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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Pornografie – devote Frauen, herrschsüchtige Männer?

Viktorianische Hingabe - mit Hut
Dies ist ein Essay. Es behandelt an wenigen Beispielen aus frivolen historischen Romanen, wie sich der Zeitgeist mit der Fantasie paart. Zudem zeigt er, wie die Wissenschaft Vorurteile nährt.

Die devote Frau in der Realität und der Erotik des 19. Jahrhunderts

Am Ende des 19. Jahrhunderts erblickte eine neue Romangattung das Licht der Welt, die man als „schlüpfrig“ bezeichnete. Sicher, man konnte vorher schon ähnliches lesen, wenn man beispielsweise Bücher des Marquis de Sade besaß. Aber erst zum Ende dieses Jahrhunderts entstanden Werke, die zwischen „großer Literatur“ und „schludrig geschrieben Machwerken“ standen. Eine große Anzahl von ihnen drehte sich um Frauen, die auf alle erdenklichen Arten sexuell „behandelt“ wurden … was durchaus dem Zeitgeist entsprach. „Die Wissenschaft“ hatte gerade verbindlich festgestellt: Das „gesunde Weib“ hätte weder erotische Bedürfnisse noch war es daran interessiert, eine eigene Sichtweise der Welt zu erwerben. Verhielt sich jenes Weib nicht so, dann wurde es als „krankhaft“ eingestuft. Die Romane der damaligen Zeit handelten deshalb hauptsächlich von der „Unterwerfung“ der Frau unter den Willen des Mannes – emotional und sexuell. Das ist der Grund, warum wir einen Teil der viktorianischen erotischen Literatur als so „entsetzlich“ empfinden: Der Mann nahm sich, was er wollte, weil er glaubte, dass dies sein gutes Recht sei. Zwar gab es gesellschaftliche Einschränkungen – wir dürfen aber nicht vergessen, dass sich derartige Vorgänge weitgehend „hinter den Fassaden der Wohlanständigkeit“ abspielten.

Fragwürdige Wissenschaft, überspitze Realität und der Freiheitsdrang

Im Grunde waren Gedanken an aktive wie passive Unterwerfung nicht einmal Pornografie – sondern eine überspitze Schilderung tatsächlicher Verhältnisse. Ungefähr zu der Zeit, als der Briefroman und viele andere ähnliche Werke erschienen, begann im Vereinigten Königreich der Protest gegen die Männerherrschaft. Obgleich der Vorgang an sich viele Männer empörte, hatten die protestierenden Frauen am Ende mehr Freiheiten - außer sexuellen Freiheiten. Darüber waren sich Frauen und Männer durchaus einig.

Was bis heute zurückblieb, ist eine gesellschaftliche Vorstellung vom „Wesen der Frau“ . Solange sie ihr sexuelles Verlangen „gedeckelt“ hielt und „man ihr nichts nachsagen“ konnte, behielt sie ihren guten Ruf. Doch sobald etwas von ihrer sinnlichen Begierde an die Öffentlichkeit drang , wurde sie zur „Schlampe“ , die es „offenbar mit jedem trieb“.

Davon zeugen auch einige Textstellen im Briefroman „Beauty and the Birch“, der allgemein auf 1905 datiert wird und als besonders ehrenrührig gilt. Darin wird eine junge Frau über alle erdenklichen Maße gedemütigt, und zwar hauptsächlich, weil sie sich in England sexuelle Freiheiten „herausgenommen“ hatte.

Die devote Frau - ein Teil der viktorianischen Erotik

Ein Mediziner hält einen „Einführungsvortrag“, in dem er betont, dass alle Unsäglichkeiten, die er nun vorführen werde, allein die Schuld der Frau seien:

Sie brauchen sich keine Sorgen darüber zu machen, was ihr hier angetan wird. Sie ist sowohl in der Ehe als auch außerhalb der Ehe gut an sexuelle Handlungen gewöhnt, und verhielt sich dabei in ihren Gelüsten eigensinnig und egoistisch … sehen Sie, sie ist eine gebildete Frau, emanzipiert und selbstbewusst.

Offenbar wartete die Gesellschaft jener Zeit nur drauf, dass eine solche Person „betraft“ werden müsse. Die Beleg dazu stammen keinesfalls aus fragwürdigen Quellen, sondern von leibhaftigen Wissenschaftlern jener Zeit, die einen untadeligen Ruf genossen. Aus dem gleichen Grund gibt im Roman auch ein Arzt die fadenscheinige Begründung.

Unterwürfige Männer - dominante Frauen

Unter strenger Hand ...

Ob in großen Romanen oder schlüpfrigen Erzählungen – nicht immer waren die Herren dominant und die Frauen über allen Maßen unterwürfig. Als Leopold Ritter von Sacher-Masoch seinen berühmten Roman „Venus im Pelz“ (1870) schrieb, hatte er viele Nachfolger in der Trivialliteratur, die den Frauen Dominanz zuwiesen, den Männern aber eher Unterwerfung.

Auch dabei wurden die Figuren überzeichnet, beispielsweise im wohl bekanntesten dieser Werke, „Die Weiberherrschaft“, das in drei Bänden veröffentlicht wurde (zuerst 1893). In diesem Fall wird ein junger Mann einer privaten Gouvernante zugeführt, die ihn disziplinieren soll.

Verwirrspiele auf der erotischen Bühne

Was dabei herauskommt, ist ein Verwirrspiel, um die Geschlechterrolle des Jünglings und seine völlig „Unterwerfung unter den Rock“. Hier geht es nicht allein um die recht brutale Erziehung durch die Hand von Frauen, sondern um eine Mixtur aus geschlechtlicher Verwirrung, sexueller Begierde und exklusiven Strafen.

In vielen weiteren, meist britischen Geschichten unterschiedlicher Qualität geht es später immer wieder um die „Lust an der Rute“, die bei verschiedenen Gelegenheiten und unter manchem Vorwand auf dem Gesäß lustvoller Damen und Herren landet. Die Rollen wechseln dabei, wie auch die Motive der Beteiligten. Es geht um Strafen und Lüste, Korrekturen und Hingabe, emotionale Kälte und feurige Begeisterung. Kurz gesagt: Der Leser oder die Leserin bekommt das beliebte Lesefutter - ein Wechselbad der sinnlichen Empfindungen.

Diese Sehnsüchte sind immer noch vorhanden – entsprechende Versuche finden wir in zahllosen Kurzgeschichten. Doch sehr selten finden wir eine Schilderung, die unsere Gedanken wie eine Welle mitreißt, sodass wir glauben, selbst beteiligt gewesen zu sein.

Was die Wissenschaft betrifft - wir blicken in einen Abgrund von Unfähigkeit, sich in die Psyche hineinzuversetzen und den Wandel zu begreifen. Und wir schauen auf eine Festung, die von Arroganz geschützt wurde. Die Bespiele am Schluss mögen es belegen.

Nachweise, Quellen, Ergänzungen

(Oben, Mitte) Standbilder aus einem erotischen Film, der nach einer Erzählung aus viktorianischer Zeit gedreht wurde. Nach dem Roman "The Way of a Man with a Maid" (1908 geschrieben).
(Unten) Buchtitel Leipziger Verlag, historisch, ohne Datum.
Die Zitate wurden etwas "entschärft". Der entsprechende Briefroman erschien unter zahlreichen anderen Titeln.
Literatur: The Origins of Sex" zum Wandel der britischen Gesellschaft in der "ersten sexuellen Revolution" , London 2012.
"The Plasure is all mine", London 2013.
Neue Sichtweise auf die Jetztzeit: "Porno - ein unverschämte Analyse",ab Seite 57, Hamburg 2023.


Angebliche "Wissenschaftliche" Beweise:

Wie allgemein bekannt, hat die Frau in ihrem ursprünglichen Wesen, also unverdorben, unberührt und gesund, nur selten - wenn überhaupt - ein sexuelles Verlangen. Sie unternimmt auch keine Schritte, die auf ihr sexuelles Verlangen hindeuten - aus dem ganz einfachen Grund, dass sie ein solches Verlangen nicht spürt.

Der Arzt William Andrus Allcorr, 1856.

Ist (das Weib) geistig normale entwickelt und wohlerzogen, so ist sein sinnliches Verlangen ein geringes. Jedenfalls … ist das Weib, welches dem Geschlechtsgenuss nachgeht (eine) abnorme Erscheinung (...). Das Weib verhält sich passiv. Es liegt dies in seiner sexuellen Organisation und nicht bloß in den auf dieser fußenden Geboten der guten Sitten begründet“

Der forensische Psychiater Richard von Krafft-Ebing, Stuttgart 1886.

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