Weihnachten gibt es etwas zu feiern – das wissen wir, doch was gibt es eigentlich zu feiern? Hören wir uns die Reden zu den Weihnachtsfeiern an, die jetzt allenthalben gehalten werden, dann wird uns schnell klar: Wir feiern uns. Das Jahr 2010 war ja zumeist ein Erfolgsjahr für deutsche Unternehmer, und weil das zunächst mal gar nicht so aussah, sind nun alle „oh, so fröhlich“ und gießen sich ein paar hinter die Binde. Ob man die Weihnachtsfeier nun in einem Lokal, in der Kantine oder einer Versammlungshalle erlebt, überall wird gegenwärtig der wirtschaftliche Erfolg gefeiert.

Ein Leben nur mit Arbeit - da kommen Flirts zu kurz

Uff – und nun, nach den meist besonders arbeitsreichen Tagen zuvor, denkt man auch wieder mal daran, dass man ja eigentlich etwas versäumt hat. Liebe, zum Beispiel. Ach bitte, ja – Sex auch. Wollte ich ja alles nicht glauben, wie so viele Leute, die nie wirklich beruflich engagiert waren, stimmt aber: Wenn du gewohnt bist, von 8 bis 17 Uhr zu abreiten, mit Mittagspause und dem üblichen Kaffeegedöns, dann hast du nach 18 Uhr Zeit für Flirts, Liebe, Sex und was sonst noch zu einem Erwachsenenleben gehört. Sobald du aber bis 19 Uhr oder noch länger arbeitest, dann geht dir irgendwie der Draht zu deinem übrigen „sozialen Netzwerk“ verloren.

Wenn sich die Liebe auf den Arbeitsplatz konzentriert

Das Leben konzentriert sich nach und nach auf nichts als den Arbeitsplatz. Während der Frühstückspause flirtet man mit der Brötchenmaid, mittags isst man vielleicht mal mit der Chefsekretärin und entdeckt, wie sinnlich ihre Augen sind, und während der Weihnachtsfeier sieht man dann alle vereint, aufgebrezelt und mit gewagten Dekolletés und mehr oder weniger auffordernden Blicken, dass doch nun mal die Zeit gekommen wäre, heftiger zu flirten.

Männergelüste: Auf Weihnachtsfeiern gezielt Frauen aussuchen?

Nun kommen auch langsam die berühmten Missverständnisse auf: Flirten heißt nicht, eine Liebesnacht anzubahnen, aber viele meinen, das müsse wohl so sein. Früher gingen ja manche Männer mit dem festen Vorsatz hin, am nächsten Morgen möglichst neben der süßen Lena aus der Buchhaltung aufzuwachen, und wenn das nicht geht, dann wenigstens neben der Kantinenhilfe aus Weißrussland, die ja überhaupt nicht wiederzuerkennen, war in ihrem schicken, viel zu kurzem Abendkleid, dem blutrot hingemalten Lutschmund und diesen wilden High Heels.

Während man früher angeblich die Damen intensiv überreden musste, überhaupt mal auf die Liebe zu sprechen zu kommen, läuft der Hase heute oft anders. Da kann es immerhin vorkommen, dass die Praktikantin aus der Werbeabteilung sich schon ein paar schicke junge Männer ausgeguckt hat, von denen sie einen bestimmt ins Bett bekommen will.

Zufälle überwiegen - je mehr Alkohol, umso leichter ins Bett

So weit die Absichten, doch nun zu den Zufällen: Je mehr sich der Blick dank der genossenen Alkoholmengen trübt, umso begehrenswerter wird bekanntlich das andere Geschlecht, und mit jedem Komma-Promille wird dann auch das „Nein danke“ für die Einladung ins Lotterbett durch ein „Warum denn eigentlich nicht“ abgelöst. Lust hätte man ja auch ohne Alkohol gehabt nur getraut hätte man sich nicht.

Dänische Weihnachtsfeiern: Julefrokost, Trennungen und HIV-Tests

Allerdings halten sich die Menschen bei den Weihnachtsfeiern in unseren Breiten noch ziemlich zurück. Ich wurde einmal Zeuge, wie bereits vor dem Auftragen der Vorspeise in Dänemark Weihnachten gefeiert wurde: Mindestens ein Glas Sekt und drei Aquavit gingen da runter, und bereits nach 30 Minuten waren die ersten Augen reichlich glasig. Die Dänen erzählen sich ohnehin Wunderdinge von dem, was alles nach dem „Julefrokost“ passiert: Überstunden der Umzugsunternehmer, weil die Ehefrauen scharenweise betrügerische Ehemänner verlassen, HIV-Tests, Trennungen, Schwangerschaften – gehört wohl alles dazu.

Das Thema beschäftigt, wie jedes Jahr, die dänische Presse, aber auch die deutsche Presse hat die Weihnachtsfeiern als Brutstätten der Unmoral erkannt und warnt „Tauche nie den Füller in Firmentinte.“ Doch mal so richtig unter uns: Wo eigentlich gäbe es bessere Gelegenheiten, um mal mehr, mal weniger verbindlich anzubandeln – man muss ja nicht gleich in derselben Nacht ein Kind zeugen oder empfangen.

Ja und nein zum heftigen Flirt bei der Weihnachtsfeier

Was man denn so raten kann? Na, das Übliche: Erstens, nie so viel trinken, das man nicht mehr weiß, was man tut. Lacht nicht – es gab schon Fälle, in denen jemand am nächsten Morgen nachgefragt hat: „Du, hatten wir eigentlich gestern Nacht was miteinander?“

Zweitens: Wenn dich jemand wirklich will, wenn ihr bei Sinnen seid, und keiner von euch verheiratet, warum dann eigentlich nicht? Ausgenommen sollten allerdings Chefs sein – das geht selten gut, und die erinnern sich auch gar nicht so gerne an so etwas.

Drittens: Außer Bettgeschichten sind auf Weihnachtsfeiern auch schon Ehen entstanden. Wie das kommt, ist einfach zu erklären: Da sehen sich Leute, die sonst kaum Kontakte haben, oder deren Kontakt immer hochoffiziell ist. Da kann es schon mal sein, dass einem plötzlich jemand tief in die Augen blickt und sagt: „Du, wir haben noch nie so intensiv zusammen geredet, wie jetzt – ich meine, wir könnten doch woanders weiterreden, oder?“ Seht, seht, das wären sie so, die Zufälle, aus denen sich mehr machen ließe – auch eine Ehe.