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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Untreue – soll sie die Seele zerfressen?

sinnlichkeit und untreue



Zum Thema der Untreue und des Seitensprungs gab es in den letzten Tagen verschiedene Zeitungsartikel. Einer bezweifelte die Formen des heutigen Zusammenlebens, ein anderer wies darauf hin, das selbst „Cybersex“, also Sex ohne jeden Körpereinsatz, bereits zu Scheidung, Paarberatung und Seelenpein führen könne. Doch ist dies alles wirklich „emotional katastrophal“? Und wenn es dies ist, ist es dann sinnvoll, gleich die seelische Katastrophenwarnung auszurufen?

Zunächst zwei äußerst kontroverse Beispiele:

Wen ein Mann 2010 eine Geliebte hat, also eine Frau, der er ebenfalls verbunden ist und mit der er häufig Geschlechtsverkehr hat, und er diese Beziehung ohne Wissen seiner Partnerin unterhält, dann ist Feuer unter dem Dach.

Wenn eine Ehefrau 1910 einen anderen Mann besucht, der sie fasziniert, und sich von ihm beschlafen lässt und dabei ein Kind erzeugt wird, dann wurde allgemein erwartet, dass der Ehemann dieses Kind als seines akzeptierte.

Wir haben es also nicht mir moralischen Fragen zu tun, und im Grunde ist nicht einmal die Psychologie gefragt – neben Zeitphänomene spielt die persönliche Einstellung eine große Rolle. Bevor man sich dazu bekannte, nicht der Vater zu sein und sich dabei ja auch gegenüber der Bürgergesellschaft blamierte, nahmen die meisten Männer alle Bankerts an. Ebenso hätte die Ehefrau des 21. Jahrhunderts die „Nebenfrau“ auch einfach zulassen können, wenn sie sich dadurch keinen Schaden erlitten hätte.

Wir sehen doch deutlich, wie sich die Moral ins Gegenteil verkehrt hat:

Wenn eine Ehefrau 2010 von einem anderen Mann schwanger wird, ist dies feststellbar, und sie riskiert die Scheidung mit bösen Folgen für ihr persönliches Wohlergehen. Niemand wird mehr ernsthaft von einem Mann erwarten, dass er „untergeschobene“ Kuckuckskinder finanziert.

Wenn ein Ehemann 1910 eine oder mehrere Geliebte hatte oder gar eine zweite „Menage“ (einen zweiten Haushalt) mit ihr führte, kam es nur darauf an, wie geheim er die Sache hielt – und selbst, wenn nicht: In einem berühmten Beispiel wurde eine scheidungswillige Ehefrau kurzerhand für meschugge erklärt, als sie daraufhin die Scheidung einreichen wollte.

Sicher ist das Verhalten von gegen 1910 verwerflich – aber ist unsere heutige Moral um so viel besser? Wir erleben doch gerade, wie sich das Verhalten von Frauen und Männer nivelliert?

Die neue Zeit hat mit sich gebracht, dass wir zuerst an die zerfressenen Seelen denken, die einem Seitensprung folgen, und nicht mehr an die wirtschaftlichen oder existenziellen Konsequenzen. Doch ist dies wirklich ein Fortschritt, dauernd zu behaupten, dass Seitensprünge in die Seelen schneiden? Müssten wir nicht „zurück zu den Realitäten“?

In früheren Zeiten galt das Emotionale als Privatbereich, und öffentlich über die Seelenschwäche zu sprechen, war nicht erwünscht. Es ist gut, dass wir heute über unsere Sorgen öffentlich sprechen und uns Rat und Hilfe holen können, aber muss man dann gleich den Teufel an die Wand malen, sich scheiden lassen und einander öffentlich diffamieren, so wie es uns die Hollywoodprominenz leider vorlebt?

Wäre es nicht besser, ein abgestuftes Repertoire an Verhaltensweisen zu entwickeln, um mit Seitensprüngen umzugehen, die früher oder später mindesten die Hälfte der Ehepaare treffen? Etwa „einmal ist kein Mal“?

Es gibt Paare, die gegenseitig von ihren Seitensprüngen wissen, und solche, die einander gegenseitig vor der Entdeckung schützen und selbstverständlich auch solche, bei denen es wahrhaftig keine „realen“ Seitensprünge gibt. Das alles ist für mich akzeptabel. Schwierigkeiten entstehen doch eigentlich erst, wenn sich Paare argwöhnisch und böswillig beäugen und kontrollieren. Wenn jeder intensive Kontakt zwischen Frau und Mann außerhalb der Ehe bereits als „Seitensprung“ angesehen wird, wenn Flirts als erotische Beziehungen angesehen werden, und wenn sogar die Fantasie zensiert wird, dann ist die Beziehung bereits zerrüttet. Wer als Frau oder Mann so weit gedemütigt wird, der wird nun erst recht einen Ausweg suchen, um endlich an einen verständnisvolleren Menschen zu gelangen.

Bild: Auszug aus einem Plakat von Leopoldo Metlicovitz, italienischer Zeichner, gegen 1910.