Kultur: Wie Paare zusammenfinden
Die meisten unseren Urgroßmütter glaubten noch, dass es allein das Schicksal wäre, das die Paare zusammenführen würde. Bis tief ins 20. Jahrhundert hinein herrschte der Glaube, die Partnersuche beruhe überwiegend auf dem Zufall, und der einzige Beschleuniger, den man sich erlaubte, war, möglichst viele Menschen zu treffen, um dem Zufall ein wenig nachzuhelfen.
Selbst diese Auffassung war noch relativ jung, denn noch ein Jahrhundert zuvor hatten junge Frauen kaum eine Chance, die seit Ende des 18. Jahrhunderts propagierte „Liebesheirat“ wirklich einzugehen – in Wahrheit wurde die Partnersuche aber vom Status der Familie und im Bürgertum auch sehr wesentlich von der Mitgift bestimmt. Ers durch die Entwertung der Vermögen als Folge des Ersten Weltkrieges und der teils kriegsbedingten Aufnahme von Erwerbsarbeit durch Frauen änderte sich diese Situation.
Seither zeigen Frauen und Männer, dass sie „am Markt verfügbar“ sind, was praktisch bedeutete, alle Gelegenheiten wahrzunehmen, bei denen sich Kontakte ergeben könnten. Von reinem „Zufall“ konnte also kaum die Rede sein: An bestimmten Plätzen war und ist immer eine gewisse Anzahl von Partnerinnen und Partnern verfügbar, die „ins Raster“ der Partnersuche fielen. Um Partner zu finden, ging man mindestens zwei Mal pro Woche aus.
In den 1950er Jahren: Versuch und Irrtum
In den 1950er Jahren wusste kaum jemand, welche Art von Persönlichkeit er selber war, geschweige denn, welche emotionalen und erotischen Qualitäten er für andere hatte. Die Partnersuche verlief im Wesentlichen nach dem Schema „Versuch und Irrtum“, ja, viele Menschen entdeckten ihre Persönlichkeitsqualitäten erst durch die Aufnahme von Beziehungen zum anderen Geschlecht. Freilich war die Sache heikel: Mehr als zwei Beziehungen vor dem Ehemann konnte sich auch die 1950-er oder 1960-er Jahre Frau kaum leisten, um nicht bereits in Verruf zu geraten – und um sich selbst Beziehungen zu erproben, hatte sich auch wenig Zeit: Spätestens vier Jahre nach der Volljährigkeit (also mit 25) wurde erwartet, dass sie nach ein- bis zweijähriger Verlobungszeit „unter der Haube“ war.
Zweifel an der "normalen" Partnersuche in den 1980ern
Allerdings wurde schon in den 1960er Jahren, mehr noch aber in den 1970er Jahren deutlich, wie wenig tragfähig das Nachkriegs-Ehekonzept der Liebesheirat mit darauf folgender Hausfrauenehe war. In den 1960er Jahre gab es einen unglaublichen Boom bei den Heiratsinstituten und Heiratsanzeigen, die 1970er Jahre brachten eine revolutionär anmutende Frauenemanzipation, in deren Folge es zahllose Scheidungen gab, und gegen 1980 wurde dieser Zustand dann auch erstmals in einem kleinen Buch niedergelegt: Linda und Rüdiger Drenk wagten es zum ersten Mal, in einer „Gesellschaft im Wandel“ die „aktive Partnersuche per Inserat“ zu propagieren, wobei sie feststellten:
Wenn man davon ausgeht, dass heute Ehe und Partnerschaft komplizierter und somit instabiler geworden ist, so ergibt sich hieraus, dass die richtige Partnerwahl von entscheidender Bedeutung ist … (wobei eine Grundvoraussetzung darin besteht, dass) … der Ehewillige eine möglichst große Zahl von Menschen kennenlernt und "prüft", bevor er sich bindet, dies ist aber bei der "normalen" Partnerfindung eher die Ausnahme.
Wer heute behauptet, die modernen Medien wie beispielsweise das Internet seien für die Instabilität der Partnersuche verantwortlich, sollte noch einmal nachdenken: Immerhin wurde das Buch bereits im Mai 1985, also vor fast 25 Jahren, veröffentlicht.
2010 dominiert das Internet - und Partnersuchende müssen neu lernen
Die heutige Zeit, vor allem aber das erste Jahrzehnt unseres 21. Jahrhunderts, kennt nicht nur ein völlig anderes Beziehungsumfeld, als dies Anfang 1980 der Fall war (dies ist die Zeit, aus der die Recherchen der Renks stammen dürften), auch die Emanzipation hat einen neuen Höhepunkt erreicht. War sie damals noch eher eine intellektuelle, emotionale und manchmal auch ideelle Emanzipation, so schlägt sie sich heute in guten Jobs und hohem Einkommen für Frauen nieder. Es ist kein Wunder, dass sich manche Frau überlegt, ob sie angesichts dieser Tatsache heiraten sollte, und falls sie sich denn doch entschlösse, so erwartet sie einen Partner, der ihr in jeder Hinsicht das Wasser reichen kann.
Diese neue Denkweise führt zu Irritationen unter Frauen und Männern. Bedenkt man zusätzlich, wie die Überheblichkeit, die Arroganz und die Vereinzelung zugenommen haben, so kommt man schnell zu der Einschätzung, dass gegenwärtig abermals ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Möglichen und dem Wünschenswerten existiert – das war 1980 nicht anders.
Das Internet hat die Möglichkeit geschaffen, aus einer noch größeren Anzahl von möglichen Partnern kennenzulernen, als dies die Renks 1985 ahnten. Doch auch die 1980er mussten mit der Zeitungsanzeige erst umgehen lernen: Viele Frauen verließen diesen Weg wieder, weil sie mit Angeboten (auch solchen anzüglicher Art) überflutet wurden, und viele Männer, weil sie fast keine Rückantworten bekamen. Man musste also damals lernen, mit dem neuen Medium umzugehen – und nicht anders ist es heute.
Versuche, das Internet für die sozialen Probleme der Gesellschaft verantwortlich zu machen, sind fadenscheinig: Das Medium ist nicht schuld am Zustand der Gesellschaft, wie oft behauptet wird. Vielmehr bietet das Medium "Internet" genau das, was der moderne Zivilisationsmensch heute erwartet: Die Möglichkeit, nach einem passenden Partner zu fahnden. Es dürfte klar sein, dass auch diese Medium manche Menschen verwirrt – doch das allein ist kein Argument, sich nicht in die Fluten zu stürzen und nach dem Partner eben auch im Internet zu suchen.
Bild © "Schwarzwälder Hochzeit" 2008 by sehpferd, Budapest
Zitat: Renk und Renk "Aktive Partnersuche per Inserat", Reinbek 1985
Der Autor Gebhard Roese schreibt regelmäßig für die "liebepur" über moderne Partnersuche.
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