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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Das wirkliche Leben und die Sexmärchen



Der Wolf hat ein so großes Maul, dass er das Rotkäppchen in einem Happs verschlingt – nicht mal geschmatzt hat das Untier, sondern einmal geschluckt – und hopp, weg war das arme Mächen mitsamt dem roten Käppchen.

Inzwischen gibt es „Märchen für Erwachsene“, in denen allzeit potente, ausdauernde und „gut bestückte“ Kerle ihre Wolfspranken in Frauenhaut krallen, während die Damen dies zum Fressen schön finden und sich deshalb gerne in jede beliebige Lage begeben, um appetitlich dazuliegen. Sie sind gewissermaßen Vorspeise, Hauptgericht und Dessert für Herrn Wolf. Da kommt mir doch ein altes Schlageleid in den Sinn: „Mister Canibal, fress mich noch einmal …!“

Männer sind unersättlich, Frauen immer bereit

In einem alten Buch, das ich kürzlich ausgekramt habe, wird dergleichen schon gegeißelt. „Die Regel bilden die niemals müden, unersättlichen Herkulesse, die keine Ermattung, keine Stillung der Lüste kennen, stets in kraftstrotzender Vitalität dem Weibe zur Verfügung stehen." Nun, und die Damen? „Das vom Verführer ausgewählte Opfer ersehnt sich ja kein anderes Schicksal, als intensiven Liebesfreuden zugeführt zu werden“, heißt es weiter.

Damals freilich musste die Geilheit erst noch über die Augen ins Hirn wandern – es handelt sich bei den geschilderten Werken natürlich um Bücher. Heute werkeln tatsächlich verbissene, ansonsten aber recht emotionslose Herren auf Damen herum, deren einzige Gefühlsregung Stöhnen ist – und damit ist der Reiz des „erotischen Genres“ gleich null geworden – er verkommt dann zur geist- und seelenlosen Pornografie.

Das wirkliche Leben der Menschen um uns herum ist ja ein Leben, in das Sexualität bestenfalls „eingebettet“ ist. Die Märchen, Männer würden „dauernd an Sex“ denken, ist so dusselig, dass es nur von Leuten erfunden worden sein kann, die Gedanken und Emotionen nicht bewerten können: Ein Kranführer kann genau so wenig ständig an Sex denken wie ein Finanzchef oder ein Programmierer – alle haben eine hohe Verantwortung, in der sie nicht “mit dem Schwanz denken“ können.

Sex wird völlig überschätzt

Sex ist – sagen wir es doch mal deutlich – eine schöne Beigabe des Lebens, die uns viel Freude bereitet – und sicher auch manchen Kummer. Doch das wirkliche Leben kennt nicht nur den Druck der Arbeit, sondern auch Magen- und Emotionsverstimmungen: Sex ist nicht immer erwünscht, wenn andere Dinge Prioritäten haben.


Ein Leben mit Illusionen - erotische Literatur


Die größten Illusionen, aber auch der innigste Wunsch der Frauen besteht darin, dass Männer zugleich ausdauernde und zärtliche Liebhaber sind, die nicht nur sich selbst im Sex verwirklichen wollen, sondern den Frauen die erotischen Wünsche von der Nasenspitze ablesen können. Auf der anderen Seite wünschen sich Männer oft allzeit bereite, sexuell zugängliche und mit allen erotischen Künsten bewaffnete Verführerinnen, die nichts wollen, als Männer das Leben zu versüßen. Davon lebt die erotische Literatur überwiegend, auch heute noch. Auch Spielfilme, wie beispielsweise „Emmanuelle“, postulieren ein sorgenfreies, von nichts als Lüsten getriebenes Frauen- und Männerleben, das allein den Lüsten gewidmet ist. Doch diese Literatur, wie auch diese Filme, eigen sich noch zum Herbei- und Weiterträumen, weil sie die Fantasie weiterhin anregen. Bei den modernen pornografischen Filmen ist davon nichts übrig: Vom „ersten Mal“ bis zum „Gang Bang“ gibt es weder Angst noch Schmerz noch Peinlichkeiten noch Schweiß – alles wird „funktional“ abgewickelt.

Was Frauen lieben - von Emmanuelle bis bis zu harten Bandagen

Dieses „Funktionale“ ist die eigentliche Gefahr, die von diesen Filmchen im Internet ausgeht – und auch einer der Gründe, warum Frauen diese Art von Darstellungen nicht mögen. Wirft man wieder einen Blick zu „Emmanuelle“, dem heute schon klassischen erotischen Frauenlieblingsfilm, so fällt die filmisch nachempfundene erotische Emotion auf, die mindestens vom ersten Emmanuelle Film ausging, und die in eine erregende Geschichte heterosexueller, wie auch lesbischer Liebe eingebunden war, die wegen ihres exotischen Charakters auch nie peinlich wirkte.


Freilich – damals war die Sichtweise der Frauen auf die Liebe noch anders, und „Emmanuelle“ war die richtige Liebegeschichte, um sich in erotischen Schwingungen zu bringen. Heute wollen viele Frauen durchaus Geschichten, bei denen es etwas „mehr zur Sache“ geht – es muss nicht gleich die „Geschichte der O“ sein, aber heute dürfen die Geschichten auch etwas „direkter“ sein, wie zahlreiche ausschließlich für Frauen hergestellte Erotikfilme beweisen.

Freilich – es bleibt, wie es immer war: Erotikgeschichten, Erotikfilme und Pornografie sind „Märchen für Erwachsene“. Doch halt: Was bitte läuft von früh bis spät auf den Fernsehsendern? Ist nicht der größte Teil ebenfalls Unterhaltungskitsch, kaum mehr wert als die „Dienstmädchenliteratur“ der Vergangenheit? Und bezahlen wir alle, soweit öffentlich-rechtliche Sender betroffen sind, diese Volksverdummung nicht auch noch mit unseren Fernsehgebühren? Es ist wohl so: Die Verdummung durch Pornografie lässt sich mithilfe des Gutmenschentums und der Sensationslust der Leserschaft an sexuellen Themen sehr gut verteufeln – die Verdummung durch romantisierten Kitsch allerdings kaum. So bleibt es denn, wie es immer war: Die erotische Literatur wird verteufelt, die kitschige Herz- und Schmerzliteratur verherrlicht.

Die Wirklichkeit? Ach ja, die Wirklichkeit. „Hienieden ist ein Jammertal, erst im Jenseits ist Jubel und Jauchzen“, pflegte einer meiner Lehrer zu sagen, wenn wir uns über unser armseliges Leben beklagten. Das Leben ist eben hart – auch in der Sexualität.

Titelbild © 2010 by mydeardlilah

Zitat aus: "Geschichte der erotischen Literatur" von Dr. Paul English, zuerst 1931 erschienen.

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