Der schambehaftete Sehnsuchtsort
Ein bisschen Scham bleibt selbst beim bloßen Träumen – darf man denn das? An der Spitze der Sehnsuchtsorte, die zugleich die an der dunkelsten glühenden Schamesröte erzeugt, steht der Wunsch, sich zu unterwerfen. Die Vorstellung, unterworfen zu werden, ist nahezu ebenso so verbreitet, und auch die üblichen „Verschärfungen“ durch „bewegungshemmemde Maßnahmen“ sowie allerlei Aua-Spiele stehen hoch im Kurs. Sie gelten als aufregend, erregend, erhitzend.
Wölfe und gekaperte Sklavinnen
Im Zauberwald zwischen Scham und Lust vom Wege abzukommen, sich der Frühlingslust hinzugeben und dabei vom Wolf gefressen zu werden ist ja nicht gerade neu. Als der Orient in der Malerei und der Musik noch Aladins Wunderland glich, sehnten sich einige weiße Frauen danach, als gekaperte Sklavinnen „im Serail“ zu landen, und manche feine Lady träumte schon einmal davon, sich aus eine Reihe knackiger Kerle einen aussuchen zu dürfen - von heftigeren Wünschen einmal ganz abgesehen. Ebenso mag es dem feinen Herrn ergehen, der unter dem Nadelstreifenanzug Strapse trägt oder der sich erträumt, einmal „als Dame geliebt zu werden“.
Sie alle werden vermutlich niemals die Gunst oder die Gefahr der Realität erleben. In ihren Fantasien können sie alles sein – so, wie wir alle „alles“ sein können, wenn wir träumen – ein berühmter Autor, eine Diva, ein Star des Spitzensports.
Die Flucht vor dem Alltag - eine Freiheit besonderer Art
Jemand zu sein, der man nicht ist – und niemals wird ist eine der kleinen Fluchten vor dem Alltag. Ich zitiere dazu nochmals die erwähnte Autorin:
Solange man fein säuberlich Gedanken und Handlungen trennt … ist die Fantasie das Freieste, was Menschen an Freiheit erleben können. Im Denken kann man eine unglaubliche Reichhaltigkeit erfahren, die fast immer sehr viel größer ist als die Möglichkeiten des konkreten Lebens.Der Unterschied ist freilich, dass wir uns selten schämen, Popstar, Diva oder Weltmeister sein zu wollen. Aber mit dem „falschen“ Herrn oder der „falschen“ Dame etwa „Ungehöriges“ zu tun, dessen schämen wir uns. Und natürlich schämen wir uns auch für alles, was in der Lust mit mehr als zwei Personen, mit weniger als zwei Geschlechtern oder mit einem „ungebührlichen Gebrauch der Gefäße“ zu tun hat, um im Stil der Vergangenheit zu reden.
Die Fantasie? Sie ist himmlisch süß und höllisch scharf. Die Realität besteht meist nur aus Laken mit Spermaflecken. Auch ein paar Minute ganz hübsch, aber dann klebt eben alles furchtbar.
Bild: Künstlerdarstellung einer zwiespältigen Fantasie.
Zitat: Krone
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