Der Hintergrund: das Tun von Herrn Grey und Fräulein Anastasia
Fesselungen aus Lust?
Mhh – und dann? Fangen wir mal da an, wo wir den Anfang vermuten können: beim Sprung. Sobald nämlich das weibliche Säugetier verlockend genug ist und zumeist ausgewiesen bereit ist, dem männlichen Tier den „Sprung“ zu ermöglichen, muss es einen kurzen Moment starr verharren. Parallel dazu muss das männliche Tier daran gehindert werden, den Sprung vorzeitig zu unterbrechen. Alles Tricks von Mutter Natur – besonders ausgeprägt bei Katzen. „Festhalten“ ist also im Bereich der Säugetiere und mancher Vögel durchaus natürlich.
Für Menschen ist der Natursprung auf Dauer langweilig
Menschen abstrahieren bekanntlich. Weil der „Natursprung“ für sie nach einer Weile nichts wirklich Sensationelles mehr beinhaltet, werden seine Möglichkeiten erweitert. Und möglicherweise eben auch die „inneren Fesselungen“ oder – bei Männern – das plötzliche psychische Desinteresse an der Partnerin, sobald er die Partnerin erobert hat.
Bondage - festhalten aus Lust und Spieltrieb
Eine dieser Möglichkeiten ist „Bondage“, auf Deutsch mit „Fesselungen“ zwar korrekt übersetzt, aber nicht genau beschrieben. „Bondage“ beruht darauf, sich in der Bewegungsfreiheit willentlich einschränken zu lassen, und sich dadurch verfügbar zu machen. Meistens wird „Bondage“ als „Fesselspiel“ ausgeführt, das heißt, die/der Gefesselte wird in ein Spiel verwickelt, das „echten“ Sex beinhalten kann oder auch nicht. Bondage wird normalerweise von Anfängern mit Stoff- oder Lederhandschellen ausgeführt, weil diese Methode schnell, effektiv und weitgehend gefahrlos ist. Die Fesselung kann beliebig „verschärft“ werden, etwa mit Leder-Geschirren, Seilen, Zwangsjacken und ähnlichen Möglichkeiten. Es hängt immer davon ab, welche Art von Rollenspiel erwünscht ist.
Willkürliche Änderungen in Wahrnehmung und Kommunikation
Eine andere Form, die oft im Zusammenhang mit Fesselungen gebraucht wird, ist die Auskopplung von Kommunikation oder die Einschränkung der Sinneswahrnehmung. In nahezu jedem „Bondageset“ ist heutzutage die berühmte „Augenbinde“ vorhanden. Sie dient dazu, die Wahrnehmung auf andere Sinne (Körperkontakte, Schmecken, Riechen, Hören) zu verlagern und damit die Sensationen zu verstärken, die davon ausgehen. Beliebt ist auch das Redeverbot, das mit mentalen und technischen Mitteln durchgesetzt werden kann.
BDSM ist als Begriff bedeutungslos geworden
So klar nun ist, was Fesselungen bedeutet (wobei hier nur Grundvarianten angedeutet werden), so unklar ist, was BDSM eigentlich ist. Es zu erklären, ist so gut wie sinnlos – es ist ein Sammelbegriff für besondere sexuelle Lüste, die auf „ungleichgewichtigen“ Beziehungen beziehungsweise derartigen Rollenspielen beruhen.
Paare, die sinnliche "Lustverstärker" einsetzen, betreiben kein BDSM
Sanfte Fesselungen, Wachs-Spiele, Kitzelspiele mit Federn und Händen, leichte Handschläge auf den Po, spielerische Verweigerungen und „schmutzige Redensarten“ gehören zum gewöhnlichen Liebespiel vieler Paare, auch wenn sie keine Anhänger oder gar Adepten der BDSM-Kultur sind.
Zum engeren Bereich des Begriffs BDSM zählt vor allem der Bereich der D/S-Kultur – andere Bereiche sind weniger bedeutsam.
Spiele mit Disziplin, Strafen, Schmerz und Unterwerfung
Dieses Element wird auf Deutsch auch als „Disziplin und Unterwerfung“ bezeichnet. Dabei unterwirft sich eine Person der anderen aus freiem Willen, erwartet aber, dass diese andere Person psychischen oder physischen Druck ausübt, um das Spiel erregender zu gestalten. Hartnäckige Anhänger dieser Methode sehen sich selbst nicht als Spieler, sondern behauten, dass diese Verhältnisse zu ihrem Lebensstil gehören.
Die „Disziplinierung“ kann dabei verbal, durch Schläge oder Bewegungshemmung erfolgen. Oftmals werden Elemente der Erniedrigung als weiters Mittel eingesetzt. Dazu gehört unter anderem unangemessene Nacktheit gehören. Weitere Methoden sind die Einhaltung bestimmter Körperhaltungen (Knien, auf „allen Vieren“ gehen, gesenkter Kopf) oder Bekleidungsvorschriften, bei Männern zum Beispiel das Tragen weiblicher Kleidungsstücke. Ferner können sexuelle Einschränkungen verwendet werden – in letzter Zeit sind „Keuschheitsgeschirre“ dazu wieder sehr beliebt. Die Möglichkeiten und Grenzen sind aber nahezu unendlich weit gefasst. Und sie übersteigen bei Weitem das, was wir hier beschreiben können und wollen.
BDSM - die Wiedergeburt des Wortes als Folge der "Shades of Grey"
BDSM ist, wie ich schon betonte, ein Begriff, der innerhalb einer Subkultur gebildet wurde und außerhalb dieses engen Kreises nicht die Bedeutung hat, die man sich dort gelegentlich anmaßt. In die Presse ist dieser Begriff einerseits als „Sadomaso“ (S/M) eingegangen, andererseits wurde das Interesse daran von einer für Frauen geschriebenen Kitsch-Romanze wachgerufen, in die BDSM-Elemente eingearbeitet wurden.
Das Interesse an Fesselungen und Peitschen, aber auch an anderen „Spielzeugen“ der Erotik-Branche ist seit den „Fifty Shades of Grey“ groß. Beim Kauf ist jedoch Vorsicht geboten, denn die meisten der üblichen Billig-Artikel wie etwa Geräte, Elemente und Kleidungsstücke sind werde haltbar genug wirklich anwendungsfreundlich und sind bestenfalls zum Erproben gedacht. Die meisten Peitschen können nicht wirklich gefahrlos an Menschen verwendet werden, auch wenn die Werbung andere andere Behauptungen aufstellt.
Die Verantwortung für das eigene Handeln an der Tür zur Bühne abgeben: Rollenspiele
Die Lust daran, einer anderen Person die Kontrolle und Verantwortung für das zu überlassen, was geschehen wird, ist ausgesprochen menschlich. Verantwortung kann sehr auf die Psyche drücken, sodass man sich nach den vermeintlich sorgenfreien Tagen der Kindheit zurücksehnt. Eine sehr typische Reaktion des Erwachsenen ist die „innere Flucht in die Unschuld“. Dieses Verfahren wird auch bei Rollenspielen wirksam, denn derjenige, der sich unterwirft, kann jedwede Verantwortung für die eigene Wollust, Entgleisung oder „Perversion“ symbolisch auf den Partner abschieben, der ihn „hineingeritten“ hat.
Jeder, der schon einmal irgendwelche Rollenspiele, seien sie sexueller oder anderer Natur, genossen hat, wird wissen, wie schnell man sich in die Rolle „hineinlebt“. Und dann ist es eben oft wunderschön, zu glauben, man habe tatsächlich nicht die Verantwortung für sich selbst.