Du bist viel zu früh in das Café um die Ecke gegangen. Weil du gerade eine Schreibhemmung hast. Die Frühstücksgäste sind längst fort, und die Bedienung langweilt sich. Du siehst sie genau an: sehr hübsche Uniform nach Art eines Dienstmädchens, kurzer Rock. Große, begehrliche Augen, blutrot lackierte Fingernägel, ziemlich lang. Welche sexuellen Neigungen wird sie haben? Ist sie eine süße kleine Miezekatze, oder steht sie auf Dominanz? Woran denkt sie? An die letzte Nacht? Hat sie mit sich selbst herumgespielt oder mit jemandem? Mit einem Mann oder mit einer Frau?

Du kramst deinen Laptop heraus, rufst das Schreibprogramm auf, und beginnst.

Ein kleines Café, viel zu früh für mich. Ich beobachte die Serviererin, eine Frau, die weiß, wie sie wirkt. Trägt ihre Uniform sehr selbstbewusst. Verdammt, warum ist der Rock so kurz? Ist es Absicht? Und wenn, wen soll die freie Sicht auf ihre hübschen Schenkel anregen? Ich überlege mir, was für eine Slip sie wohl trägt. Weiß wäre hübsch. Soll sich sie Schneewittchen nenne? So weiß wie ihr Slip, so schwarz wie die Nacht, so lustvoll wie das blutige Rot ihrer Fingernägel? Ob sie eine Wildkatze ist oder eine Miezekatze? Will ich es herausfinden? Wann hatte ich zuletzt Sex mit einer Frau? Ich muss mich nicht fragen. Ich hatte mindestens drei Monate überhaupt keinen Sex mit „jemandem“ außer mit mir. Warum verführe ich sie nicht einfach? Ich habe das früher oft getan. Man verlernt es nicht, wie Fahrrad fahren.

Weißt du nun, was ich meine? Warum beginnst du nicht - jetzt?

Bild: Aus "La Vie Parsienne", gegen 1918