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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Eklige Moralisten in Presse und Alltag

Früher waren die Moralisten alt – innerlich wie äußerlich. Ob Sie nun den Muff des „tausendjährigen Reichs“ unter ihren Anzugjacken trugen oder der neuen bürgerlichen Biedermännerklasse angehörten - das Moralin spritze nur so. Gegen 1960 begannen junge Menschen gegen diese „alten Säcke“ zu rebellieren. Doch wer es wagte, wurde abgekanzelt – und zwar durchaus auch mithilfe der örtlichen Presse. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie die ekligen Spießbürger Hand-in-Hand mit ihrer bereitwillig moralisierenden Bürgerpresse versuchten, diesen junge Leuten das Leben zu vermiesen. Entschuldigt hat sich nie jemand – man ging zur Tagesordnung über, nahtlos.

Rafael Seligmann schrieb dieser Tage in der „Frankfurter Rundschau“ wie es tatsächlich war. Er, Jahrgang 1947, muss die Zeit ähnlich erlebt haben wie ich: eine lächerliche Doppelmoral aus Männerrechten und Frauenpflichten, aus eklig zur Schau getragener Moralfassade und heimlichen Exzessen mit Straßen- Bordell- und Edelhuren, soweit die Männerwelt betroffen war. Frauen gestattete man vorsichtshalber mal gar nichts, was sie jedoch nicht generell hinderte, ihr Puderdöschen auch mal woanders als daheim zu öffnen. Denn was hinter den Fassaden der Bürgerwelt geschah, das gab es nicht. Ärger bekam man nur, wenn irgendjemand petzte- und das war selten der Fall.

Eine Schreckenswelt für die Liebe - Deutschland damals

Eltern wurden vom Gesetzgeber bedroht, wenn sie ihren Töchtern und Söhnen gestatteten, mit ihren gegengeschlechtlichen Freundinnen oder Freunden zu schlafen. Gleichgeschlechtliche Kontakte zwischen Männern waren per Gesetz unter Strafe gestellt, und ein feixendes Bürgertum machte seine Schmierwitze darüber. Wenn Frauen mit Frauen Affären hatten, wurde dies zwar angeprangert, aber letztendlich hingenommen, solange man es unter den Teppich kehren konnte. Frauen, die keine „Kriegerwitwen“ waren und Kinder alleine großzogen, standen allerdings unter ständiger Kontrolle der Nachbarschaft – und das Auge des „großen Bruders“ Staat wachte über sie, indem dieser seine „Fürsorgerinnen“ ausschickte, um die Moral der Alleinerziehenden auszuspähen. Gegen 1962 besuchte ich einen höchst offiziellen offenen Vortrag in einer Kirchgemeinde, in der es um „Jugend und Sexualität“ ging – das Lieblingsthema der Biedermänner. Ich erinnere ich deutlich, dass einmal ein Herr auftrat, der sich rühmte, mit einer Wahrheitsdroge Schülerinnen zu Geständnissen über ihre Geschlechtsbeziehungen zu veranlassen. Dabei handelte es sich offenbar um junge Mädchen im frühen Jugendalter, die es gewagt hatten, mit Mitschülern zu schlafen – das reichte offenbar zur Kriminalisierung. Ich erinnere mich deutlich, dass eine schwangere Schülerin von der Schule verwiesen wurde - ohne viel Aufhebens. Wurde ein Mädchen mit einem Mitschüler bei Intimitäten erwischt, und sei es nur beim Petting, erhielt einen Vermerk in den Schulakten: „Sexuell gefährdet“. –der Mann kam meist ungeschoren davon.

Die unredlichen Moralisten kommen aus ihren Löchern zurück

Heute sind die Menschen selbstbewusster, sollte man meinen. Doch heimlich, still und leise kriechen die ekligen Molche der Moralinfraktion wieder aus ihren Löchern. Die Bürgerpresse versucht erneut, ihre Wasserwerfer mit ätzender Moralinsäure auf Menschen zu richten, die anders denken, fühlen und handeln.

Wer eine machtvolle Lobby hat, wird verschont

Wo es eine machtvolle Lobby gibt, wie bei den Homosexuellen, verbrennen sie sich nicht die Finger. Stattdessen werden Neigungen hervorgekramt, die nach wie vor für „Pfui-Teufel“-Rufe sorgen: Die deutsche Presse hackte ohne Not tagelang auf Max Mosley herum, dessen Verbrechen darin bestand, durch einen Agenten in eine Sexfalle gelockt worden zu sein. Doch nicht den Agenten jagte die Presse, sondern Mosley wurde in übelster Wiese diffamiert. Bis heute haben sich die entsprechenden Organe der Bürger- und Boulevardpresse nicht für ihre menschenverachtende Berichterstattung entschuldigt.

Die neuen Opfer: Hauptsächlich Männer und eine Frau

Die neuen Opfer sind nicht mehr Jugendliche: Es sind Männer, die ihren Lebensstil durchsetzen wollen. Man hofft mit den Artikeln bei Frauen zu punkten, die solche Männer abgrundtief hassen. Deshalb werden fast ausschließlich männliche Ehebrecher an den Pranger gestellt, und dies immer wieder und mit Genuss. Damit trifft man den Nerv all jener Frauen, die selber einmal betrogen oder verlassen wurden. Selbstverständlich weiß man in den Redaktionsstuben auch, wie viele Frauen ihren Männern Hörner aufsetzen – aber man weiß auch, dass Männer davon nichts lesen wollen.

Der männliche Ehebrecher ist zwar das Lieblingsopfer, aber nicht das einzig mögliche Opfer der Bürgerpresse. Gegenwärtig hat man eine Lieblingsfeindin ausgemacht: eine Frau, die angeblich Pornografie schreibt. Allerdings endet der Kampf der Medien gegen Frau Roche überwiegend damit, dass Frau Roche noch ein bisschen populärer wird, und die Kulturredakteure sich noch ein bisschen lächerlicher machen. Das letzte Opfer, das möglicherweise gezielt diffamiert wurde, ist der CDU-Politiker und ehemalige Spitzenkandidat der CDU in Schleswig-Holstein, Christian von Boetticher. Man hat ihm mithilfe der Presse Karriere und Ansehen zerstört und tut nun so, als trüge er selbst dafür die Verantwortung. Die „WELT“ lässt heute irgendwelche Teenies zu Wort kommen, die jetzt über den Fall urteilen dürfen.

Die alte Doppelmoral neu installieren? Wehret den Anfängen!

Die neue Bürgerlichkeit schickt ihre Gut- und Edelmenschen vor. Die alte Doppelmoral soll reinstalliert werden: Frau Musterbürger rotzt vorne ihre Empörung über Charlotte Roche heraus, und dann geht sie an den Computer und schaut, welches Frischfleisch bei ihrer Seitensprungagentur eingetroffen ist Herr Musterbürger, der eben noch über Budapestorgien motzte, bestellt sich für die nächste Konferenz schon mal eine Dame aufs Zimmer – man gönnt sich ja sonst nichts. Söhnlein Musterbürger mit der aufrechten Gesinnung hat entdeckt, dass Frauen über 40 sich ganz gut eignen, um als kostenlose Sexobjekte vernascht zu werden, und Töchterchen Musterbürger spielt den Sexlockvogel für einen Privatdetektiv, verachtet aber die Huren, die zwei Straßen weiter in einer Modellwohnung Herren für kurze Besuche empfangen.

Schöne, böse neue Welt? Ich weiß, dass ich hier bisweilen übertreibe. Aber es ist besser, den moralinsauer veranlagten Medien jetzt ein paar Schüsse vor den Bug zu verpassen als dann, wenn sie Andersdenkende fest in ihren Krallen haben und auf diese Weise Menschen in die Nähe des Abgrunds bringen.