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 Liebeszeitung - Liebe, Lust und Sex
Warnung! Teile dieser Texte könnten mithilfe menschlicher Intelligenz erzeugt worden sein.

Autorenforum: Erotisch Schreiben und Qualität

In all meinen Überlegungen für euch Autorinnen und Autoren versuche ich, euch zu sagen: Schreibt literarisch so hochwertig, wie es euch möglich ist. Ich sage das vor allem, weil ich es persönlich für wichtig halte, aber ich sage es auch, damit ihr euch nicht gleich als Pornografinnen oder Pornografen verdammt werdet.

Doch ich muss euch auf der anderen Seite auch dies sagen: Erotisch und literarisch hochwertige Qualität verkauft sich nicht gut. Der Stil der bekanntesten deutschsprachigen Autorin, Sophie Andresky, ist seltsam flach und leblos, und dennoch lieben viele Menschen ihre Bücher. Tatsächlich verkaufen sich humorvoll geschriebene, etwas seichte, aber durchaus frivole Bücher am besten. Sie erreichen auch ein Publikum, das für die erotische Literatur immer wichtiger wird: Frauen. Sehr anspruchsvolle Erotik hingegen, wie etwa der erotische Roman „Amatista“ (Alicia Steimberg) verkauft sich nicht besonders, weil er sogar für weibliche Leser nicht anregend genug ist.

Du kannst unterscheiden (und wählen):

1. Hochwertige erotische Literatur sinnlicher Art – meist in Form von Erzählungen, vielfach innovativ, spricht überwiegend Sammler und Liebhaber erotischer Werke an.
2. Spektakuläre Literatur, die ein brisantes oder immer wieder diskutiertes sexuelles Thema beinhaltet („Geschichte der O“, „Venus im Pelz“)
3. Gebrauchsliteratur mit ein wenig literarischer Qualität, aber einigen interessanten Schilderungen gewöhnlicher Sexualität inklusive weiblicher Bisexualität („Emmanuelle“)
4. Gebrauchsliteratur ohne literarische Qualität, aber mit interessanten erotischen Aspekten (Vögelfrei).
5. Spezialliteratur unterschiedlicher Qualität für besondere Klientel (Schmerzliebhaber, Bisexuelle, Homosexuelle)
6. Masturbationsliteratur, bei denen der Geschlechtsakt oder andere sexuelle Handlungen im Mittelpunkt stehen.
7. Aufsätze nach Teenagerart, die ein jugendliches Publikum anziehen, aber weder einen literarischen noch einen „aufgeilenden“ Charakter haben.

Es ist nicht leicht, erotisch zu schreiben, ich schwöre es dir. Erotik verlangt den langsamen Aufbau des wilden, verwegenen Gefühls, wirklich nach dem Körper des anderen zu gieren. Das aber dauert den meisten Männern zu lange, die sich meistens in drei bis fünf Minuten an deiner Geschichte aufgeilen wollen. Also muss alles ziemlich schnell gehen, was wieder die Entwicklung lebendiger Gefühle hemmt. Schreibst du für Frauen, dann darf die Zeit von der ersten Berührung zur finalen Erregung länger dauern, und du kannst diel mehr über die Gedanken deiner Heldinnen und Helden schreiben.

Ein gutes Beispiel für die erotische Wirkung einer Geschichte ist der Übergang zwischen vollständiger Bekleidung zur Nacktheit, gleich, ob man sich selbst auszieht oder ausgezogen wird. In einem Klassiker, „die Kallypigen“ wird dieser Prozess erotisch in die Länge gezogen: Die junge Bedienstete Margaret wird zunächst aufgefordert, „die Röcke zu heben“, und erst vier Seiten später kommt sie der Aufforderung nach, sich „ganz nackt“ zu präsentieren. Du meinst, die Frauen trugen damals noch mehr Unterkleider? Nun, es kommt nicht darauf an, sondernd darauf, wie ausführlich du die Situation schilderst, in der du dich ausziehen musst.

Eine moderne Form könnte so aussehen:

„Ich hatte mich besonders schön gemacht, um im Hause von Frau K. zu glänzen, schließlich sollte ich ja einigen Unternehmerinnen vorgestellt werden, bei denen ich einen guten Eindruck hinterlassen wollte. Ein weißes fliederfarbenes Sommerkleid, passende Unterwäsche und High Heels hielt ich für die richtige Ausstaffierung für den Termin, denn schließlich hieß es, alle seinen in der Mode- und Schönheitsbranche.

Ich bemerkte, dass man mich nur kurz, aber durchdringend ansah, als ich auf dem Stuhl Platz nahm, vor dem im Halbkreis fünf elegante gekleidete Damen saßen. Ich dachte, ich würde jetzt wegen meiner Fähigkeiten angesprochen, aber Madame K, sagt zu meiner Überraschung: „Stehen Sie bitte auf und heben Sie ihren Rock bis zur Hüfte.“ Ich stand auf und wandet mich an die Damen: „Das ist ein Scherz von Ihnen nicht wahr? Ein kleiner Test?“ Nachdem die Damen eine Weile geschwiegen hatten und mich einfach still stehen ließen, kam Madame K. auf mich zu und sagte leise und freundlich, aber bestimmt: „Wenn ich Ihnen sage, sie sollen den Rock bis zur Hüfte hochheben, dann ist das kein Scherz – oder soll ich Ihnen etwa den Rock selber anheben, um Ihre Schenkel zu sehen?“


Verlassen wir hier die Geschichte, nicht wahr? Du wirst unschwer erkannt haben, wie lange man diese Szene ausdehnen kann, bis die Bewerberin bei ihrem Vorstellungsgespräch ganz nackt dasteht, und ab dann geht die eigentliche erotische Geschichte ja erst los.

Dies aber kannst du dir merken: An der Nacktheit ist nicht das Nacktsein wichtig, sondern das meist schamvolle Ausziehen, das Überwindung kostet. Wem die Scham des Ausziehens selbst nicht reicht, kann noch Peinlichkeiten einführen: von der völlig unpassenden Unterwäsche über Höschen, die nicht ganz sauber sind, die Spuren einer wilden Liebesnacht, die nicht beseitigt werden konnten, und deutliche Male von vorausgegangenen sinnlichen Strafen.

Copyrightvorbehalt: Das hier verwendete Fragment erscheint unter © 2010 by Liebeszeitung.de. Es darf nur unter der Voraussetzung in eigene Publikationen verwendet werden, dass mindestens vier Fünftel des späteren Textes ein Eigenprodukt der Autorin oder des Autors ist und dass auf die Liebeszeitung als ursprüngliche Quelle der Idee verwiesen wird. Ein Beleg dafür wird erbeten.

Was bin ich in der Liebe?

was nun? echt sein oder eine rolle spielen in der liebe?


Von allen Seiten hören wir derzeit: „Sei authentisch“, oder „verstelle dich nicht“, und dies soll, so die Autorinnen und Autoren, ganz selbstverständlich auch für die Liebe gelten. Psychologisch bewanderte Zeitgenossen erden in diesem Fall auch von dem wahren „Selbst“, das man (beispielsweise durch „Selbsterfahrung“) an den Tag legen sollte, oder von dem „wahren ICH“. Die Kitsch- und Esoterikfraktion neigt mehr dazu, von der „Sprache der Seele“ oder vom „Wissen des Herzens“ zu sprechen.

Die Menschen wollen uns etwas Gutes tun – leider

Was wollen diese Leute uns sagen? Auf den ersten Blick wollen sie uns etwas Gutes tun, weil es angeblich leichter ist „authentisch zu sein“ als „eine Rolle zu spielen“. Aber genau hier kommen schon die ersten Risse in die Fassade: In unserem Leben sind wir so gut wie niemals ausschließlich „authentisch“, sondern wir leben mit erlernten sozialen und persönlichen Rollen, die wir uns im Laufe des Lebens angeeignet haben. Sie sind Teile unserer Persönlichkeit. Ein Beispiel:

„Du bist aus deinem innersten Selbst überzeugt, dass Menschen nur ehrlich sind, wenn sind absolut nackt sind. Dennoch wirst du als absolut ehrlicher Bankangestellter nicht nackt in der Schalterhalle arbeiten.“

Keine Chance, „absolut authentisch“ zu sein

Der Zivilisationsmensch hat also gar keine Chancen, immer und überall sein innerstes Selbst zu offenbaren, selbst ein Pfarrer nicht. Wenn das schon nicht möglich ist, wie soll es dann ein Mensch tun, der die Liebe eines anderen gewinnen will?

Wagen wir einen zweiten Blick: Ist es denn erstrebenswert, authentisch zu sein, und vor allem: Sollten wir in der Liebe authentisch sein?

Authentisch sein – ganz allgemein

Der Weg nach „Innen“, wo wir das „Authentische“ vermuten, ist immer dann gut, wenn wir unsere eigenen Absichten erforschen wollen, zum Beispiel, welche Ziele wir anstreben oder welchen Partner wir suchen sollten. Dies hilft uns, weil wir sonst vielleicht einer „äußeren Verblendung“ unterliegen könnten, in einem kurzen Satz: „Er lebt zwar in einer verführerischen Welt, aber diese Welt wird nie meine Welt“.

Authentisch sein in der Liebe?

Alles, was mit der Liebe zusammenhängt, von der Verliebtheit bis zur Treue, ist ein Gaukelspiel von Mutter Natur. Der Kulturmensch hat es in romantische Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft gewandelt, konnte dabei aber des Pudels Kern nicht ausmerzen: Die Liebe ist nach wie vor ein biologisches Phänomen, in dem Mutter Natur das Hirn vernebelt, und uns zu einem relativ riskanten, sehr facettenreichen Spiel verleitet. Wer „auf Freiersfüßen“ geht, oder wie man heute sagt, „Dating“ betreibt, kann deswegen gar nicht authentisch sein: Er will ja gerade einen Zustand erreichen, in dem er eben nicht authentisch ist, nämlich verliebt sein. Wäre Dating ein reines Spiel um eine Vernunftehe, müsste man dies nicht einwenden. Doch um Vernunft geht es erst in zweiter Linie: Zwischen zwei Menschen kann sich beim Date viel entwickeln, aber die Lust aufeinander entwickelt sich meist schneller als der Wunsch, zusammenzubleiben, und also sieht die Lust über die Vernunft. Das ist gar nicht so schlecht, wie es sich anhört: Es führt dazu, uns von den nötigen Kompromissen bei der Partnerwahl zu überzeugen und nicht ständig nach den Rosinen im Kuchen der Singles zu bohren. „Dating“ und „absolut authentisch sein“ ist also ein Widerspruch in sich und keinesfalls ein wünschenswerter Zustand.

Wer und was bin ich in der Liebe?

Ebenso unsinnig, wie hundert Prozent authentisch zu sein ist es freilich, ausschließlich eine Rolle zu spielen. Rollen haben ebenfalls mehrere Seiten:

- Du bist eine lustvolle Schlampe und spielst dich selbst.
- Du bist eine lustvolle Schlampe, die die Rolle einer lustvollen Schlampe spielt.
- Du bist eine lustvolle Schlampe und spielst die Rolle einer braven Sekretärin, die endlich einen festen Partner sucht.
- Du bist eine schüchterne, brave und zurückhaltende Frau, spielst dem Partner aber die lustvolle Schlampe vor.

Kritiker werden nun einwenden, dass man niemals nur “eine lustvolle Schlampe ist“, aber als simples Beispiel mag dies genügen.
Du wirst leicht erkennen, dass wir nur im ersten Beispiel eine authentische Person haben, dass aber mindestens das zweite und dritte Beispiel Möglichkeiten aufzeigt, die auch tatsächlich genutzt werden und gut spielbar sind – lediglich die vierte Rolle ist schrecklich, und zwar für alle Beteiligten.

Nun kann man leicht erkennen, was der Kern der Rolle ist, und zwar nicht nur in der Liebe: Man kann sie spielen, solange sie mit einem wichtigen Teil der Persönlichkeit, der jetzt und hier aktuell ist, übereinstimmt.

Was bin ich also in der Liebe?

Du bist in der Liebe derjenige Teil deiner Persönlichkeit, der in der Situation zur Liebe bereits ist – nicht mehr und nicht weniger. Du musst also nicht authentisch sein. Versuche, eine glaubwürdige Rolle zu spielen, wenn du eine feste Beziehung suchst oder eine erregende Rolle, wenn du eine kurzfristige Begegnung suchst.

Bild © 2009 by Alejandro Slocker