Bordell. (hier)
Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit.

Das Haus der Frau Berkley und der Herr Ashbee

Eine mehrteilige Betrachtung über Wahrheiten und Mythen um die "englische Erziehung" und die Lust an erotischen Schlägen

Dritter Teil: Das Haus der Frau Berkley und der Herr Ashbee

Das Bordell der Theresa Berkley wurde von ihr vermutlich zwischen 1820 und ihrem Tod im Jahr 1836 betrieb. Im Jahr 1828 soll es ihr gelungen sein, ein neues Möbel für ihr Etablissement zu entwickeln, das man später das „Berkley Horse“ nannte. Neben ihren Fähigkeiten als Geschäftsfrau und Gouvernante soll es maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg des Bordells beigetragen haben.

Die mysteriösen Geheimnisse der Frau Berkley

Die Geschichte der Frau Berkley, wie wir sie heute lesen, wurde allerdings erst weit nach ihrem Tod im Jahr 1836 geschrieben. Nachdem ihr Bruder, ein Missionar, das Erbe aus moralischen Gründen ausschlug, fiel es an Berkleys Hausarzt Dr. Vance, der sich allerdings später weigerte, das Erbe zu verwalten. Soweit scheint es sich um Fakten zu handeln.

Bücher, Bilder und Fantasien um das Leben der Frau Berkley

Ab hier beginnt die Fantasie Wellen zu schlagen. Denn besagter Dr. Vance behielt angeblich Frau Berkleys Korrespondenz. Und die war in jeder Hinsicht spektakulär, weil es ja nicht eine „unbekannte Perverse“ waren, die das Etablissement besuchten, sondern hohe Beamte, Geschäftsleute und Adlige. Man konnte sich vorstellen, was passiert wäre, hätte Dr. Vance diese Briefe tatsächlich besessen oder gar öffentlich gemacht.

Nachdem die mysteriöse Kiste mit den Briefen offenbar verschwunden war, fand sich ein Schriftsteller, aus dessen Feder die gesamte Legende entwickelt wurde. Dabei spielte auch ein Buch eine Rolle, nämlich die „Venus School Mistress“.

In die Welt gebracht wurde der Mythos von dem Schriftsteller Henry Spencer Ashbee (Pseudonym: Pisanus Fraxi), (1834 – 1900), der im Jahr 1877, also etwa 40 Jahre nach dem Ableben von Mrs. Berkley und fast 50 Jahre nach dem Erscheinen der Ausgabe des Buches, die Legende begründete.

Die angeblichen „Memoiren“ der Theresa Berkley

Was in den Schilderungen Ashbees auffällt, ist eine gewisse Doppeldeutigkeit. Einerseits schreibt er, dass die Memoiren der Theresa Berkley niemals veröffentlicht wurden, andererseits behauptet er aber auch, dass in diesen Memoiren eine Abbildung enthalten gewesen sie, die ihre Erfindung, das „Berkley Horse“ zeigte. Und er behauptete zudem, dass es eine ganz ausgezeichnete Abbildung des „Berkley Horse“ in einer der Ausgaben der „Venus School Mistress“ gab.

Seither kursiert das Gerücht, das auf Ashbee zurückgeht, in zahllosen Schriften weiter – und es wird ständig aufs Neue abgeschrieben.

Das Buch - die Venus School Mistress

Wie auch immer - die Geschichte der Memoiren von Frau Berkley ist frei erfunden. Werfen wir kurz einen Blick auf das Buch, das häufig als die „Memoiren der Berkley“ bezeichnet wird. Es ist eine relativ belanglose erotische Schrift, die dem Zeitgeist entsprach:

Venus School Mistress; or, Birchen Sports. By R. Birch.

Titel der Ausgabe von 1917
Die Ausgabe von ca. 1810 ist möglicherweise die älteste, aber es soll eine zweite Ausgabe von 1820 geben, in der „vier Abbildungen“ enthalten sind. Zehn Jahre später gab es eine weitere Ausgabe unter dem gleichen Titel, die sich angeblich auf eine ältere Ausgabe bezog, diesmal eine von 1788. In der Ausgabe von ca. 1830 (1938) soll auch das „Berkley Horse“ zu sehen sein – mit Mrs. Berkley einer Frictrice und dem Berkley-Horse. Darauf kommen wir noch. Wer an der Geschichte des Buches interessiert ist, sollte den folgenden Abschnitt lesen. Er wirft viel Licht auf die Praxis der Veröffentlichung erotischer Schriften im frühen 19. Jahrhundert.

Dazu existiert folgende fast genau zutreffende Original-Recherche über den Ursprung (gekürzt):

Venus-Schulmeisterin; oder Birchen Sports. Von R. Birch, übersetzt aus Manons Memoiren. Gedruckt für Philosemus und verziert mit einem schönen Druck. Preis 10 Schilling, 6 Pence. Wahrscheinliches Erscheinungsdatum 1808 bis 1810…. Es gibt eine weitere Ausgabe von ca. 1820, „mit 4 farbigen Tafeln“.Um 1830 druckte Cannon das Werk mit dem Titel "Venus School Mistress; or Birchen Sports. Es wurde im Titel als ein „Nachdruck der Ausgabe von 1788“ bezeichnet und mit einem Vorwort von Mary Wilson eingeleitet, das einige Hinweise auf Mrs. Berkley enthielt. London: „Gedruckt von John Ludbury, Nr. 256, High Holborn. Es enthielt fünf oder sechs faltbare farbige Tafeln und ein Frontispiz (nicht faltbar), die „Das Berkley-Pferd“ darstellt. W. Dugdale gab um 1860 eine Ausgabe mit Titeln wie oben heraus.


(Der Preis betrug also 10 Shilling und sechs Pence, was etwa dem heutigen Gegenwert von 75 GBP entsprach, ein Frontispiz (der Bildertitel) befindet sich dabei auf der zweiten, dem Titelblatt gegenüberliegenden Seite). Weitere Ausgaben erscheinen angeblich 1917 und das ging immer so weiter - stets wurde behauptet, man drucke die Ausgabe von 1788 nach. Als das Vorwort der angeblichen von Mary Wilson dazukam, hieß es irgendwann „der verstorbenen Mrs. Berkley“, jedenfalls in der Ausgabe von 1917 (Nachdruck), die ich einsehen konnte.
Wann auch immer der Text geändert wurde - die Jahreszahl 1788 im Titel ist falsch


Täuschungen und Verwirrungen um Mary Wilson

Interessant ist dabei, dass die Täuschungen mit dem Manuskript noch weitergingen. Die angebliche „Mary Wilson“, die ebenfalls als Bordellwirtin klassifiziert wurde, wird nämlich als Autorin eines sehr ähnlichen Buches genannt, „The Spirit Of Flagellation. Es wurde als „gedruckt und herausgegeben von Mary Wilson“ deklariert und enthält auch das gleiche Vorwort. Das Original soll angeblich von 1827 stammen, aber 1830 ist ebenfalls möglich. Jedenfalls wurde die Neuauflage angeblich 1892 veröffentlicht.

Sie soll mit folgendem Text beworben worden sein:

Da die meisten Werke zu diesem Thema vergriffen und äußerst selten sind, beabsichtige ich, sie in schneller Folge in einer Reihe von Bänden zu ersetzen, die mit der Gegenwart einheitlich sind. Herren, die eine Gouvernante benötigen, oder Damen, die in diesen Zweig der eleusinischen Mysterien eingeweiht werden möchten, können vertraulich mit den notwendigen Informationen versorgt werden, indem sie mit mir über die Buchhändler oder andere Agenten kommunizieren, die ihnen diese Arbeit liefern können.

Maria Wilson.
1. Mai 1892."

Es handelt sich dabei um eine wirkliche, möglicherweise aber auch fiktive Bordellwirtin, deren Etablissement ihre Glanzzeit angeblich zwischen 1815 und 1830 hatte und die mit ähnlichen Attributen beschreiben wurde wie Frau Berkley. Auch diese „Information“ stammt von Ivan Bloch (nach Ashbee).

Ashbee und eine zweideutige Information

Jedenfalls behauptete Ashbee, auf der Frontispiz der „Venus School Mistress“ habe es eine Abbildung gegeben, die Frau Berkley, ihr wundersames Möbel, einen darauf festgebundenen Mann und eine Frictrice zeige. Ashbee selber schrieb dann allerdings:

Es gibt eine Darstellung in Mrs. Berkleys Memoiren. Sie zeigt einen Mann, der sich völlig nackt auf dem Chevalet befindet. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl genau darunter, mit entblößtem Busen, Bauch und Schambereich und beschäftigt sich mit seinem Embolon, während Mrs. Berkley mit einer Rute auf sein Hinterteil einschlägt. Die weibliche Rolle als Frictrix nahm sich Miss Fisher, als Vorbild. Sie war eine schöne, große, dunkelhaarige Frau, an die sich jeder erinnern müsste, der in diesen Tagen die Charlotte Street besuchte.

Wie der Mythos zementiert wurde

Diese Beschreibung der angeblichen Illustration in den „Memoiren“ ist heute noch in jedem Artikel zum Thema zu lesen:

Es gibt eine Abbildung in Mrs. Berkleys Memoiren, die einen beinahe nackten Mann darauf zeigt. Eine Frau sitzt in einem Stuhl direkt darunter, Hintern, Bauch und Scham entblößt, die den Mann mit der Hand befriedigt während Mrs. Berkley seine Rückseite mit Birkenruten bearbeitet.


Wer dem Text glaubt, muss annehmen, dass Herr Ashbee tatsächlich die Memoiren der Theres Berkley gelesen habe, von denen er andererseits bestreitet, dass sie jemals veröffentlicht wurden. Und so beginnt die Legende vom „Berkley Horse“ tatsächlich mit Spencer Ashbee – aber sie endet nicht damit. In seinem Buch „Das Geschlechtsleben in England“ schreibt „Dr. Eugen Dühren“ (Der Arzt und Sexualwissenschaftler Iwan Bloch):

Pisanus Fraxi ließ (das Bild) in seinem „Index Librorum Prohibitorum“ reproduzieren. Nach dieser Reproduktion wurde das Bild wiederholt bei Hansen („Stock und Peitsche)“ und Eulenburgs „Sadismus und Masochismus“ (veröffentlicht.) Man findet das Chevalet auch auf modernen Flagellationsbildern. In Paris soll es währen der Weltausstellung von 1900 praktische Verwendung und viel Anerkennung bei Lebemännern gefunden haben.


Da Iwan Bloch ein angesehener Arzt war, zweifelte später niemand mehr daran, dass beides Realität war – die Memoiren einerseits und das „Berkley Horse“, so wie es Ashbee gesehen haben wollte, andererseits.

Eine Klappleiter im Luxusbordell?

Was uns nun noch fehlt, ist die Idee zur Zeichnung des angeblich „echten“ Berkley Horse, und wir finden sie erstaunlicherweise ebenfalls bei Iwan Bloch (wieder nach Ashbee):

Die kuriose Einrichtung ihres Geschäftes bestand aus einer zusammenklappbaren Leiter, aus Riemen, Birkenruten, (und) Stechginsterbesen … (Die jungen Frauen) wurden auf verschiedene Weise flagelliert … (und) manchmal wurden sie an die Leiter gebunden.

Diese Informationen stammen offensichtlich aus der Presse, weil die Betreiberin der „Akademie der Züchtigungen“, eine gewisse Sarah Potter, (auch Sarah Stewart genannt) angezeigt wurde. Ihre Gerätschaften landeten beim „Westminster-Polizeigericht“, und es ist überliefert, dass „die Öffentlichkeit davon erfuhr.“

Dieser Vorfall stammt allerdings (laut Bloch) aus dem Jahr 1863 – fällt also ungefähr in die Zeit von Ashbees Recherchen, was erneut Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit nährt.

Welchen Apparat hatte Frau Berkley wirklich erfunden?

Wer all dies gelesen hat, wird sich nun fragen: Wie hätte denn Frau Berkleys Erfindung „wirklich“ aussehen können? Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten. Größer, höher, schwerer und dennoch flexibler. Wie er allerdings „genau“ aussah, wissen auch wir nicht - aber es gibt durchaus Hinweise. Und davon nun in der vierten Folge.

Quellen (unter anderem):

Horntip, Books für Venus School Mistress und Spencer Ashbee.
Art and Popular Culture: Sexual LIfe in England.
Biblio Curiosa für: The Spirit of Flagellation.
Sowie dem Internet Archiv für Ian Bloch.

Alle Folgen:

Körperstrafen und Definition - Körperstrafen (Definitionen)
Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert Adel, Bürgertum, Fassaden.
Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee (hier)
Das angebliche „Berkley Horse“ - ein Möbel für ein Bordell.
Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit.

Eintauchen in die Viktorianische Zeit - Adel, Bürgertum, Fassade und Bordelle

Die lustvollen Strafen, Frau Berkley und ihr geheimnisvolles Pferd. Eine mehrteilige Betrachtung über Wahrheiten und Mythen um die "englische Erziehung" und die Lust an erotischen Schlägen - zweiter Teil.
Flagellation durch Damen - der Wunsch manches Herren
Wenn wir die Zeit, ins 19. Jahrhundert zuzudrehen, und den Ärmelkanal überqueren, landen wir im „Viktorianischen England“. Für die meisten ist diese Epoche mit Prüderie verbunden, weil die Königin als sittenstreng galt. Doch die Zeit ihrer Regentschaft war von erheblichen gesellschaftlichen Veränderungen geprägt, so sehr, dass man später von der „ersten sexuellen Revolution“ in jenen Jahren sprach. (1)

Die Mentalität von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Zunächst wurde davon wenig bekannt. Die Gentlemen jener Zeit lebten hinter der Fassade der Bürgerlichkeit, während die Triebe in ihren Inneren ein merkwürdiges Eigenleben führten. Jeder kennt vermutlich die wundersame Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. In ihr repräsentiert Dr. Jekyll den ehrbaren Bürger mit einem jungfräulichen Verlobten, während sein Alter Ego, Mr. Hyde, seine Triebe auslebt. Das dürfte der gesellschaftlichen Realität durchaus entsprechen. Immerhin ging Dr. Jekyll wenigstens einem Beruf nach, während viele Engländer jener Zeit vom ererbten Vermögen lebten. Sie waren ständig auf der Suche nach Vergnügungen, sei es die Jagd, das Spiel oder der Besuch eines Bordells.

Die vielen Londoner Bordelle - und die wenigen, die Flagellationen betrieben

Wie viele Bordelle es damals (gegen 1850) in London gab, ist nicht sicher. Manchmal wird die Zahl mit „etwa 3.000“ (2) angeben, aber solche Zahlen sind nicht zuverlässig. In etwa zwanzig dieser Bordelle soll es um erotische Züchtigungen gegangen sein. Mit den sogenannten „Flagellationsbordellen“ war viel Geld zu verdienen, selbst wenn wir hören, dass die gewöhnliche Behandlung „nur“ ein Pfund Sterling kostete. Das sind umgerechnet auf die heutige Währung immerhin 100 GBP.

Dichter, Adlige, Beamte und Geschäftsleute waren die Kunden

Der Weg könnte uns in eines dieser 20 Flagellations-Bordelle (3) führen, etwa nach St John’s Wood, wo der Dichter Charles Swinburne (4) sich erotisch züchtigen ließ. Wir wollen aber ein anderes Bordell in den Mittelpunkt stellen, nämlich das in der Charlotte Street 28, wo wir zu jener Zeit auf Frau Theresa Berkley treffen würden.

Ihr Etablissement war offenbar luxuriös ausgestattet. Die Inhaberin in der Rolle der Gouvernante erwartete ohnehin nur betuchten Kunden, die in jeder Hinsicht auf Qualität wert legten. Immerhin waren unter ihren Gästen Adlige, Gutsbesitzer, Richter, Beamte und Geschäftsleute. Wir wissen nicht wirklich, zu welchen „Tarifen“ Frau Berkley abgerechnete, aber die „Behandlungen“ dort sollen zwischen einem und „mehreren“ britischen Pfund gekostet haben. Ein Herr, der mehrere der dort gebotenen Leistungen in Anspruch nehmen wollte, würde also gut und gerne fünf Pfund zahlen müssen (5) – heute etwa 500 GPB.

Diskretion, Ausstattung, Schlagkraft und Frivolitäten

Die Qualität eines solchen Etablissements wurde von den Gästen damals nach der Sauberkeit, der Diskretion und der Leitung des Hauses bewertet. Hinzu kam das Personal, das teils aus weiteren Gouvernanten, andernteils aber auch aus gewöhnlichem Prostituieren (Frictricen, 6) bestand, die bereit waren, verschieden sinnliche Genüsse zu befriedigen. Um das gesamte Repertoire von Schmerz und Lust auszuschöpfen, benötigte man aber noch „Möbel“ und „Ausstattungen“. Dazu wurden einerseits Ringe an Decken, Wänden und Boden benötigt. Andererseits aber benötigte man auch Prügelbänke, Stühle und Gestelle, um die Herren „beidseitig“ zu behandeln.

Geheimnisse um ein Buch und ein "Pferd"

Damit kommen wir unweigerlich zu einem Objekt, über das kaum belastbare Informationen vorhanden sind: das Berkley Horse. Und mit ihm beginnen die Mythen und Behauptungen, die offenbar aus dem Wunsch entstanden sind, schriftstellerischen Ruhm zu genießen. Eine weitere Rolle in diesem Gespinst aus Fantasie und Mythos spielte ein Buch, die „Venus School Mistress“. Die Wahrheit ist im dritten Teil dieser Betrachtung zu lesen.

(1) The Origins of Sex, London 2012, Zuverlässige Quelle.
(2) Dr. Hügel, 1858 - fragwürdig, was die Zahlen betrifft, aber wissenschaftlich.
(3) WellReadWeekly - kein zuverlässige Quelle.
(4) St. Johns Wood Memories. Zuverlässig.
(5) Geldbeträge sind immer unzuverlässig - dieser entstammt einer Quelle, in der Beträge von großer Bandbreite genannt wurden.
(6) Fritrix oder Frictrice - Berührerin, meist Ausdruck für eine Prostituierte.

Bild: Nach einem anonymen, unscharfen Scan nachbearbeitet.

Alle Folgen dieser Serie:

Körperstrafen und Definition - Körperstrafen (Definitionen)
Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert. (hier)
Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee.
Das angebliche „Berkley Horse“ - ein Möbel für ein Bordell.
Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit.

Die lustvollen Strafen, Frau Berkley und ihr geheimnisvolles Pferd

Eine mehrteilige Betrachtung über Wahrheiten und Mythen um die "englische Erziehung" und die Lust an erotischen Schlägen

Im alten Frankreich - ca. 18. Jahrhundert - Buchillustration

Erster Teil: Reden wir von Schlägen, Strafen und Frivolitäten

Reden wir zunächst über Schläge, und gehen wir dazu mal auf die Graswurzeln hinunter. Wenn Nerven großflächig oder einschneidend gereizt werden, empfinden wir dies als Schmerz. Wir müssen sodann eine Entscheidung treffen: dem Umstand, der uns schmerzt, zu fliehen oder ihm standzuhalten. Wir lernen schnell, dass es oft besser ist, zu fliehen. Aber manchmal kann die bessere Lösung sein, dem Schmerz standzuhalten. „No pain, no gain“ ist ein geflügeltes Wort, das nicht nur auf den physischen Schmerz zutrifft. Es gilt auch für die Anstrengungen, die wir ertragen müssen, bevor wir ein Ergebnis vorweisen können. Das ist physisch und psychisch gemeint – etwa im Sport oder beim geistigen Lernerfolg.

Schmerz ist also weitgehend „normal“ – sowohl physisch wie auch emotional. Was wir hingegen als unerträglich ansehen, ist die Entwürdigung, die damit einhergehen kann. Konkret: Jemand erdreistet sich, uns zu strafen. Er legt das Strafmaß und die Intensität fest, ohne dass wir uns dagegen verwehren können. Das heißt: Unser freier Wille wird eingeschränkt, möglicherweise unsere Freiheit selbst. Oder wir werden gezwungen, etwas zu tun, was uns widerstrebt. Und manchmal erwarten uns Schläge. In diesem Moment werden wir daran erinnert, dass wir Säugetiere sind. Wir haben die Wahl, entweder zu entfliehen oder zu ertragen, was der andere uns zugedacht hat. Ich erinnere daran, dass es eine Strafpredigt, eine „Abkanzelung“ ein heikles Personalgespräch eine andere Strafe oder eine körperliche Züchtigung sein kann. Und: wir erden ausschließlich von Erwachsenen.

Unter allen „Unterwerfungen mit Strafcharakter“ ist die Züchtigung die Strafe, bei der unser Körper ebenso betroffen ist wie auch unsere Emotionen.

Nachdem all dies lediglich eine Beschreibung der Fakten war, begeben wir uns nun auf das Gebiet der Spekulationen. Denn wenn wir die Frage stellen: „Warum wünschen sich Menschen, körperlich gezüchtigt zu werden?“, dann begeben wir uns in die Grauzone und, manchmal in die Rotlichtzone. Daneben finden wir Meinungen von Psychiatern, echten Psychologen, Küchenpsychologen und dem „Volksempfinden“.

Mythen, Behauptungen, Manipulationen - und Tatsachen

Die Vergangenheit - jemanden gefügig machen (oder halten)

Beginnen wir mit dem Widerlichsten: Die Person „T“ will die Person „O“ gefügig machen. Bei jedem Verhalten, dass „T“ nicht gefällt, wird die Person „O“ geschlagen, um „gefügig“ zu sein. Das ist die Lage, wie sie vor etwa 100 Jahren noch üblich war: Kinder, Jugendliche, Schutzbefohlene, Bedienstete und manchmal auch Ehefrauen würden auf diese Weise „in ihrem Verhalten modifiziert“. Keine Frage: das sehen wir heute (hoffentlich) als Verbrechen an.

Wenn Erwachsene unbedingt körperlich bestraft werden wollen

Anders verhält es sich beim „Betteln um Prügel“, wie der Volksmund sagt. Die Person, die sich Schläge wünscht, hat heimliche Schuldgefühle für „Vergehen“, die nicht strafbar sind, für die sie aber dennoch Reue empfinden. Buße tun, Abbitte, Reue öffentlich zeigen? Sich Schläge auszuwählen, ist eine Art „Schnellreinigung“ von der Schuld, ohne peinliche Bekenntnisse ablegen zu müssen.

Ein Spiel: Sieh mal, was ich alles aushalten kann

Will jemand seinem Partner (seiner Partnerin) beweisen, was und wie viel er/sie „aus Liebe erträgt“, dann handelt es sich um ein überaus heftiges, manchmal etwas eigenartiges Spiel. Es ist insofern kein Rollenspiel, als die Person, die den Beweis antreten will, nicht spielt, sondern in diesem Moment eine Herausforderung sucht.

Das private Theater: Rollenspiele zwischen Schmerz und Lust

Auf der lustvollen Seite finden wir das Rollenspiel. Interessant daran ist, dass die meisten Menschen, die da spielen, niemals real in der Rolle waren. Daher sagt man auch, dass diese Spiele aus den Fantasien erwachsen. Beide Personen – „Täter“ und „Opfer“ spielen dabei ihre geheimen Wünsche von Unterwerfung und Dominanz aus. Dies kann in eine erotische Züchtigung müden und auch mit anschließendem Sex besiegelt werden.

Geschlagen werden aus purer Lust

Richtig lustvoll und extrem frivol sind Spiele mit Züchtigungen, bei denen Paare oder Einzelpersonen ihre sexuelle Erregung steigern wollen. Manchmal ist eine gewisse Schmerzlust dabei, dann wieder geht es darum, den Körper durch Endorphine und/oder starke Durchblutung der des Genitalbereichs zu reizen. Das Ziel ist zumeist erregender Sex.

Um strafend oder erotisch zu züchtigen, werden oft nur die Hände, ein Stuhl, eine gepolsterte Bank oder ein Bett benötigt. Soweit das kleine „Besteck“ und soweit auch ohne weitere Details.

Oder eben die „große Bühne“, womit wir bei Flagellationsbordellen und „strafenden Gouvernanten“ wären.

Um dies zu illustrieren, benötigen wir nun luxuriös ausgestattete Räume, Kostüme, Möbel und schließlich verschieden Gegenstände, mit deren Hilfe Schmerzen erzeugt werden können. Wir gehen dazu auch zurück ins 19. Jahrhundert und schiffen uns ein, um in das Vereinigte Königreich zu gelangen. Davon mehr in den nächsten Teilen dieser Betrachtung.

Zum zweiten Teil geht es hier.


Bild: Buchillustration, Im Original: "The Matchmaking Priest"

Wenn ihr alle Teile lesen wollt:

Körperstrafen und Definition (hier)

Die viktorianische Zeit und das 19. Jahrhundert Adel, Bürgertum, Fassaden.

Das Bordell der Frau Berkley und die einzige Quelle dafür bei Ashbee.

Das angebliche „Berkley Horse“ - ein Möbel für ein Bordell.

Meine Vorgehensweise bei den Recherchen - die Wahrheit.